Überdüngung

Ökologische oder konventionelle Landwirtschaft – was ist besser für die Artenvielfalt?

Die intensive Landbewirtschaftung gilt als eine wichtige Ursache für den Rückgang von Arten in der Kulturlandschaft. Doch stimmt das wirklich? Und wäre ökologische Landwirtschaft eine Alternative? Eine umfangreiche Auswertung der Studien der vergangenen Jahre zeigt, dass bei einer ökologischen Bewirtschaftung wildlebende Tier- und Pflanzenarten mehr Lebensraum und Nahrung finden. Doch auch hier gibt es weitere Verbesserungsmöglichkeiten, da auch im Öko-Landbau bestimmte Arten noch nicht hinreichend geschützt und gefördert werden.

Text: Dr. Karin Stein-Bachinger, Almut Haub & Frank Gottwald
Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF)

Warum ist Biodiversität wichtig und welche Rolle spielt die Landwirtschaft?

Durch die Landbewirtschaftung werden eine Reihe gesellschaftlicher Leistungen erbracht, die für uns Menschen essentiell sind. Am naheliegendsten sind die Bereitstellung von Lebensmitteln, Trinkwasser und medizinischen Wirkstoffen. Gleichzeitig ist die Landnutzung auch wichtig für die Fruchtbarkeit unserer Böden, die Klimaregulierung, den Schutz vor Lawinen, Hochwasser und Erosion. Vielfältige Landschaften, in denen wir uns wohlfühlen, dienen der Erholung. Eine hohe Artenvielfalt trägt zur Stabilität der Ökosysteme bei.

Die biologische Vielfalt in der Agrarlandschaft wird wesentlich von der Art der Landnutzung bestimmt. Viele Arten sind zum Teil oder sogar vollständig auf die Landbewirtschaftung angewiesen. So würden Ackerwildkräuter ohne regelmäßig stattfindende Bodenbearbeitung verschwinden. Der Schutz der Artenvielfalt ist seit Jahrzehnten ein erklärtes Ziel aller Länder, jedoch ist weiterhin ein alarmierender Verlust zu verzeichnen. Bundesweit gelten ca. ein Drittel der etwa 350 in Deutschland auf Äckern vorkommenden Wildpflanzen als gefährdet (Hofmeister & Grave, 2006) und viele ehemals charakteristische Arten haben seit den 1950er/60er Jahren um 95-99 Prozent abgenommen (Meyer et al., 2014). Die europäischen Bestandszählungen von Agrarvögeln zeigen einen Rückgang der Gesamtbestände um 52 Prozent von 1980 bis 2000 (Dröschmeister et al., 2012). Bei den Insekten ist ein Rückgang der Biomasse um ca. 76 Prozent in Untersuchungen über fast drei Jahrzehnte in deutschen Schutzgebieten belegt (Hallmann et al., 2017).

Die intensive Landbewirtschaftung gilt als eine der Hauptverursacher für den alarmierenden Artenrückgang in der Kulturlandschaft. Nährstoffüberschüsse, hoher Einsatz an Pestiziden und der Anbau nur noch weniger Fruchtarten sind wesentliche Faktoren, die dies befördern (Benton et al., 2003; Leuschner et al., 2014). Eine Alternative bietet die ökologische Landwirtschaft. Allerdings wurden 2018 nur 9 Prozent der Flächen in Deutschland ökologisch bewirtschaftet (BÖLW, 2019).

Eine kritische Sicht auf die gegenwärtigen landwirtschaftlichen Produktionssysteme ist weit verbreitet (Seufert & Ramankutty, 2017). Der steigende ökonomische Druck trägt generell zur Intensivierung bei – mit potenziell negativen Effekten auf die Artenvielfalt. Auffallend ist, dass der Anspruch der Gesellschaft, öffentliche Mittel für die Landwirtschaft verstärkt für gesellschaftliche Leistungen zu verwenden, steigt. Dabei stellt sich die Frage, welchen Beitrag leistet die ökologische Landbewirtschaftung für die Artenvielfalt und welche Verbesserungsmöglichkeiten bestehen?

