Vulkanismus Grundlagen

Seltenes Naturphänomen: Lavaseen

Lavaseen sind eine absolute Seltenheit auf der Erde. An nur sieben Orten der Welt treten diese eindrucksvollen Naturphänomene aktuell in Erscheinung.

Text: Jana Kandarr

Earth System Knowledge Platform | ESKP

Fachliche Prüfung: Dr. Karen Strehlow

GEOMAR – Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel

  • Lavaseen bilden sich stets über aktiven Vulkanschloten.
  • Ein Lavasee ist ständig in Bewegung. In der Regel kann in ihm ein horizontales Fließen wahrgenommen werden.
  • In stabilen, aktiven Lavaseen müssen in unterirdischen Systemen Mechanismen existieren, die zu einer permanenten Gasanreicherung führen.

Lavaseen sind eine absolute Seltenheit auf der Erde. Wie die Bezeichnung vermuten lässt, enthalten sie kein Wasser, sondern ausschließlich Lava. Lavaseen bilden sich stets über aktiven Vulkanschloten. An nur sieben Orten der Welt treten diese eindrucksvollen Naturphänomene aktuell in Erscheinung. So finden sich Lavaseen am Nyiragongo in der Demokratischen Republik Kongo, am Schildvulkan Erta 'Ale in Äthiopien, am Mount Erebus in der Antarktis, an den beiden Vulkankegeln Marum und Benbow des Ambrym im Inselstaat Vanuatu, am Kīlauea auf Hawaii, am Villarica-Vulkan in Chile sowie am Masaya-Vulkan in Nicaragua (Lev et al., 2019).

Lavaseen bieten die seltene Möglichkeit, Prozesse zu beobachten, die sonst im Verborgenen ablaufen: das Aufsteigen, d.h. die Konvektion von Magma aus dem Erdmantel wie auch die Dynamik der Gasfreisetzung im Magma selbst. Auftrieb, Aufwölbungen und Lavabewegungen − auch horizontal − sind typische Erscheinungen in einem Lavasee.

Die Stabilität von Lavaseen ist nach bisherigem Kenntnisstand unter anderem von der Geometrie der Vulkanschlote, der Gaslöslichkeit und -ausdehnung sowie der Menge an entweichendem Magma abhängig (Witham und Llewellin, 2006).

Ein Lavasee ist ständig in Bewegung. In der Regel kann in ihm ein horizontales Fließen wahrgenommen werden. Diese Dynamik an der Oberfläche eines Lavasees wird vermutlich durch zwei Prozesse gesteuert: zum einen durch den Auftrieb von Magma im Vulkanschlot, bei dem eine Lavakruste durch Abkühlung an der Oberfläche entsteht, welche sich dann radial ausbreitet, um die Ankunft von neuem Magma aus der Tiefe zu ermöglichen. Gleichzeitig wird Lava in einen Bereich gezogen, in dem unentwegt Gasblasen aufbrechen; allmählich wird das Magma auch geringfügig schwerer und kühler. Dort sieht man dann den Abtrieb, was heißt, dass Lava wieder zum Grund des Sees oder Schlotes gelangt, wo sie wieder erhitzt wird. Vertikal aufsteigende und fallende Strömungen von flüssigem Magma passen sich so horizontal an. Diese Bewegung wird als Fließen wahrgenommen.

Die Fließmuster eines Lavasees sind quasi auf kleinstem Raum das, was die Plattentektonik im Großen auf unserer Erde ist: Lava steigt entlang der Mittelozeanischen Rücken auf. Dadurch entsteht in allen Ozeanen neuer Meeresboden. Dort, wo Lava abkühlt und absinkt, haben wir Subduktionszonen auf der Erde. Ein Lavasee enthält dieses System quasi im Kleinen.

Instabil ist ein Lavasee vermutlich immer dann, wenn das Verhältnis der Querschnittsflächen von Schlot und See klein ist und der Schlot eine sprudelnde Magmaschicht enthält. Das führt zu kleinen Schwankungen und/oder zu verstärkten Druckabfällen im Reservoir.

