Vielfalt im Meer erhalten

Was macht ein Meeresschutzgebiet erfolgreich?

Seit den 1990er-Jahren hat sich die Anzahl an Meeresschutzgebieten um das 1,5fache erhöht und die geschützte Fläche beträgt weltweit derzeit fast 30 Millionen Quadratkilometer. Das entspricht zwar rund 8 Prozent der Ozeanfläche, verschleiert jedoch die Tatsache, dass sehr viele Schutzgebiete relativ klein sind. Der Antarktische Ozean bietet nun die Chance, große Schutzgebiete zum globalen Netzwerk hinzuzufügen.

Dr. Katharina Teschke

Helmholtz-Institut für Funktionelle Marine Biodiversität an der Universität Oldenburg (HIFMB)

Prof. Dr. Thomas Brey

Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI), Helmholtz-Institut für Funktionelle Marine Biodiversität an der Universität Oldenburg (HIFMB)

  • Die Bedeutung von Meeresschutzgebieten hat weltweit zugenommen.
  • Ein wichtiges Anliegen ist es, die Überfischung kommerziell genutzter Fische, Tintenfische, Krebse oder auch Muscheln zu verhindern.
  • Schutzmaßnahmen und -regelungen werden für ihr Schutzziel „maßgeschneidert“.
  • Ein derzeit wichtiges Ziel ist die Erhaltung der lebenden Meeresschätze der Antarktis.

Die Einrichtung von Meeresschutzgebieten zielt auf den Erhalt mariner Ökosysteme in möglichst naturnahem Zustand ab (z.B. UNEP-WCMC & IUCN, 2019; OECD, 2017). Im Prinzip geht es dabei um den Schutz oder die Wiederherstellung der Biodiversität, d.h. der Vielfalt an Arten, Habitaten und Funktionen des Ökosystems. Dieses Ziel wird durch Schutzmaßnahmen angestrebt, die den negativen Einfluss menschlicher Aktivitäten minimieren sollen. Ein ganz wichtiges Anliegen ist es, die Überfischung kommerziell genutzter Fische, Tintenfische, Krebse oder auch Muscheln zu verhindern oder bereits überfischten Beständen Schutzräume zur Erholung zu bieten.

Wie erfolgreich ein Meeresschutzgebiet ist, hängt vom Zusammenspiel dreier Faktoren ab:

  • Erstens den Schutzzielen, d.h. was soll konkret geschützt werden; welcher Zustand wird überhaupt angestrebt?
  • Zweitens den Schutzmaßnahmen und -regelungen, d.h. der Frage, wie diese Ziele erreicht werden sollen?
  • Und drittens der Umsetzung: Wie kann letztlich sichergestellt werden, dass beschlossene Schutzmaßnahmen und -regelungen konsequent eingehalten werden?

Schutzziele eines Meeresschutzgebietes müssen realistisch, wissenschaftlich gut durchdacht, aufeinander abgestimmt und klar definiert werden, denn die Schutzziele bestimmen letztlich die Maßnahmen, die getroffen werden. Wenn beispielsweise das Hauptziel eines Meeresschutzgebietes der Schutz von Robben ist, dann muss gleichzeitig überlegt werden, ob nicht auch die wichtigsten Beuteorganismen dieser Robben eines Schutzes bedürfen. Eine Erfolgskontrolle ist essentiell. Es muss die Frage gestellt werden, ob denn überhaupt gemessen werden kann, ob und inwieweit ein Schutzziel erreicht wurde.

Schutzmaßnahmen und -regelungen werden für ihr Schutzziel „maßgeschneidert“ und sind daher außerordentlich vielfältig. So ist ein radikaler Ausschluss von Menschen möglich, aber auch ein in verschiedene Zonen eingeteiltes Meeresschutzgebiet, wobei nur einzelne Zonen zu „Nicht-Entnahmegebieten“ erklärt werden können und andere Zonen wiederum Regelungen zur nachhaltigen Nutzung erhalten. Ferner gibt es marine Schutzgebiete, die lediglich die nachhaltige Nutzung bestimmter Ressourcen regeln.

