Überdüngung

Tagfalter als Indikatoren für den Biodiversitätsverlust im Grünland

Ein Fünftel der Landesfläche in Deutschland sind Grünländer. Gering bewirtschaftetes Grünland ist sehr artenreich. Durch die Intensivierung der Landwirtschaft und Nährstoffeinträge aus angrenzenden Feldern, aber auch aus der Luft, geht die Artenvielfalt der Grünländer dramatisch zurück. Mit Hilfe von Tagfaltern können Wissenschaftler*innen den Zustand dieser komplexen Artengemeinschaften europaweit beurteilen.

Text: Elisabeth Kühn

Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ

  • Grünländer können Lebensraum für überdurchschnittlich viele Insektengruppen sein.
  • Werden artenreiche Trocken- und Halbtrockenrasen (Grünländer) geringfügig beweidet und 1-2 Mal pro Jahr gemäht, erhält sich deren Vielfalt optimal.
  • Das seit 2005 auch in Deutschland durchgeführte Tagfalter-Monitoring liefert qualitativ hochwertige Daten zum Zustand von Grünländern.

Wiesen und Weiden, das sogenannte „Grünland“, zählen zu den artenreichsten Lebensräumen Mitteleuropas. Zumeist handelt es sich um einen von Menschen geprägten Lebensraum. Natürliche „Wiesen“ findet man nur im Gebirge oberhalb der Waldgrenze, im mitteldeutschen Trockengebiet und im Gezeitenbereich bei Salzwiesen und -marschen.

Entstanden sind diese Kulturflächen, indem der Mensch zunächst den Wald gerodet und dann durch regelmäßige Beweidung (Weide) oder durch regelmäßige Mahd (Wiesen) ein Wiederaufkommen der Gehölze verhindert hat. In Deutschland nehmen Grünländer aktuell mehr als 20 Prozent der Gesamtfläche ein und bilden die Grundlage für die Vieh- und Milchwirtschaft (Frey & Lösch, 1998).

Je nach Höhenlage, Art und Intensität der Bewirtschaftung ist die Zusammensetzung der Pflanzen in den verschiedenen Grünländern sehr unterschiedlich. Die Spanne reicht von sehr artenreichen, extensiv bewirtschafteten Trocken- und Halbtrockenrasen bis hin zu extrem artenarmem eingesätem Intensivgrünland. Typisch für extensiv bewirtschaftete Grünländer ist die hohe Artenvielfalt (Biodiversität), insbesondere an Pflanzen, Schmetterlingen und anderen Insektengruppen. Für den Naturschutz haben diese Lebensräume entsprechend eine besondere Bedeutung.

Darüber hinaus haben Grünländer noch eine Reihe weiterer wichtiger Funktionen wie zum Beispiel Trinkwasserschutz, Schutz vor Bodenerosion oder Klimaschutz. Sie werden von den Menschen als Plätze mit hohem ästhetischem Wert, zur Erholung und als wichtiger Faktor für den Tourismus geschätzt.

Artenreiche Grünländer stark zurückgegangen

In den letzten Jahrzehnten sind insbesondere durch die Intensivierung der Landwirtschaft, aber auch durch erhöhten Nährstoffeintrag aus angrenzenden Feldern und der Luft artenreiche Grünländer stark zurückgegangen. Die für den Erhalt der typischen Lebensräume notwendigen Pflegemaßnahmen (extensive Beweidung, ein- bis zweimalige Mahd im Jahr) sind für die Landwirtschaft nicht wirtschaftlich und vielerorts nur noch durch Vertragsnaturschutz zu realisieren. Vertragsnaturschutz bedeutet, dass Naturschutzbehörden mit Grundstücksinhabern auf Basis der Freiwilligkeit zusammenarbeiten, um bestimmte Lebensräume für Tiere und Pflanzen zu erhalten. Europaweit ist der Rückgang dieser Lebensräume und im Zuge dessen der Rückgang typischer Tier- und Pflanzenarten festzustellen.

