Vulkanismus und Klima

Beeinflussen extreme Wetterereignisse Vulkanaktivitäten?

Es ist bekannt, dass unsere Atmosphäre durch vulkanische Gasemissionen geformt wurde. Ebenfalls bekannt ist, dass Vulkane aufgrund ihrer Gas- und Aerosol-Emissionen, insbesondere nach großen explosiven Eruptionen, maßgeblich das Klima beeinflussen. Weit weniger bekannt ist jedoch, dass Vulkane gewissermaßen „wetterfühlige“ Gebilde sind und Vulkanaktivität maßgeblich vom Wetter und dem Zustand der Atmosphäre gesteuert ist. 

Text: Stefan Bredemeyer

GEOMAR – Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel

• Starke Regenfälle können viele Folgeereignisse an Vulkanen auslösen. Dazu zählen Lahare oder Steinschläge.
• Auch kann der Lavadom durch Starkregen auf gefährliche Weise destabilisiert werden. Dies kann sogar eine Dampfexplosion zur Folge haben.
• Vulkanausbrüche können zudem durch starke Regenereignisse ausgelöst werden, wenn sich durch Flankenrutschungen der Magmendruck verändert.

Auf den ersten Blick erscheint es etwas seltsam, dass etwas scheinbar Festes auf der Erdkruste durch atmosphärische Prozesse verändert werden kann. Bei Schlammströmen kann jedoch genau dies passieren: Regenwasser vermischt sich mit Erde und weicher nasser Schlamm rutscht einen Hügel hinunter.

Zu solchen Schlammströmen kann es auch auf Vulkanen kommen, welche in Anlehnung an den indonesischen Begriff für „vulkanische Schlammströme“ auch Lahare genannt werden. Die Mehrzahl dieser Lahare entsteht infolge von Starkregenereignissen während oder nach dem Ausbruch eines Vulkans. Dabei handelt es sich um Schlammströme aus vulkanischer Asche und Lockermaterial, die die Berge herunterstürzen. Lahare haben die Konsistenz von nassem Beton und können metergroße Gesteinsblöcke und Baumstämme mit sich führen. Sie sind wegen ihrer großen Masse und hohen Geschwindigkeit mit bis zu 100 Stundenkilometern besonders gefährlich. Zudem können sie ihre zerstörerische Kraft noch viele Kilometer vom Vulkan entfernt entfalten, da sie über weite Strecken fließen können.

Lahare sind nicht die einzige Gefahr. Regenwasser kann Steinschläge auslösen, indem es in die Risse zwischen den Felsen gelangt und diese schwächt. Der gleiche Erosionsprozess kann zudem Gesteinsmaterial vom Gipfel und den Flanken eines Vulkans abtragen. Wenn sehr zähflüssige Lava langsam aus dem Vulkanschlot austritt, kann es zur Bildung eines Lavadoms kommen. Dabei handelt es sich um eine Art Pfropfen, der entsteht, wenn die austretende Lava sehr schnell abkühlt, fest wird und den Vulkanschlot verschließt. Lavadome wachsen bevorzugt in Zeiten ohne Niederschlag.

Wenn es jedoch regnet, sickert Wasser in die Risse zwischen den Felsen des Lavadoms. Seine Oberfläche kann einige 100°C heiß sein, sodass der niederfallende Regen sofort verdampft. Daher ist eine große Regenrate erforderlich, um weiter in die Risse im Felsen zu gelangen. Einmal tief im Inneren angekommen, verdampft das Regenwasser sobald es Temperaturen über 300° C ausgesetzt ist. Der überhitzte Dampf nimmt enorm an Volumen zu und kann sich in den engen Spalten nicht frei ausdehnen. Daher kann der plötzliche interne Druckanstieg den Lavadom destabilisieren. Manchmal führt dies zu einem Zusammenbruch des Doms oder direkt zu einer Dampfexplosion.

Einstürzende Lavadome erzeugen pyroklastischen Ströme, eine hochdichte Mischung aus glühendem Vulkangestein und Gas, die mit hoher Geschwindigkeit die Hänge eines Vulkans hinunterschießt und fast alles zerstört, was sich auf ihrem Weg befindet. Diese bis zu 1000°C heißen Glutwolken können sich zudem mit den Wasserkörpern vermischen, die sie überqueren, wie z.B. mit dem Wasser der vulkanabwärts fließenden Flüsse, und so zu Laharen werden.

