Naturnahe Flächen

Bioenergie und Aufforstung sind ambivalent

Eines scheint sicher: Die wachsende Weltbevölkerung wird sich wohl ernähren können, wenn weiterhin die Erträge gesteigert werden und gleichzeitig Armut reduziert wird. Allerdings ist die Produktion von Nahrungsmitteln derzeit entkoppelt von einer nachhaltigen Land- und Meeresnutzung. Sie verschlechtert andere Leistungen, die Ökosysteme erbringen und trägt erheblich zum Verlust von Biodiversität bei. Der Klimawandel wird in Zukunft ein weiterer Aspekt sein, der berücksichtigt werden muss. Insbesondere die monokulturelle Aufforstung und der zusätzliche, großskalige Anbau von Bioenergiepflanzen sind laut des Berichtes des Weltbiodiversitätsrates kritisch zu sehen.

Text: Prof. Dr. Almut Arneth

Karlsruher Institut für Technologie (KIT)

  • Die großflächige Umnutzung von Flächen für Aufforstung bzw. Bioenergie steht in direkter Konkurrenz zur Produktion von Nahrungsmitteln. Eine Vielzahl von Studien weist auf potentiell stark negative Nebeneffekte hin.
  • Insbesondere die großflächige Aufforstung zum Anbau von Bioenergiepflanzen (z.B. Mais, Zuckerrohr oder Elefantengras) oder aber die Schaffung von großen Waldmonokulturen ist problematisch.
  • Nachhaltig sind Szenarien, die von einem reduzierten Fleischkonsum in den Industrienationen und stark verminderten Emissionen von Treibhausgasen ausgehen. Sie zeigen, dass der Verlust an Biodiversität dann stark eingedämmt werden könnte.

Die Zukunft ist per se nicht vorhersehbar. Um trotzdem begründbare Planungen ermöglichen, werden in der Wissenschaft Szenarien entworfen. Solche Szenarien berücksichtigen unterschiedliche – auch indirekte – Treiber für den Verlust von Biodiversität, wie das Bevölkerungswachstum, die Entwicklung unseres Wohlstandes oder Lebensstils. In diesen Szenarien werden Annahmen getroffen, wie z.B. eine hohe bzw. niedrige Zunahme des Bruttosozialprodukts oder des Bevölkerungswachstums. Solche Faktoren haben einen starken Einfluss beispielsweise auf Treibhausgasemissionen und damit den Klimawandel, auf Fischerei und Landnutzung und somit auch auf Biodiversität und Ökosystemfunktionen – lokal, regional und weltweit.

In der Vergangenheit waren unter anderem Land-, Frischwasser- und Meeresnutzung mit die wichtigsten Treiber des Verlustes an Biodiversität. Insbesondere die industrielle Art und Weise dieser Nutzung hat ganze Ökosystemprozesse verändert. Bereits jetzt sind aber auch klimawandelbedingte Änderungen in terrestrischen und marinen Ökosystemen zu beobachten. Dazu zählen beispielsweise die Verlängerung der Wachstumsperiode in nördlichen Breiten, die Änderung der Vegetationszusammensetzung in vielen Regionen, ein Anstieg des Feuerrisikos, aber auch der drastische Verlust tropischer Korallen aufgrund von Hitzewellen.

Regional betrachtet ist der projizierte zukünftige Einfluss des Klimawandels und der Land- bzw. Meeresnutzung auf Biodiversität und Ökosysteme stark variabel (Stichwort: „winners“ und „losers“), weltweit wird er jedoch in Modellrechnungen überwiegend als negativ ausgewiesen. Für den Klimawandel allein wird bereits für eine geringe, weitere globale Erwärmung eine starke Zunahme des Artensterbens projiziert.

Unter dem Gesichtspunkt der Biodiversität ist eine großflächige, weltweite Aufforstung [...] nicht notwendigerweise positiv.

Nahrungsmittel sicher – andere Ökosystemdienstleistungen nicht

Die Komplexität der nachhaltigen Nutzung der Natur zeigt sich exemplarisch in der Entkopplung von materiellen Ökosystemleistungen und Biodiversität bzw. regulierenden Ökosystemleistungen. Auf der einen Seite wird es zukünftig voraussichtlich eine gesicherte Nahrungsmittelproduktion geben. Auf der anderen Seite können wir jedoch immer weniger auf die nicht-materiellen Leistungen der Ökosysteme zählen.

So konnte in einer Modellvergleichsstudie für Landökosysteme gezeigt werden, dass in einer Reihe unterschiedlicher Szenarien, die zahlreiche Annahmen zu Klimawandel, CO2-Emissionen, und Landnutzungswandel abdecken, die Produktion von Nahrungsmitteln in allen Szenarien und Regionen zunahm bzw. zumindest stagnierte. Biodiversität (z.B. Artenvielfalt) und regulierende Ökosystemleistungen wie der Beitrag der Natur zu einer guten Wasserqualität gingen in den Szenarien hingegen zurück. Die Entkoppelung der verschiedenen Leistungen von Ökosystemen ist besonders ausgeprägt in Szenarien, die von einem starkem Wirtschaftswachstum und hoher Bevölkerungszunahme ausgehen bzw. dort, wo Handelsbarrieren existieren und eine große Kluft zwischen arm und reich herrscht.