Den Rückgang exakt aufzuzeigen und wissenschaftlich fundiert darzustellen, ist jedoch schwierig, da die Zusammenhänge sehr komplex sind und nur wenige länderübergreifende Daten vorliegen. Deshalb greifen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf bestimmte, für Grünländer typische Indikatorarten zurück, deren Entwicklung stellvertretend für den Zustand der Grünländer steht. Bewährt haben sich hier ausgewählte Tagfalterarten, deren Trends seit 2005 europaweit berechnet und zu einem „Grünlandschmetterlingsindikator“ zusammengefasst werden.

Abb. 1: Entwicklung des Grünlandschmetterlingsindikators von 1990 bis 2015
Diagramm nach van Swaay et al. 2016

Warum sind gerade die Tagfalter so gut als Indikatoren geeignet?

Für viele europäische Tagfalter sind Grünländer der Hauptlebensraum. Von den insgesamt 436 Tagfalterarten Europas, für die Angaben zu ihren Lebensräumen vorliegen, kommen 383 (88 Prozent) in mindestens einem europäischen Land im Grünland vor. Für mehr als die Hälfte der Arten (280 Arten, 57 Prozent) sind Grünländer der Hauptlebensraum. Die artenreichsten Grünlandtypen sind Kalktrockenrasen und Steppenrasen (274 Tagfalterarten), alpine und subalpine Grünländer (261 Arten), Grünländer der gemäßigten Breiten, die unter mittleren Bedingungen (mesophil) wachsen (223 Arten), und Trockenrasen (220 Arten) (Van Swaay et al., 2016).

Grünländer sind also für den Naturschutz von besonderer Bedeutung, da sie den wichtigsten Lebensraum für viele Tagfalterarten darstellen. Darüber hinaus sind Tagfalter aber auch gute Indikatoren für die allgemeine Artenvielfalt von Grünländern. Wissenschaftliche Studien konnten zeigen, dass in Grünland, dessen Pflege optimal auf die Lebensbedingungen einer speziellen Tagfalterart (hier dem Thymian-Ameisenbläuling) angepasst wird, gleichzeitig auch mehr und seltenere Pflanzenarten sowie andere Insektengruppen vorkommen (Thomas, 2005).

Qualitativ hochwertige Daten durch ehrenamtliche Helfer

Ein weiterer Grund, warum Tagfalter als Indikatoren für den Zustand von Grünländern verwendet werden, ist ein ganz pragmatischer. Für diese Artengruppe liegen besonders viele und qualitativ hochwertige Daten vor. Dies liegt vor allem an dem europaweiten Tagfalter-Monitoring, welches bereits 1976 in Großbritannien begründet wurde, seit den 1990er Jahren in den Niederlanden etabliert ist und seit 2005 auch in Deutschland bundesweit durchgeführt wird.

Mittlerweile werden Tagfalter in elf EU-Staaten regelmäßig erfasst. Das kürzlich gestartete EU-Projekt ABLE (Assessing Butterflies in Europe) hat sich zum Ziel gesetzt, dieses Netzwerk weiter auszubauen (mehr dazu hier: Europaweites Insektenmonitoring – Schmetterlinge als Vorbild). Das besondere an diesen Monitoring-Aktivitäten ist, dass sie in den meisten Ländern von ehrenamtlichen Falterzähler*innen durchgeführt werden. Nur mit Hilfe der zahlreichen ehrenamtlichen Zähler*innen können über einen so langen Zeitraum so viele Daten erhoben werden. Diese Daten werden auch weiterhin erfasst. Auf diese Weise entsteht ein einzigartiger Datensatz, der für die verschiedensten wissenschaftlichen Auswertungen und eben auch für die Berechnung des Grünlandschmetterlingsindikators genutzt werden kann (mehr dazu: Populationen der Schmetterlinge auf Wiesen halbiert).

