Strategien

Der Schutz von Biodiversität braucht angepasste Politik- und Finanzierungsinstrumente

Wie findet man die geeigneten Instrumente, um allgemeine Biodiversitätsziele konkret umzusetzen? Hierzu wurde ein Leitfaden entwickelt, der gesellschaftlichen und politischen Akteuren das Vorgehen erleichtern soll.

Text: Dr. Julian Rode

Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ

  • Lokale und regionale Akteure finden es häufig schwierig, allgemeine Biodiversitätsziele konkret umzusetzen.
  • Es besteht ein Bedarf an Transferleistungen, die wissenschaftliche Erkenntnisse nutzerorientiert auf konkrete Problemlagen herunterbrechen.
  • Um hier Hilfestellung zu geben, wurde ein Leitfaden entwickelt, der international eingesetzt werden kann (ESO-Leitfaden).

Um Biodiversität nachhaltig zu schützen und dem Biodiversitätsverlust zu begegnen, reicht es selten aus, mehr Information über die Entwicklungen oder ihre allgemeine gesellschaftliche Bedeutung bereitzustellen. Vielmehr müssen die an der Nutzung bzw. der Verschlechterung – in der Fachsprache Degradation genannt – beteiligten Akteure dazu gebracht werden, ihre Verhaltensweisen nachhaltig zu ändern. Welche Maßnahmen sind aber wirksam, um beispielsweise Landwirte zu biodiversitätsfreundlichen Praktiken, Fischer zu nachhaltigem Fischfang oder die Industrie zur Vermeidung von toxischen Abfällen zu bewegen?

Die internationale TEEB-Studie (TEEB, 2010, 2011) zeigt viele Beispiele auf, wie Politik- und Finanzierungsinstrumente die nötigen Anreize sowie die finanziellen und strukturellen Voraussetzungen für Verhaltensänderungen schaffen können. Sie zeigt aber auch, dass insbesondere in Entwicklungsländern nach wie vor große Defizite an politischen Maßnahmen und Instrumenten zum Biodiversitätsschutz bestehen, mit negativen Folgen für viele andere Nachhaltigkeitsziele wie Armutsbekämpfung, Nahrungssicherheit und Wasserversorgung.

Auch in Europa und Deutschland ist die Frage nach wirksamen und sozialverträglichen politischen Maßnahmen zum Biodiversitätsschutz nach wie vor ein großes Thema, man denke an die Diskussionen über die Ausgestaltung der europäischen gemeinsamen Agrarpolitik (GAP, siehe z.B. Brown et al., 2019).

Abb. 1: Gruppenarbeit im Rahmen eines Workshops mit lokalen Akteuren in La Primavera (Vichada, Kolumbien). In einer aktuellen Anwendung arbeitet das von der GIZ koordinierte Projekt TONINA in mehreren Gemeinden in der kolumbianischen Flusslandschaft Orinoquía. Als „ES opportunity“ wurde unter anderem die finanzielle und technische Unterstützung von traditioneller extensiver Viehzucht identifiziert. Insbesondere sollen Praktiken gefördert werden, die das dortige Savannenökosystem schützen und Wirtschaftlichkeit der Praktiken erhöhen.Als passende Politikinstrumente wurden die nationale Gesetzgebung zu Zahlung von Ökosystemleistungen als aussichtsreich erachtet sowie eine bestehende Kreditlinie zur Förderung nachhaltiger Landwirtschaft.

Foto: © GIZ/Sebastian Sunderhaus

Die Praxis benötigt Hilfe für die nutzer- und problemorientierte Übertragung von wissenschaftlichem Wissen

Die nebenstehende Aufzählung gibt einige Beispiele typischer Politik-und Finanzierungsinstrumente zum Schutz von Biodiversität (Tabelle 1). Aber welche Instrumente sind für konkrete Problemlagen in spezifischen (z.B. lokalen oder regionalen) Kontexten geeignet und wie sollten sie ausgestaltet und umgesetzt werden? Dieser Frage begegnet man allerorten bei Praxispartnern aus Politik, Management oder NGOs, die sich in Initiativen oder Projekten für Biodiversitätsschutz einsetzen.

Auch werden in der Praxis oft die Bewertung von Biodiversität und Ökosystemleistungen und die Veränderung von Anreizen zum Schutz dieser Werte durch Politik- und Finanzierungsinstrumente verwechselt und deren jeweilige Möglichkeiten und Grenzen nicht gut genug verstanden. Bei der Bewertung geht es um die Darstellung der Werte von Ökosystemleistungen. Das kann sowohl in biophysischen Größen (z.B. als Berechnung der CO2-Speicherung oder der Reduktion von Sedimentierung) als auch mit sozio-ökonomischen Indikatoren erfolgen. Wenn die Bewertung in monetären Größen erfolgt, also zum Beispiel wieviel Geld durch eine Ökosystemleistungen erwirtschaftet oder gespart wird, spricht man von ökonomischer Bewertung. In jedem Fall wird aber lediglich eine Information bereitgestellt (sog. „Bewertungsstudie“). Das führt aber nicht unbedingt direkt zu Verhaltensänderungen. Die wissenschaftliche Literatur, z.B. in der ökologischen Ökonomie und Umweltökonomik, befasst sich zwar ausführlich mit diesen Themen, die Erkenntnisse und Konzepte sind jedoch für Praktiker*innen in der Regel sehr schwer verständlich und kaum zugänglich.