Welche Zukunftsszenarien hätten nur einen geringen Biodiversitätsverlust zur Folge?

Nur in Szenarien, die Aspekte von Nachhaltigkeit berücksichtigen, kann der Verlust an Biodiversität stark eingedämmt werden. Dazu zählen zum Beispiel ein reduzierter Fleischkonsum der westlichen (bereits industrialisierten) Welt sowie stark verminderte Treibhausgasemissionen und damit einhergehend ein geringer globaler Temperaturanstieg. In einigen Fällen entwickeln sich dann sowohl die materiellen als auch regulierenden Ökosystemleistungen positiv.

Es gilt als erwiesen, dass sich die Begrenzung des Temperaturanstiegs und der damit verbundenen Änderungen im Niederschlag und Wetter-Extremereignissen positiv auf Biodiversität und Ökosystemleistungen auswirkt. Jedoch können sich gerade aber auch fehlgeleitete Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels als zweischneidiges Schwert erweisen. Besonders in Ökosystemen an Land kommt es stark darauf an, wie eine Abschwächung des Klimawandels erreicht werden wird: ob mit einer schnellen und umfassenden Reduktion fossiler Emissionen und der damit einhergehenden Umstrukturierung des Energie- und Transportsektors, landwirtschaftlicher Produktion, sowie der Vermeidung zusätzlicher Waldrodung. Oder aber, ob man auf den großflächigen Anbau von Bioenergiepflanzen bzw. die großflächige Aufforstung setzt. Beides ist in den meisten Szenarien, in denen die Erderwärmung auf unter 2 °C begrenzt werden kann, enthalten.

Großflächige Aufforstung bedeutet in diesem Zusammenhang eine Ausdehnung der Anbauflächen für Bioenergie, zum Beispiel für Mais, Zuckerrohr oder Elefantengras, oder aber die Vergrößerung der Waldflächen. „Großflächig“ bedeutet in diesem Zusammenhang eine simulierte Zunahme von Bioenergiefläche oder Waldfläche, die sich weltweit summiert im Bereich von mehreren Millionen Quadratkilometern bis 2050 bewegt: zum Beispiel bis zu 5-7 Millionen Quadratkilometern für Bioenergie oder 8-9 MillionenQuadratkilometern. Dies entspricht in etwa der Hälfte der heutigen Anbaufläche für Nahrungs- und Futtermittel; die Landfläche von Indien z.B. umfasst 3,3 Millionen Quadratkilometer. Die uns zur Verfügung stehende Landoberfläche ist allerdings begrenzt, und bereits heute werden ungefähr 12 Prozent der eisfreien Fläche zu Nahrungs- und Futtermittelproduktion genutzt und weitere gut 20 Prozent für Weidewirtschaft.

Die großflächige Umnutzung von Flächen für Aufforstung bzw. Bioenergie steht in direkter Konkurrenz zur Produktion von Nahrungsmitteln.

Wie wirkt die Umnutzung von Flächen für Aufforstung und Bioenergie?

Die großflächige Umnutzung von Flächen für Aufforstung bzw. Bioenergie steht in direkter Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion. Eine Vielzahl von Studien weist auf potentiell stark negative Nebeneffekte hin. Diese Negativeffekte reichen vom Preisanstieg für Lebensmittel, einem erhöhten Eintrag von Düngemitteln und der damit verbundenen Wasser- bzw. Luftverschmutzung, bis hin zu einem erhöhten Druck auf Naturschutzgebiete und weiteren Artenverlusten (Boysen, Lucht, & Gerten, 2017; Fuss et al., 2018; Hof et al., 2018; Humpenoeder et al., 2018; Smith et al., 2015).

Zusätzliche Treibhausgasemissionen durch einen erhöhten Ausstoß von Lachgas oder fortschreitende Umwandlung natürlicher Ökosysteme und damit verbundene Kohlendioxidverluste aus Biomasse und Böden wurden in wissenschaftlichen Arbeiten bereits nachgewiesen (Harper et al., 2018; A. Krause et al., 2017; Andreas Krause et al., 2018). Dies mindert den ursprünglichen Klimaschutz-Zweck von Bioenergie oder Aufforstung stark oder macht ihn gar zunichte. Unter dem Gesichtspunkt der Biodiversität ist eine großflächige, weltweite Aufforstung demnach nicht notwendigerweise positiv. Dies vor allem dann, wenn es sich um Monokulturen handelt oder wenn Grasländer und Savannenregionen zum Klimaschutz in Plantagenwälder umgewandelt werden.