Es wird angenommen, dass beispielsweise die Zusammenbrüche des Lavadoms vom Soufrière-Hills-Vulkan auf der karibischen Insel Montserrat in den Jahren 2001 und 2003 durch Regen ausgelöst wurden. Bei letzterem Domkollaps wurden innerhalb von 18 Stunden über 210 Mio. m3 Material abgetragen, was eine stark explosive Aktivität zur Folge hatte. Die stärkste Explosion produzierte eine über 15 Kilometer hohe vertikale Eruptionswolke, die unzählige pyroklastische Ströme generierte. Die stärksten pyroklastischen Ströme hatten sogar tsunamigene Wirkung. Ähnliche Beobachtungen zum Einfluss des Regens wurden auch an anderen Domvulkanen gemacht wie dem Mount Unzen in Japan, dem Mount Merapi in Indonesien, sowie dem Vulkan Piton de la Fournaise auf der Insel Réunion.

Grundsätzlich ist die Bildung und explosive Freisetzung von unter hohem Druck stehenden Dämpfen nicht an solche Domstrukturen gebunden. Ähnliche, durch Regen ausgelöste Dampfexplosionen wurden bereits an anderen Vulkanen beobachtet wie dem Cerro Azul auf Galapagos, dem Láscar, in Nord-Chile oder kürzlich auch auf White Island in Neuseeland.

Überhaupt finden viele Vulkanausbrüche erst nach extremen Starkregenereignissen statt. So kann es durch ein Unwetter zu Erdrutschen und Flankenrutschungen am Vulkan kommen. Dadurch verändert sich der Druck auf emporsteigendes Magma und der Magmendruck sinkt. Durch die Drucksenkung setzt das Magma gelöste Gase frei, die sich ausdehnen. Sie drücken nach oben und als Folge kommt es zu einer Eruption.

Die hohe Aktivität des Etna in Italien beispielsweise ist nicht zuletzt auf eine ständige Druckentlastung durch die kontinuierliche seewärts gerichtete Bewegung der instabilen Ostflanke des Vulkans zurückzuführen. Größere Flankenbewegungen, wie sie insbesondere infolge von Unwetterereignissen zu beobachten sind, haben häufig eruptive Aktivität zur Folge.

Aber auch in Zeiten ohne Extremwettereignisse stehen Vulkane unter dem permanenten Einfluss atmosphärischer Änderungen, welche u.a. maßgeblich die Entgasungsaktivität von Vulkanen beeinflussen. Signifikante Änderungen in der Entgasungsaktivität eines Vulkans können bereits bei geringfügigen Wetterveränderungen wie zum Beispiel Luftdruckschwankungen auftreten.

Gasemissionsraten verschiedener Vulkane haben gezeigt, dass ihre Entgasungsaktivität während der Passage von Tiefdruckgebieten um ein Vielfaches zunimmt. Bei geringem Luftdruck stoßen die Vulkane die größten Gasmengen aus. Gleichzeitig besteht während der Passage von Tiefdruckgebieten die Gefahr von starken Niederschlägen. Sie können die Abgasschlote von Vulkanen überfluten und verstopfen, aber auch Erdrutsche auslösen. In Kombination mit durch Regen verstopften Abgasschloten kann sich oberflächennah relativ schnell ein Überdruck im Vulkan aufbauen. Bei vielen Vulkanen gehört ein in regelmäßigen Zeitabständen auftretendes oberflächliches Versiegeln und wieder Freisprengen zum typischen Verhaltensmuster.

Übermäßiger Niederschlag kann sich also stark auf Vulkane auswirken. Aus diesem Grund sind an vielen Vulkanen Wetterstationen installiert, um die Niederschlagsmengen zu registrieren. Allerdings sind große Stürme, die eine solch hohe Niederschlagsrate aufweisen, damit Wasser in den Lavadom eines Vulkans eindringt, hauptsächlich in den Tropen zu finden. Aufgrund einer zu erwartenden Zunahme von extremen Wetterereignissen im Zuge des aktuellen Klimawandels auch in anderen Regionen, bleibt zu untersuchen, ob die Häufigkeit solcher wetterbedingten Eruptionen in Zukunft zunimmt.

Referenzen

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DOI
https://doi.org/10.2312/eskp.2020.2.4.3

Zitiervorschlag: Bredemeyer, S. (2020). Beeinflussen extreme Wettereignisse Vulkanaktivitäten? In O. Jorzik, J. Kandarr, P. Klinghammer & D. Spreen (Hrsg.), ESKP-Themenspezial Vulkanismus und Gesellschaft. Zwischen Risiko, Vorsorge und Faszination (S. 94-96). Potsdam: Helmholtz-Zentrum Potsdam, Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ. doi:10.2312/eskp.2020.2.4.3