Kollaps des Lavasees Pu'u 'O'o auf Hawaii. (Länge: 0:22 Min.)

Lavaseen - ein kleiner Überblick in Bildern

Wie eingangs erwähnt, lassen sich die momentan aktiven Lavaseen auf der Welt an zwei Händen abzählen. Im Folgenden soll deshalb jeder einzelne Lavasee kurz vorgestellt werden.

Masaya, Nicaragua
Der Masaya-Vulkan befindet sich auf dem Zentralamerikanischen Bogen, wo die Cocos-Platte mit einer Geschwindigkeit von 77 Millimeter pro Jahr unter die Karibische Platte untertaucht (subduziert wird). Gleichzeitig findet sich in unmittelbarer Nähe (25 km) die Hauptstadt Nicaraguas. Der Masaya-Vulkan enthält im sogenannten Santiago-Krater einen Lavasee. Seit der Lavasee im Dezember 2015 erneut auftauchte, ist er ununterbrochen aktiv geblieben. Der Lavasee setzt, wie andere Seen bzw. aktive Vulkane auch, Schwefeldioxid frei. Der durchschnittliche Schwefeldioxidfluss des Masaya-Vulkans seit 1996 beträgt rund 1000 Tonnen pro Tag, was ca. 1,3 bis 2,8 Prozent der globalen vulkanischen SO2-Emissionen entspricht. Betrachtet man allein die zentralamerikanischen Vulkane, so machen die Schwefeldioxidemissionen dieses einen Vulkans schon knapp ein Viertel der insgesamt emittierten Menge in der Region aus (Lev et al., 2019; Moor et al., 2013).
Foto: imago images/YAY Images

Marum, Vanuatu
Die 678 km2 große Insel Ambrym gehört zum pazifischen Inselstaat Vanuatu und Ambrym ist in ihrer Gesamtheit ein Schildvulkan. Der Marum/Mbwelesu-Krater der Insel misst ganze 13 Kilometer im Durchmesser. Die große Caldera hat sich vermutlich vor etwa 2.000 Jahren nach einem plinianischen Ausbruch des Vulkans gebildet. In den letzten Jahrzehnten ist in dem Krater ein Lavasee (Marym) aktiv. Er gibt einen weiteren aktiven Schlot (Benbow). Große Ausbrüche waren auch mit Lavaströmen über den Caldera-Rand hinaus und lokaler Zerstörung verbunden, insbesondere in den Jahren 1820, 1894, 1913 und 1929. Auch in den letzten 50 Jahren wurde über Ausbrüche über die Caldera-Rand hinaus berichtet. Die Aktivität des Ambrym wird von einer enormen Menge an vulkanischen Gasemissionen begleitet. Der Vulkan gehört zu den drei stärksten Emittenten von vulkanischen Gase auf der Erde (Global Volcanism Program, Bani et al., 2012, Allard et al., 2016).
Foto: imago images/imagebroker

Halemaʻumaʻu, Hawaii
Vier überlappende Vulkane – Mauna Kea, Kīlauea, Mauna Loa, Hualālai – bilden die Insel ’Island of Hawaii‘. Vor 600.000 Jahren begann hier der Schildvulkan Kīlauea vom Meeresboden empor zu wachsen. Vor nur 500 Jahren kollabierte der Gipfel des Schildvulkans und bildete eine Caldera. Heute beherbergt diese Caldera den Lavasee Halemaʻumaʻu. Ein anderer kleiner Lavasee (Pu'u 'O'o) ist verschwunden. Er kollabierte in den Jahren 2011 und 2018. Im Zeitraffer zeigt ein Video des United States Geological Survey den beeindruckenden Kollaps des Pu'u 'O'o am 5. März 2011. Schon drei Wochen später tauchte wieder Lava im Krater auf und es bildete sich schnell ein hochgelegener Lavasee. Am 30. April 2018 brachen Kraterboden und der Lavasee Pu'u 'