Strategien

Der Weg von internationalen Umweltberichten in die deutsche Politik

Der Transfer der Ergebnisse internationaler Umweltberichte in die nationale politische Praxis vollzieht sich nur zögerlich. Das Projekt INTERNAS soll diesen Transfer verbessern und verstetigen und nutzt dafür auch neu entwickelte digitale Wissens-Repräsentationen.

Text: Dr. Gesche Krause, Dr. Anne-Kathrin Happe, Jan Scheve

Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI)

  • Erkenntnisse aus den internationalen Umweltberichten finden nur begrenzt Eingang in die nationale Politik.
  • INTERNAS bietet durch dialogorientierte Politikberatung Hilfen an und versucht, diesen Zustand zu verbessern.
  • Dabei werden zunehmend digitale Wissensprodukte bedeutsam.
  • Zwischenergebnisse zeigen, dass oftmals die mangelnde Konkretisierung der Handlungsoptionen für die nationale Politik ein Problem darstellt.

Internationale Umweltberichte schlagen Alarm

Aktuell erscheinen eine Reihe von internationalen Umweltberichten, wie etwa der globale Bericht des Weltbiodiversitätsrates IPBES, das World Ocean Assessment, oder der sechste Global Environment Outlook der Vereinten Nationen. Diese Publikationen bieten eine nie dagewesene Gesamtschau wissenschaftlicher Erkenntnisse zur Biodiversität und dem ökologischen Zustand der Erde.

Neben der Analyse und Bewertung der weltweiten Ökosysteme formulieren die Berichte auch politische Handlungsempfehlungen für eine zukünftige nachhaltige Nutzung.

Der Bericht des Weltbiodiversitätsrates weist dabei einen konkreten Bezug zu den UN-Nachhaltigkeitszielen (englisch: Sustainable Development Goals, SDGs) auf und dokumentiert eindrucksvoll, dass der Rückgang der Biodiversität die Lebensgrundlage der Menschen auf der Erde gefährdet. Ökologische Ressourcen werden nicht nachhaltig genutzt. Zudem zerstört der derzeitige Landnutzungswandel im großen Ausmaß Lebensräume – etwa in der Land- und Forstwirtschaft oder durch Bebauung und Infrastrukturprojekte.

Der Bericht bietet ein umfassendes Bild aktueller Forschungsergebnisse. Die Autoren betonen, dass es einer tiefgreifenden Veränderung der menschlichen Lebens- und Wirtschaftsweise bedürfe, um diesem massiven Artenverlust Einhalt zu gebieten. Trotz der gesellschaftlichen Relevanz und der Dringlichkeit des Problems finden die auf internationaler Ebene identifizierten Handlungsoptionen nur begrenzt Eingang in nationale Politikdebatten.

Dialogbasierte Politikberatung

Das INTERNAS-Projekt der Helmholtz-Gemeinschaft ist am Alfred-Wegener-Institut (AWI) und am Zentrum für Umweltforschung (UFZ) angesiedelt. Es verfolgt einen partizipativen und dialogorientierten Beratungsansatz, bei dem die wissenschaftlich fundierten Empfehlungen der internationalen Umweltberichte in den deutschen Politikkontext unter Einbindung relevanter Akteur*innen transferiert werden.

Dabei werden vor allem Mitglieder der Bundes- und Landesparlamente, Vertreter*innen von Ministerien und Fachbehörden, sowie thematisch interessierte Akteur*innen der Zivilgesellschaft angesprochen. In der ersten Phase des Projekts (2018-2019) wurden in drei größeren Workshops und einer Fokusgruppe unter anderem die Themen Biodiversitätsmainstreaming und der Schutz und Nutzung der Nord- und Ostsee behandelt.

Trotz der [...] Dringlichkeit des Problems finden die auf internationaler Ebene identifizierten Handlungsoptionen nur begrenzt Eingang in nationale Politikdebatten.

Transferprozesse verstetigen

INTERNAS erprobt, etabliert und standardisiert diesen Transferprozess, wobei der Fokus zunächst auf den Umweltberichten liegt, die einen Bezug zu den SDGs 14 (Leben unter Wasser) und 15 (Leben an Land) haben. Perspektivisch soll dieser Transferprozess auf andere Bereiche der Nachhaltigkeitsziele im Bereich Erde und Umwelt erweitert werden.