Quellen

  • Boysen, L. R., Lucht, W. & Gerten, D. (2017). Trade-offs for food production, nature conservation and climate limit the terrestrial carbon dioxide removal potential. Global Change Biology, 23(10), 4303-4317. doi:10.1111/gcb.13745
  • Fuss, S., Lamb, W. F., Callaghan, M. W., Hilaire, J., Creutzig, F., Amann, T., Beringer, T., de Oliveira Garcia, W., Hartmann, J., Khanna, T., Luderer, G., Nemet, G. F., Rogelj, J., Smith, P., Vicente, J. L. V., Wilcox, J., Dominguez, M. d. M. Z. & Minx, J .C. (2018). Negative emissions-Part 2: Costs, potentials and side effects. Environmental Research Letters, 13(6):063002. doi:10.1088/1748-9326/aabf9f
  • Harper, A. B., Powell, T., Cox, P. M., House, J., Huntingford, C., Lenton, T. M., Sitch, S., Burke, E., Chadburn, S. E., Collins, W. J., Comyn-Platt, E., Daioglou, V., Doelman, J. C., Hayman, G., Robertson, E., van Vuuren, D., Wiltshire, A., Webber, C. P., Bastos, A., Boysen, L., Ciais, P., Devaraju, N., Jain, A. K., Krause, A., Poulter, B. & Shu, S. (2018). Land-use emissions play a critical role in landbased mitigation for Paris climate targets. Nature Communications, 9:2938. doi:10.1038/s41467-018-05340-z
  • Hof, C., Voskamp, A., Biber, M. F., Böhning-Gaese, K., Engelhardt, E. K., Niamir, A. & Hickler, T. (2018). Bioenergy cropland expansion may offset positive effects of climate change mitigation for global vertebrate diversity. Proceedings of the National Academy of Sciences, 115(52), 13294-13299. doi:10.1073/pnas.1807745115
  • Humpenoeder, F., Popp, A., Bodirsky, B. L., Weindl, I., Biewald, A., Lotze-Campen, H., Dietrich, J. P., Klein, D., Kreidenweis, U., Müller, C., Rolinski, S. & Stevanovic, M. (2018). Large-scale bioenergy production: how to resolve sustainability trade-offs? Environmental Research Letters, 13(2):024011. doi:10.1088/1748-9326/aa9e3b
  • Krause, A., Pugh, T. A. M., Bayer, A. D., Doelman, J. C., Humpenoder, F., Anthoni, P., Olin, S., Bodirsky, B.L., Popp, A., Stehfest, E. & Arneth, A. (2017). Global consequences of afforestation and bioenergy cultivation on ecosystem service indicators. Biogeosciences, 14(21), 4829-4850. doi:10.5194/bg-14-4829-2017
  • Krause, A., Pugh, T. A. M., Bayer, A. D., Li, W., Leung, F., Bondeau, A., Doelman, J. C., Humpenöder, F., Anthoni, P., Bodirsky, B. L., Ciais, P., Müller, C., Murray‐Tortarolo, G., Olin, S., Popp, A., Sitch, S., Stehfest, E. & Arneth, A. (2018). Large uncertainty in carbon uptake potential of land-based climate-change mitigation efforts. Global Change Biology, 24(7), 3025-3038. doi:10.1111/gcb.14144
  • Shin, Y.-J., Arneth, A., Chowdhury, R. R., Midgley, G. F., Bukvareva, E., Heinimann, A., ... Worm, B. (2019, 31. Mai). Plausible futures of nature, its contributions to people and their good quality of life (Chapter 4). In IPBES-7 (Hrsg.), Global Assessment Report on Biodiversity and Ecosystem Services (Unedited draft chapters).
  • Smith, P., Davis, S., Creutzig, F., Fuss, S., Minx, J., Gabrielle, B., Kato, E., Jackson, R. B., Cowie, A., Kriegler, E., van Vuuren, D. P., Rogelj, J., Ciais, P., Milne, J., Canadell, J. G., McCollum, D., Peters, G., Andrew, R., Krey, V., Shrestha, G., Friedlingstein, P., Gasser, T., Grübler, A., Heidug, W. K., Jonas, M., Jones, C. D., Kraxner, F., Littleton, E., Lowe, J., Moreira, J. R., Nakicenovic, N., Obersteiner, M., Patwardhan, A., Rogner, M., Rubin, E., Sharifi, A., Torvanger, A., Yamagata, Y., Edmonds, J. & Yongsung, C. (2015). Biophysical and economic limits to negative CO2 emissions. Nature Climate Change, 6, 42-50. doi:10.1038/nclimate2870

Zitiervorschlag: Arneth, A. (2020). Bioenergie und Aufforstung sind ambivalent. In D. Spreen, J. Kandarr, P. Klinghammer & O. Jorzik (Hrsg.), ESKP-Themenspezial Biodiversität im Meer und an Land: vom Wert biologischer Vielfalt (S. 136-139). Potsdam: Helmholtz-Zentrum Potsdam, Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ. doi:10.2312/eskp.2020.1.6.3