Wo steht der Ökolandbau beim Artenschutz?

Die Auswertung relevanter Studien der letzten 30 Jahre, in denen die ökologische mit der konventionellen Bewirtschaftung verglichen wurde, zeigt, dass der Ökolandbau eindeutig besser abschneidet (Stein-Bachinger et al., 2019). Einbezogen wurden Vergleichsuntersuchungen von 1990 bis 2017 in temperierten, das heißt gemäßigten Klimazonen. Diese liegen zwischen dem 40- und 60-sten Breitengrad. Insgesamt wurden 75 Studien mit 312 Vergleichspaaren zu verschiedenen Pflanzen- und Tiergruppen (Ackerwildkräuter, Ackersamenbank und Saumvegetation sowie Feldvögel und blütenbesuchende Insekten) quantitativ ausgewertet.

Für alle untersuchten Artengruppen sind positive Effekte des ökologischen Landbaus auf die Biodiversität eindeutig belegt und das sowohl für die Anzahl verschiedener Arten (Artenzahl) als auch deren Häufigkeit (Abundanz). Die positiven Effekte waren bei den Pflanzen am stärksten ausgeprägt. Insgesamt wiesen 86 Prozent (Pflanzen) bzw. 49 Prozent (Tiere) der Vergleichspaare deutliche Vorteile gegenüber der konventionellen Bewirtschaftung auf. Die mittleren Artenzahlen der Ackerflora lagen auf ökologischen Flächen im Durchschnitt um 95 Prozent höher als im konventionellen Anbau. Bei den Feldvögeln lag die Artenzahl um 35 Prozent über der von konventionell bewirtschafteten Flächen. Auch die Anzahl der Vögel und Insekten war um ein Viertel größer. Da die wildlebenden Tiere stärker von der Landschaftsstruktur bzw. dem Vorhandensein von Begleitbiotopen, die sie zur Reproduktion und Überwinterung benötigen, abhängen, sind die bewirtschaftungsbedingten Auswirkungen nicht so deutlich ausgeprägt wie bei den Pflanzen. Nur in 2 von 75 ausgewerteten Studien traten negative Effekte bei ökologischer Bewirtschaftung auf.

Effekte der ökologischen Landwirtschaft (ÖL) auf mittlere Artenzahl und Häufigkeit verschiedener Organismengruppen im Vergleich zur konventionellen Landwirtschaft (grün = Höhere Leistungen durch ÖL, blau = Vergleichbare Leistungen durch ÖL, rot = Niedrigere Leistungen durch ÖL).
Grafik: Wissensplattform Erde und Umwelt | eskp.de, verändert aus Thünen-Report, Ausgabe 65 (2019).

Einordnung der Ergebnisse und Konsequenzen

Durch die Studie ist eindeutig belegt, dass der ökologischen Landwirtschaft eine hohe Bedeutung für den Erhalt der Artenvielfalt zukommt. Diese Ergebnisse bestätigen bzw. übertreffen zum Teil sogar die Aussagen bisheriger Literaturstudien hinsichtlich der positiven Wirkungen des ökologischen Landbaus für die Artenvielfalt (u. a. Hole et al., 2005; Tuck et al., 2014).

Gründe dafür sind unter anderem der Verzicht auf chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel. Außerdem dürfen mineralische Stickstoffdünger in der ökologischen Landwirtschaft nicht angewendet werden. Daher kommt dem Anbau von Leguminosen – Hülsenfrüchten wie Klee, Luzerne, Lupine, Erbse – eine sehr hohe Bedeutung zu. Sie binden den wichtigen Pflanzennährstoff Stickstoff aus der Luft und liefern damit eine kostenfreie Düngerquelle. Die flächenabhängige Tierhaltung und die Begrenzung im Futtermittelzukauf sorgen für ein niedrigeres Nährstoffniveau im Vergleich zum konventionellen Landbau. Daraus ergeben sich u.a. geringere Kulturdichten, in denen wildlebende Tier- und Pflanzenarten mehr Lebensraum und Nahrung finden. Vielfältige Fruchtfolgen sind auch als vorbeugende Maßnahme zur Gesunderhaltung der Pflanzenbestände wichtig.