Es besteht daher ein Bedarf an Übersetzungs- und Transferleistung wissenschaftlicher Erkenntnisse sowie die Herausforderung, diese nutzerorientiert auf konkrete Problemlagen und Kontexte zu übertragen. Eine solche beratende Transferarbeit an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Praxis kann auch als transdisziplinäre Forschung (Lang et al., 2012) aufgefasst und konzipiert werden.

Tabelle 1: Typische Politik- und Finanzierungsinstrumente im Überblick

  • Subventionen bzw. Abschaffung schädlicher Subventionen
  • Ökosteuern
  • Zahlungen für Ökosystemleistungen
  • Schutzgebiete
  • Grüne Raum- und Entwicklungsplanung
  • Eingriffs- und Ausgleichsregelungen
  • Ökolabels
  • Umweltstandards und Grenzwerte
  • Integration von Umweltaspekten bei öffentlichen Ausschreibungen („Grüne öffentliche Beschaffung“)
  • Offenlegung des ökologischen Fußabdrucks von Produkten oder Firmen
  • Grüne Kredite
  • Fischereiquoten
  • Emissionsrechte und -märkte

Die Methodik der „Ecosystem Service Opportunities“ (ESO) als Leitfaden für die Praxis

Abhilfe schaffen, sollen hier die „Ecosystem Service Opportunities“ bzw. der ESO-Leitfaden (Rode et al., o.D.). Die ESO-Methodik und ihre Aufbereitung in Form eines Praxisleitfaden wurden entwickelt, um dem Bedarf an Transfer- und Schnittstellenarbeit zu begegnen (Rode et al., 2016).

Der Leitfaden beschreibt ein schrittweises Vorgehen zur Identifizierung von lokalen Handlungsoptionen und geeigneten Instrumenten (Schritte 2-4), sowie deren Ausgestaltung und Planung (Schritte 5-7). Die Aufgaben innerhalb der einzelnen Schritte werden in für Praktiker*innen verständlicher Form und Sprache erläutert und mit Hilfe von Beispielen veranschaulicht. Konkrete Tipps und Begleitmaterialien wie Templates zum Ausfüllen, Checklisten und Links zu zusätzlichen Informationsquellen helfen den Anwendern bei der Durchführung.

Ein besonderes Augenmerk gilt der partizipativen Herangehensweise. Es werden unterschiedliche Formen des Austauschs mit gesellschaftlichen Akteuren (z.B. in Workshops, Konsultationen, Fokusgruppen) vorgeschlagen. Begleitmaterial wie Leitfragen oder Workshop-Pläne unterstützen das Vorgehen.

Der konzeptionelle Kern der ESO-Methodik ist in den Schritten 3 und 4 abgebildet. Hier wird deutlich, dass die Analyse eine Ökosystemleistungsperspektive als Ausgangpunkt nimmt.

Die relevanten Ökosystemleistungen werden zunächst in Schritt 3A qualitativ erfasst und ihr Bezug zu den Problemlagen vor Ort erarbeitet. Danach wird der Bezug zu menschlichen Aktivitäten und Akteuren hergestellt (Schritt 3 B). Hierbei stehen folgende Leitfragen im Vordergrund: Wer leistet Beiträge zum Erhalt von Ökosystemleistungen, wer ist ihr Nutznießer und wessen Aktivitäten schaden der Bereitstellung von Ökosystemleistungen? In Anlehnung an ökonomische Grundprinzipien werden in Schritt 3C die Handlungsoptionen („ES opportunities“) hergeleitet.

Danach werden die Handlungsoptionen mit geeigneten Politik- und Finanzierungsinstrumenten verknüpft. Dazu werden zuerst die vorhandenen Politik- und Finanzierungsinstrumente betrachtet, die den Schutz von Biodiversität und von Ökosystemleistungen fördern oder eventuell auch behindern (Schritt 4A). In Schritt 4B wird herausgearbeitet, mit welchen der existierenden oder neu zu schaffenden Instrumente die jeweiligen Handlungsoptionen umgesetzt bzw. unterstützt werden können. Der Schritt 4C endete mit der Auswahl vielversprechender Handlungsoptionen und Instrumente, die im Anschluss mit Hilfe der Schritte 5 bis 7 des ESO-Leitfadens weiter ausdefiniert und geplant werden sollen.