Gleichzeitig wird der Prozess genutzt, um im Rahmen einer Begleitforschung einen Beitrag zur Entwicklung von Kriterien und Indikatoren für gute Transferprozesse zu entwickeln, die zukünftig auch über das INTERNAS Projekt hinaus Anwendung finden können. Neben dem Transfer von Handlungsoptionen in die Politik sollen im Gegenzug gesellschaftliche Prioritäten und konkrete politische Fragestellungen in die Forschung zurückgespiegelt werden.

Digitale Wissensprodukte

INTERNAS baut auf eine Reihe von innovativen Wissensrepräsentations- und Informations-Technologien auf, die eine Grundlage für die Anwendung von Methoden aus der künstlichen Intelligenz und Maschinenlernen bilden. So werden einschlägige Begriffe und Schlüsselkonzepte aus den Veranstaltungsprotokollen und Befragungen, aber auch aus ausgewählten Zusammenfassungen in den Umweltberichten extrahiert und systematisch unter Verwendung von Standardkonventionen der Wissensrepräsentation dargestellt (www.obofoundry.org).

Dadurch können die zentralen national genutzten semantischen Begriffe maschinenlesbar gemacht werden und mit anderen, über das Internet verfügbaren internationalen semantische Begriffskategorien mit Umweltbezug, wie die Environmental Ontology ENVO und die Sustainable Development Goals Interface Ontology SDGIO, integriert werden. Durch diese digitalen Wissensprodukte wird damit ein Beitrag zu den FAIR-Datenprinzipien geleistet (FAIR = Findable, Accessible, Interoperabel and Reusable, d.h. Auffindbarkeit, Zugänglichkeit, Interoperabilität und Wiederverwendbarkeit).

Abb. 1: Für die Erstellung von digitalen Wissensrepräsentationen (Ontologien) werden Schlüsselkonzepte aus Handlungsoptionen und Ergebnissen internationaler Berichte und den Diskussionen nationaler Stakeholder extrahiert. Diese Schlüsselkonzepte werden dann in ein maschinenlesbares Format überführt und so frei zugänglich und international nutzbar gemacht.

Bild: INTERNAS/AWI

Zwischenergebnisse

Die ersten Auswertungen zeigen, dass konkrete Inhalte internationaler Umweltberichte selbst bei interessierten Akteur*innen in Deutschland wenig bekannt sind, jedoch eine Vielzahl der in den Berichten vorgeschlagenen Maßnahmen in der einen oder anderen Form bereits auf nationaler Ebene diskutiert werden, oftmals aber ohne den größeren Kontext zu berücksichtigen.

Tatsächlich werden die in den Berichten aufgezeigten politischen Handlungsmöglichkeiten oft als zu vage wahrgenommen, sodass sie bislang nur sehr eingeschränkt für eine direkte Umsetzung auf nationaler Ebene nutzbar sind. Es zeigt sich, dass gute Beispiele aus anderen Ländern und Regionen besonders hilfreich für die Umsetzung in Politik und Praxis wären.

Insgesamt wird die themenspezifische Vernetzung in Rahmen von INTERNAS, beispielsweise im Rahmen von Workshops und Runden Tischen, als produktiv und wünschenswert bewertet. Der Einbezug vielfältiger Interessenträger bereichere die Diskussion. Nur durch einen langfristigen und iterativen Austausch relevanter Akteur*innen kann eine nachhaltige Politik zur Verbesserung der Biodiversität angestoßen werden.

Quellen

  • Arp, R., Smith, B. & Spear, A. D. (2015). Building Ontologies with Basic Formal Ontology. Cambridge/MA, London: MIT Press.
  • Buttigieg, P. L., Pafilis, E., Lewis, S. E., Schildhauer, M. P., Walls, R. L. & Mungall, C. J. (2016). The environment ontology in 2016: bridging domains with increased scope, semantic density, and interoperation. Journal of biomedical semantics, 7(57), 1-12. doi:10.1186/s13326-016-0097-6

Weiterführende Informationen

Zitiervorschlag: Krause, G., Happe, A.-K. & Scheve, J. (2020). Der Weg von internationalen Umweltberichten in die deutsche Politik. In D. Spreen, J. Kandarr, P. Klinghammer & O. Jorzik (Hrsg.), ESKP-Themenspezial Biodiversität im Meer und an Land: vom Wert biologischer Vielfalt (S. 193-195). Potsdam: Helmholtz-Zentrum Potsdam, Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ. doi:10.2312/eskp.2020.1.8.2