Abb. 2: Der Mauerfuchs (Lasiommata megera) ist eine der Tagfalterarten des Grünlandes, die in den letzten Jahrzehnten stark zurückgegangen ist.
Foto: Erk Dallmeyer

Schmetterlingsarten im Grasland

Weit verbreitete Wiesenschmetterlingsarten:

  • Rostfarbiger Dickkopffalter (Ochlodes sylvanus)
  • Aurorafalter (Anthocharis cardamines)
  • Kleiner Feuerfalter (Lycaena phlaeas)
  • Hauhechel-Bläuling (Polyommatus icarus)
  • Mauerfuchs (Lasiommata megera)
  • Kleines Wiesenvögelchen (Coenonympha pamphilus)
  • Großes Ochsenauge (Maniola jurtina)

Rückgang der Tagfalter auf Grünländern in Europa dramatisch

Der Grünlandschmetterlingsindikator erschien erstmalig im Jahr 2005 und wird regelmäßig fortgeschrieben. Die letzte Aktualisierung ist aus dem Jahr 2016 mit Daten von 1990 bis 2015. Das Ergebnis ist erschreckend, denn die Analyse zeigt einen Rückgang der Häufigkeit von Tagfaltern auf Grünländern um 30 Prozent.

Grundlage für die Berechnung des Indikators sind Daten aus 22 europäischen Ländern und für siebzehn charakteristische Tagfalterarten des Grünlandes. Der dramatische Rückgang hat sich in den letzten fünf bis zehn Jahren zwar etwas verlangsamt, aber dies könnte u.a. auch auf die Klimaerwärmung zurückzuführen sein, von der einige Tagfalterarten profitieren. Allerdings sind speziell in Westeuropa die Falterzahlen in den intensiv bewirtschafteten Grünländern so stark zurückgegangen, dass sie kaum noch weiter sinken können.

Wie können Grünländer besser geschützt werden?

In Nordwest- und Mitteleuropa ist die Intensivierung der Landwirtschaft das größte Problem für artenreiche Grünländer. Der Schutz dieser Lebensräume und eine den entsprechenden Grünlandtypen angepasste Pflege ist notwendig, um den Rückgang zu stoppen.

In vielen anderen Bereichen Europas ist die Nutzungsaufgabe das Hauptproblem. Nur wenn sich für die Landwirte eine Fortsetzung der traditionellen (extensiven) Landnutzung lohnt, wird diese auch fortgesetzt. Hier sind also spezielle Fördermaßnahmen für die jeweiligen landwirtschaftlichen Betriebe wichtige Grundvoraussetzung für den Erhalt der Lebensräume.

Darüber hinaus ist eine Erweiterung der Naturschutzflächen z. B. im Rahmen einer Ausweitung des europäischen Schutzgebietsnetzwerks „Natura 2000“ wichtig. Nur durch den speziellen Schutz größerer Flächen und durch eine funktionelle Verbindung dieser Flächen untereinander kann der Verlust der Biodiversität in Grünländern aufgehalten werden.

Alpenwiese. Foto: Julian Bleymehl

Quellen

  • Frey, W. & Lösch, R. (1998). Lehrbuch der Geobotanik. Pflanze und Vegetation in Raum und Zeit. Stuttgart, Germany: Verlag Gustav Fischer.
  • Thomas, J. A. (2005). Monitoring change in the abundance and distribution of insects using butterflies and other indicator groups. Philosophical Transactions of the Royal Society B360(1454), 339–357. doi:10.1098/rstb.2004.1585
  • Van Swaay, C. A. M., Van Strien, A. J., Aghababyan, K., Åström, S., Botham, M., Brereton, T., ... Warren, M. S. (2016). The European Butterfly Indicator for Grassland species 1990-2015 (Report VS2016.019) [http://nrl.northumbria.ac.uk/28215/]. De Vlinderstichting, Netherlands.

Weiterführende Informationen

  • Kühn, E. (2017). Citizen Science. Earth System Knowledge Platform. Wissensplattform des Forschungsbereichs Erde und Umwelt der Helmholtz-Gemeinschaft, 04:866.

Zitiervorschlag: Kühn, E. (2020). Tagfalter als Indikatoren für den Biodiversitätsverlust im Grünland. In D. Spreen, J. Kandarr, P. Klinghammer & O. Jorzik (Hrsg.), ESKP-Themenspezial Biodiversität im Meer und an Land: vom Wert biologischer Vielfalt (S. 104-107). Potsdam: Helmholtz-Zentrum Potsdam, Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ. doi:10.2312/eskp.2020.1.4.6