Vielfalt im Meer erhalten

Biodiversitätsatlas: Auswirkungen der globalen Fischerei auf die marine Biodiversität

Der Ozean ist eine vielfältige Welt, in der schätzungsweise 230.000 bekannte Meeresarten leben. Und täglich werden neue Arten entdeckt. AquaMaps, ein globaler Meeresatlas, der unter der Leitung von GEOMAR entwickelt wurde und über 25.000 Arten umfasst, zeigt Biodiversitätsmuster weltweit. So beispielsweise die hohe Biodiversität in der Nähe des Äquators, welche exponentiell in Richtung der Pole abfällt. Sichtbar wird auch ein Hotspot der Biodiversität im malaiisch-philippinisch-indonesischen Dreieck.

Text: Cristina Garilão, Dr. Rainer Froese

GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel

  • Fangquoten in der Fischerei sind nahezu konstant, weil der Aufwand stetig erhöht wird.
  • Meeresschutzgebiete haben das Potenzial, die Auswirkungen der Fischerei zu mildern. Die meisten Meeresschutzgebiete schränken die Fischerei allerdings nicht ein.
  • Um Artenvielfalt zu schützen ist es notwendig, das Vorkommen der Arten systematisch zu erfassen.
  • "AquaMaps" erfasst systematisch das Vorkommen der Arten. Dies nicht nur innerhalb der Ausschließlichen Wirtschaftszone eines Landes oder großer mariner Ökosysteme, sondern auch in Gebieten außerhalb der nationalen Gerichtsbarkeit.

Nach Angaben der Welternährungsorganisation FAO bewegen sich gemeldeten Meeresfänge seit den 1990er Jahren kontinuierlich zwischen 50 und 60 Millionen Tonnen pro Jahr mit einem Höchststand von 63,3 Mio. Tonnen im Jahr 1994 (Beveridge et al., 2013). Dass die Menge erstaunlicherweise relativ konstant ist, liegt nicht etwa an stabilen Fischvorkommen in den Fanggebieten, vielmehr nimmt der Fischereiaufwand weltweit immer weiter zu. Dies hat zur Folge, dass immer mehr Fischer immer weniger Fische jagen (Froese & Pauly, 2012).

Zum einen wurden immer mehr Regionen erschlossen, sodass die Fischereiwirtschaft heute ein weltweit operierendes Gewerbe ist. Gleichzeitig wurde der Fischfang durch technische Möglichkeiten in den letzten Jahrzehnten von 500 Metern auf aktuell bis zu 2.000 Meter Meerestiefe ausgedehnt (Beveridge et al., 2013).

Wenn heute Fischtrawler auf Jagd gehen, ziehen sie zum Teil mehr als 20 Kilometer lange Netze hinter sich her. In diesen Netzen verfangen sich Unmengen an Beifang, was eine kontinuierliche Abnahme des lokalen Artenreichtums zur Folge hat (Butchart et al., 2010; Lotze et al., 2006).

Die Welternährungsorganisation FAO geht davon aus, dass global acht Prozent des gesamten Fischfangs aus nicht verwendetem Beifang besteht, der meist als Rückwurf wieder im Meer landet (Wichert, 2012). Darunter befinden sich regelmäßig auch Arten, die sowieso bereits stark gefährdet sind oder Jungfische, für die es keine Verwendung auf dem Markt gibt. Ein spezielles Problem stellen auch die sogenannten Geisternetze dar, die abgerissen sind oder illegal im Meer entsorgt wurden und noch Jahre später zu einer tödlichen Falle für Meerestiere werden können. Siehe hierzu auch den ESKP-Artikel: "Geisternetze - was tun gegen den Fischerei-Restmüll?")

Forschungsarbeiten des US-amerikanischen Meeresbiologen Benjamin Halpern u.a. zeigen, dass mittlerweile kein Bereich in den Ozeanen unbeeinflusst von menschlichem Handeln ist und dass ein großer Teil der marinen Ökosysteme (41 Prozent) nicht nur von einem einzelnen Aspekt, sondern gleich von mehreren Einflussfaktoren berührt werden. Aber es gibt unterschiedliche Intensitäten und nach wie vor viele Gebiete, in denen die Einflüsse durch Menschen noch relativ gering sind. Dies betrifft insbesondere Meeresgebiete, die sich in der Nähe der Pole befinden (Halpern et al., 2008).

Abb. 1: AquaMaps Biodiversitätskarte, basierend auf individuellen Karten von über 25.000 Meeresarten. Die Farbkodierung zeigt die Anzahl der Arten in allen Halbgradzellen (ca. 50 x 50 Quadratkilometer am Äquator), wobei 1-15 Arten gelb und 3364-8290 Arten dunkelrot aufgelistet sind.
Karte: AquaMaps / CC BY-NC 3.0

Globale Biodiversitätskarten für das Meer erstellen

Die Forschung am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel zeigt, dass Meeresschutzgebiete (englisch "Marine Protected Areas", kurz MPAs) das Potenzial haben, die Auswirkungen der Fischerei zu mildern (Selig et al., 2014). Diese Gebiete werden zunehmend eingesetzt, um Biodiversität im Meer zu erhalten.