Politischer Wille und die Kooperation mit Interessensgruppen sind entscheidend

Schutzziele und Schutzmaßnahmen werden in der Regel in einem – oft langwierigen – Diskussionsprozess zwischen den beteiligten Interessensgruppen, z.B. aus dem Naturschutz, der Tourismusbranche oder der Fischerei identifiziert und entwickelt. Dieser Prozess führt im Idealfall zum Ausgleich der unterschiedlichen Interessen. Ob ein Schutzgebiet erfolgreich ist, hängt in erster Linie von der konsequenten Umsetzung der Schutzmaßnahmen und -regelungen ab (z.B. Watson et al., 2014; Gill et al., 2017; Pendleton et al., 2018).

Dafür braucht es den Willen der politischen Entscheidungsträger und der zuständigen Verwaltungseinheiten, eine zielführende Kooperation der betroffenen Interessensgruppen und selbstverständlich auch die entsprechenden finanziellen und personellen Ressourcen, die für die langfristige Umsetzung und aktive Kontrolle der beschlossenen Regelungen notwendig sind.

Bis 2020 zehn Prozent des Meeres unter Schutz

In den letzten Jahrzehnten hat die Bedeutung von Meeresschutzgebieten weltweit zugenommen (z.B. Mora & Sale, 2011; UNEP-WCMC & IUCN, 2019). Auf dem Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung im Jahr 2002 einigte sich die internationale Staatengemeinschaft auf die Einrichtung eines repräsentativen Netzwerks von Meeresschutzgebieten bis 2012, welches langfristig die marine Biodiversität erhalten sollen (A/Conf.199/20).

Der im Jahr 2010 verabschiedete Strategic Plan for Biodiversity 2011-2020 des Übereinkommens über die Biologische Vielfalt sieht vor, bis 2020 mindestens 10 Prozent der Küsten- und Offshore-Meeresgebiete weltweit als marine Schutzgebiete auszuweisen (CBD, 2010). Seit den 90er Jahren hat sich die Anzahl an Meeresschutzgebiete um das 1,5fache erhöht und die geschützte Fläche beträgt derzeit fast 30 Millionen Quadratkilometer. Das entspricht zwar schon etwa 8 Prozent der Ozeanfläche, sehr viele Schutzgebiete sind aber relativ klein. Der Antarktische Ozean bietet die Chance, große marine Schutzgebiete zum globalen Netzwerk beizutragen, und die Einzigartigkeit der antarktischen Ökosysteme macht ihre Erhaltung umso dringlicher. 

Abb. 1: Vorgeschlagene und angenommene Meeresschutzgebiete im Antarktischen Ozean
Karte: mit freundlicher Genehmigung von Cassandra Brooks


Quellen: CCAMLR-Grenzen Planungsdomänen und angenommene MPAs von 2012 vorgeschlagene Rossmeer MPA-Grenzen und vorgeschlagene Ostantarktis MPA-Grenzen, vorgeschlagene MPA-Grenzen für Weddellmeer und Antarktische Halbinsel von Befürworterländern.

Meeresschätze in der Antarktis erhalten

Derzeit laufen mehrere Initiativen, große Schutzgebiete im Konventionsgebiet der Kommission zur Erhaltung der lebenden Meeresschätze der Antarktis (engl.: Commission for the Conservation of Antarctic Marine Living Resources, CCAMLR) zu etablieren. Deutschland spielt dabei eine führende Rolle in der Entwicklung der wissenschaftlichen Grundlagen für ein Meeresschutzgebiet im Weddellmeer (Weddell Sea MPA, WSMPA).

Ein wichtiges Ziel ist es hier, den Antarktischen Seehecht (Dissostichus mawsoni) zu schützen (s. Abb. 2). Dieser beeindruckend große Fisch ist eine Schlüsselart der oberen trophischen Ebene im antarktischen Nahrungsnetz, gleichzeitig aber – neben dem Krill – das Hauptziel kommerzieller Fischerei in der Antarktis (z.B. Brooks et al., 2018).