Die Ergebnisse der Studie (Sanders & Heß, 2019) verdeutlichen außerdem, dass die ökologische Landbewirtschaftung positive Wirkungen für weitere Bereiche des Umwelt- und Ressourcenschutzes wie Wasser-, Klima- und Erosionsschutz erbringt. Durch die Ausweitung und gezielte Förderung des Ökolandbaus könnten somit viele positive Ökosystemleistungen gleichzeitig erbracht werden. Dies wäre insgesamt eine kostengünstige Alternative und würde außerdem den Verwaltungs- inkl. Kontrollaufwand deutlich reduzieren, da jeder Ökobetrieb per se jährlich kontrolliert wird.

Leistung sollte zählen

Über die Leistungen hinaus, die die ökologische Landwirtschaft per se erbringt, gibt es weitere Verbesserungsmöglichkeiten, da bestimmte Arten nicht durch die gängige landwirtschaftliche Praxis geschützt und gefördert werden können. Mit dem Projekt ‚Landwirtschaft für Artenvielfalt‘ wurde ein neuer Weg zur Förderung der Biodiversität auf Ökobetrieben in Kooperation mit der Naturschutzorganisation WWF und dem Lebensmitteleinzelhandel beschritten (Gottwald & Stein-Bachinger, 2016, 2018). Durch das Projekt kann der Verbraucher mit seiner Kaufentscheidung aktiv zum Artenschutz beitragen, so das Ziel.

Ein Katalog von über 100 Naturschutzmaßnahmen für Ackerland, Grünland, Landschaftselemente und Hofstelle bietet dabei den Landwirten viele individuelle Auswahlmöglichkeiten. Darin enthalten sind auch Maßnahmen, die in vielen Betrieben u. a. im Rahmen von Agrarumweltprogrammen bereits umgesetzt werden. Dazu zählt beispielsweise das Vorhandensein von Hecken oder besondere Artvorkommen. Die Teilnahme der landwirtschaftlichen Betriebe erfolgt auf freiwilliger Basis.

Ein Punktesystem ermöglicht eine Bewertung der Naturschutzleistungen im gesamten Betrieb. Zur Erreichung des Naturschutzzertifikates sind 120 Punkte pro 100 Hektar erforderlich. Diejenigen Landwirte, die dieses Kriterium erfüllen, erhalten für bestimmte Produkte höhere Preise beim kooperierenden Lebensmittelhändler. Insgesamt stellt das Naturschutz-Zertifikat eine zusätzliche Qualifikation für Naturschutzleistungen auf Gesamtbetriebsebene dar. Aktuell sind über 65 Betriebe in Nordostdeutschland und weitere Betriebe in Süddeutschland beteiligt. Bewirtschaftet werden rund 40.000 Hektar. Evaluationsergebnisse zeigen, dass 58 Prozent der Betriebe im Grünland kleine Teilflächen bei der ersten Nutzung stehen ließen. Davon profitierten insbesondere Insekten und das stark gefährdete Braunkehlchen. Dessen Nest-Erfolg konnte durch die Maßnahme um fast das Doppelte erhöht werden (Gottwald et al., 2017).

Wenn die Hummeln plötzlich schweigen

Auch in Deutschland sind viele Nutzpflanzen auf die Bestäubung durch Insekten angewiesen. Pflanzenschutzmittel, die sogenannte Neonicotinoide enthalten, stehen schon seit längerem in Verdacht, für den weltweiten Rückgang nützlicher Insekten wie Bienen oder Hummeln mitverantwortlich zu sein. Eine neue Studie des KIT zeigt: Pestizide verringern das Summen von Hummeln und damit die Menge des gesammelten Pollens.