Leider schränken die meisten MPAs die Fischerei nicht ein. Dies hat zur Folge, dass die Auswirkungen menschlichen Handelns in großen marinen Schutzgebieten zum Teil signifikant höher sind als außerhalb (Davies et al., 2017, Dureuil et al., 2018). In 59 Prozent der untersuchten europäischen MPAs war die durchschnittliche Schleppnetzintensität etwa 1,4fach höher als außerhalb. Dies hat zur Folge, dass in den Schutzgebieten die Menge an empfindlichen Arten wie Haie oder Rochen um 69 Prozent abgenommen hat (Dureuil et al., 2018). Um den Verlust von Artenvielfalt und Ökosystemleistungen zu vermeiden, muss die industrielle Nutzung von Meeresschutzgebieten drastisch reduziert werden.

Mit dem globalen Meeresatlas "AquaMaps" wird seit 2005 ein Instrument entwickelt, das in Zusammenwirken mit den Informationssystemen FishBase und SeaLifeBase ein systematisches Erfassen des Vorkommens der Arten nicht nur innerhalb der Ausschließlichen Wirtschaftszone eines Landes (Exclusive Economic Zone, EEZ) oder großer mariner Ökosysteme (Large Marine Ecosystems, LMEs), sondern auch in Gebieten außerhalb der nationalen Gerichtsbarkeit (Areas Beyond National Jurisdiction, ABNJ) unterstützt. Kenntnis über das globale Vorkommen der Arten ist die Voraussetzung, um die angestrebten globalen politischen Ziele zu erreichen, die in den Aichi-Biodiversitätszielen des "Übereinkommens über die biologische Vielfalt" festgelegt sind.

Quellen

  • Beveridge, M., Dieckmann, U., Fock, H. O., Froese, R., Keller, M., Löwenberg, U., ... Zimmermann, C. (2013). Die weltweite Jagd nach Fisch (Kapitel 3). World Ocean Review, 2 (Die Zukunft der Fische – die Fischerei der Zukunft) [worldoceanreview.com], 44-73.
  • Butchart, S. H. M., Walpole, M., Collen, B., van Strien, A., Scharlemann, J. P. W., ... Watson, R. (2010). Global biodiversity: indicators of recent declines. Science, 328(5982), 1164-1168. doi:10.1126/science.1187512
  • Davies, T. E., Maxwell, S. M., Kaschner, K., Garilao, C. & Ban, N. C. (2017). Large marine protected areas represent biodiversity now and under climate change. Scientific Reports,7:9569. doi:10.1038/s41598-017-08758-5
  • Dureuil, M., Boerder, K., Burnett, K. A., Froese, R. & Worm, B. (2018). Elevated trawling inside protected areas undermines conservation outcomes in a global fishing hot spot. Science, 362(6421), 1403-1407. doi:10.1126/science.aau0561
  • FAO. (2018). FAO yearbook. Fishery and Aquaculture Statistics 2016/FAO annuaire. Statistiques des pêches et de l’aquaculture 2016/FAO anuario. Estadísticas de pesca y acuicultura 2016. Rome, Italy. Verfügbar unter http://www.fao.org/3/i9942t/I9942T.pdf
  • Halpern, B. S., Wallbridge, S., Selkoe, K. A., Kappel, C. V., Micheli, F., D'Agrosa, C., ... Watson, R. (2008). A Global Map of Human Impact on Marine Ecosystems. Science, 319(5865), 948-952. doi:10.1126/science.1149345
  • Lotze, H. K., Lenihan, H. S., Bourque, B. J., Bradbury, R. H., Cooke, R. G., Kay, M. C., ...Jackson, J. B. C. (2006). Depletion, degradation, and recovery potential of estuaries and coastal seas. Science, 312(5781), 1806-1809. doi:10.1126/science.1128035
  • Pauly, D. & Froese R. (2012). Comments on FAO's State of Fisheries and Aquaculture, or 'SOFIA 2010'. Marine Policy, 36(3), 746-752. doi:10.1016/j.marpol.2011.10.021
  • Selig, E. R., Turner, W. R., Troëng, S., Wallace, B. P., Halpern, B. S., Kaschner, K., ... Mittermeier, R. A. (2014). Global Priorities for Marine Biodiversity Conservation. PLOS ONE, 9(1):e82898. doi:10.1371/journal.pone.0082898

Weitere Informationen

Zitiervorschlag: Garilão, C. & Froese, R. (2020). Biodiversitätsatlas: Auswirkungen der globalen Fischerei auf die marine Biodiversität. In D. Spreen, J. Kandarr, P. Klinghammer & O. Jorzik (Hrsg.), ESKP-Themenspezial Biodiversität im Meer und an Land: vom Wert biologischer Vielfalt (S. 176-178). Potsdam: Helmholtz-Zentrum Potsdam, Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ. doi:10.2312/eskp.2020.1.7.7