In Teilen des Weddellmeer-Planungsgebiets gibt es einen Bestand des Antarktischen Seehechts, der sogar möglicherweise die kommerzielle Befischung lohnt. Entsprechend hoch ist bei bestimmten Mitgliedsstaaten der „Kommission zur Erhaltung der lebenden Meeresschätze der Antarktis“ das Interesse an weiteren intensiven fischereilichen Untersuchungen. Andererseits wissen wir, dass dieser Fisch langlebig ist, langsam wächst und spät geschlechtsreif wird. Das sind Faktoren, die diese Art bei Befischung in besonderem Maße gefährden würden. Viele Details des Lebenszyklus und der Lebensgewohnheiten sind zudem noch nicht bekannt. Daher erscheint es sinnvoll, den Bestand vorsorglich mittels eines Meeresschutzgebietes über die existierenden Schutzmaßnahmen hinaus zu schützen, um eine potentielle Überausbeutung zu vermeiden.

Hier haben wir also den klassischen Konflikt zwischen den Interessensgruppen Naturschutz und Fischerei (z.B. Brooks et al., 2016). Einige CCAMLR-Mitgliedsstaaten sehen ihre fischereilichen Interessen durch die mögliche Einrichtung des Weddellmeer-Schutzgebietes bedroht und arbeiten entsprechend dagegen. Auch die politische „Großwetterlage“ zwischen einzelnen staatlichen Akteuren spielt hierbei eine gewisse Rolle. Für die Zukunft ist zu wünschen, dass ein wissenschaftlich fundierter und politisch abgestimmter Vorschlag für ein Schutzgebiet Zustimmung bei den Mitgliedsstaaten der Kommission (CCAMLR) findet – ein Vorschlag, dem ein durchdachter Monitoring- und Managementplan zu Grunde liegt und der zum nachhaltigen Schutz des Ökosystems Weddellmeer tatsächlich beitragen kann.

Abb. 2: Weddellrobbe mit gefangenem Antarktischen Seehecht ( Dissostichus mawsoni )
Foto: Jessica Meir

Quellen

  • Brooks, C., Ainley, D., Abrams, P., Dayton, P., Hofman, R., Jacquet J. & Siniff, D. (2018). Antarctic fisheries: factor climate change into their management. Nature, 558, 177-180. doi:10.1038/d41586-018-05372-x
  • Brooks, C. M., Crowder, L. B., Curran, L. M, Dunbar, R. B., Ainley, D. A., Dodds, K. J., Gjerde, K. M. & Sumaila, U. R. (2016). Science-based management in decline in the Southern Ocean. Science, 354(6309), 185-187. doi:10.1126/science.aah4119
  • Gill, D. A., Mascia, M. B., Ahmadia, G. N., Glew, L., Lester, S. E., Barnes, M., Craigie, I., ... Fox, H. E. (2017). Capacity shortfalls hinder the performance of marine protected areas globally. Nature, 543, 665-669. doi:10.1038/nature21708
  • Mora, C. & Sale, P. F. (2011). Ongoing global biodiversity loss and the need to move beyond protected areas: a review of the technical and practical shortcomings of protected areas on land and sea. Marine Ecology Progress Series, 434, 251-266. doi:10.3354/meps09214
  • OECD. (2019). Marine Protected Areas – Economics, Management and Effective Policy Mixes. Paris: OECD Publishing. doi:10.1787/9789264276208-en
  • Pendleton, L. H., Ahmadia, G. N., Browman, H. I., Thurstan, R. H.,  Kaplan, D. M. & Bartolino, V. (2018). Debating the effectiveness of marine protected areas. ICES Journal of Marine Science, 75(3), 1156-1159. doi:10.1093/icesjms/fsx154
  • Watson, J. E. M., Dudley, N., Segan, D. B. & Hockings M. (2014). The performance and potential of protected areas. Nature, 515, 67-73. doi:10.1038/nature13947

Weiterführende Informationen

Zitiervorschlag: Teschke, K. & Brey, T. (2020). Was macht ein Meeresschutzgebiet erfolgreich? In D. Spreen, J. Kandarr, P. Klinghammer & O. Jorzik (Hrsg.), ESKP-Themenspezial Biodiversität im Meer und an Land: vom Wert biologischer Vielfalt (S. 179-182). Potsdam: Helmholtz-Zentrum Potsdam, Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ. doi:10.2312/eskp.2020.1.7.8