Anwendung der ESO-Methodik

Der ESO-Leitfaden wurde zunächst im Rahmen eines Projektes in Thailand erstellt (Rode & Wittmer, 2015). Mittlerweile wurde die Methode im Rahmen weiterer Projekten internationaler Entwicklungszusammenarbeit in Mexiko, Mikronesien, Jordanien, Indien, Peru, Kolumbien und Costa Rica angewendet und dabei kontinuierlich weiterentwickelt. UFZ-Wissenschaftler*innen aus dem Department Umweltpolitik fungieren in diesen Projekten als wissenschaftliche Berater*innen für die lokalen Umsetzungspartner. Um Flexibilität und Nutzerfreundlichkeit zu verbessern, wurde der Leitfaden mittlerweile in eine online-Version überführt. Im Rahmen der lateinamerikanischen Anwendungskontexte wird derzeit eine spanische Version erstellt.

Der modulare Charakter der ESO-Schritte ermöglicht es, je nach Bedarf auch nur Teile der Methodik anzuwenden. In Indien – dort wurde die Methode in den Städten Kochi und Panaji angewandt – dienten lediglich die Schritte 2-3 der Identifizierung (Scoping) von Handlungsoptionen für Aktions- und Managementpläne zum urbanen Biodiversitätsschutz. In Peru (Region San Martin) wurden die Schritte 5-6 für die Entwicklung einer „grünen“ Kreditlinie für umweltfreundlichere Palmölproduktion angewendet, da der Fokus auf diesem Instrument dort bereits feststand.

Hingegen wurde in Thailand die gesamte Schrittfolge durchlaufen. So wurde m Süden des Landes in der Stadt Nakhon Si Thammarat die Entwicklung eines Zahlungsmechanismus für Naturschutz in einem Wassereinzugsgebiets angeleitet. Im Zentrum des Landes konnte erfolgreich ein Co-Managementplan für einen ökologischen Korridor zwischen zwei Nationalparks erarbeitet werden, die Teil des Khao Yai Waldkomplexes sind. Das Gebiet, das sich bis zur Grenze Kambodschas zieht, liegt östlich der Hauptstadt Bangkok und besitzt den Welterbe-Status der UNESCO.

Quellen

  • Acting on Ecosystem Service Opportunities – A Guideline. Overview of the step-by-step process. (o.D.). [www.es-opportunities.net]. Abgerufen am 23.08.2019
  • Brown, C., Kovacs, E.K., Zinngrebe, Y., Albizua, A., Galanaki, A., Grammatikopoulou, I., Herzon, I., Marquardt, D., McCracken, D., Olsson, J. & Villamayor-Tomas, S. (2019). Understanding farmer uptake of measures that support biodiversity and ecosystem services in the Common Agricultural Policy (CAP). Report prepared by an EKLIPSE Expert Working Group. Centre for Ecology & Hydrology. Wallingford, United Kingdom.
  • Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung − UFZ, Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), ValuES. (o.D.). Acting on Ecosystem Service Opportunities. Guidelines for selecting and planning policy and financing instruments to conserve ecosystems and enhance sustainable livelihoods [www.es-opportunities.net]. Abgerufen am 21.08.2019.
  • Lang, D., Wiek, A., Bergmann, M., Stauffacher, M., Martens, P., Moll, P., Swilling, M. & Thomas, C. (2012). Transdisciplinary research in sustainability science: practice, principles, and challenges. Sustainability Science, 7(1), 25-43. doi:10.1007/s11625-011-0149-x
  • Rode, J., Wittmer, H., Emerton, L. & Schröter-Schlaack, C. (2016). ‘Ecosystem Service Opportunities’: a practice-oriented framework for identifying economic instruments in order to enhance biodiversity and human livelihoods. Journal for Nature Conservation,33, 35-47. doi:10.1016/j.jnc.2016.07.001
  • TEEB. (2010). The economics of ecosystems and biodiversity: mainstreaming theeconomics of nature: a synthesis of the approach, conclusions and recommendations of TEEB. London: Earthscan.
  • TEEB. (2011). The economics of ecosystems and biodiversity in local and regionalpolicy and management. London: Earthscan.

Zitiervorschlag: Rode, J. (2020). Der Schutz von Biodiversität braucht angepasste Politik- und Finanzierungsinstrumente. In D. Spreen, J. Kandarr, P. Klinghammer & O. Jorzik (Hrsg.), ESKP-Themenspezial Biodiversität im Meer und an Land: vom Wert biologischer Vielfalt (S. 205-208). Potsdam: Helmholtz-Zentrum Potsdam, Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ. doi:10.2312/eskp.2020.1.8.5