Artikel lesen

Quellen

  • Benton, T. G., Vickery, J. A., Wilson, J. D. (2003). Farmland biodiversity: is habitat heterogeneity the key? Trends in Ecology & Evolution, 18(4), 182-188. doi:10.1016/S0169-5347(03)00011-9
  • Dröschmeister, R., Sudfeldt, C., Trautmann, S. (2012). Zahl der Vögel halbiert: Landwirtschaftspolitik der EU muss umweltfreundlicher werden. Der Falke, 59, 316-317.
  • Gottwald, F. & Stein-Bachinger, K. (2018). Farming for Biodiversity – a new model for integrating nature conservation achievements on organic farms in north-eastern Germany. Organic Agriculture, 8(1), 79-86. doi:10.1007/s13165-017-0198-2
  • Hallmann, C. A., Sorg, M., Jongejans, E., Siepel, H., Hofland, N., Schwan, H., Stenmans, W., Müller, A., Sumser, H., Hörren, T., Goulson, D., de Kroon, H. (2017). More than 75 percent decline over 27 years in total flying insect biomass in protected areas. PLOS ONE, 12(10):e0185809. doi:10.1371/journal.pone.0185809
  • Hofmeister, H., Garve, E. (2006). Lebensraum Acker: Mit 32 Tabellen (Reprint der 2., neubearb. Aufl.). Remagen: Kessel.
  • Hole, D. G., Perkins, A. J., Wilson, J. D., Alexander, I. H., Grice, P. V., Evans, A. D. (2005). Does organic farming benefit biodiversity? Biological Conservation, 122(1), 113-130. doi:10.1016/j.biocon.2004.07.018
  • Leuschner, C., Krause, B., Meyer, S., Bartels, M. (2014). Strukturwandel im Agrar- und Grünland Niedersachsens und Schleswig-Holsteins seit 1950. Natur und Landschaft, 89(9/10), 386-391. doi:10.17433/9.2014.50153292.386-391
  • Meyer, S., Wesche, K., Krause, B., Brütting, C., Hensen, I., Leuschner, C. (2014). Diversitätsverluste und floristischer Wandel im Ackerland seit 1950. Natur und Landschaft, 89(9/10), 392-398. doi:10.17433/9.2014.50153293.392-398
  • Stein-Bachinger, K., Haub, A., Gottwald, F. (2019). Biodiversität. In J. Sanders & J. Heß (Hrsg.), Leistungen des ökologischen Landbaus für Umwelt und Gesellschaft (Thünen Report, 65, S. 129-163). Braunschweig: Johann Heinrich von Thünen-Institut. doi:10.3220/REP1547040572000
  • Sanders, J., & Hess, J. (2019). Leistungen des ökologischen Landbaus für Umwelt und Gesellschaft (Thünen Report, 65). Braunschweig: Johann Heinrich von Thünen-Institut. doi:10.3220/REP1547040572000
  • Seufert, V. & Ramankutty, N. (2017). Many shades of gray – The context-dependent performance of organic agriculture. Science Advances, 3(3):e1602638. doi:10.1126/sciadv.1602638
  • Tuck, S. L., Winqvist, C., Mota, F., Ahnström, J., Turnbull, L. A. & Bengtsson, J. (2014). Land-use intensity and the effects of organic farming on biodiversity: a hierarchical meta-analysis. The Journal of Applied Ecology, 51(3), 746-755. doi: 10.1111/1365-2664.12219

Zitiervorschlag: Stein-Bachinger, K., Haub, A. & Gottwald, F. (2020). Ökologische oder konventionelle Landwirtschaft – was ist besser für die Artenvielfalt? In D. Spreen, J. Kandarr, P. Klinghammer & O. Jorzik (Hrsg.), ESKP-Themenspezial Biodiversität im Meer und an Land: vom Wert biologischer Vielfalt (S. 108-111). Potsdam: Helmholtz-Zentrum Potsdam, Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ. doi:10.2312/eskp.2020.1.4.7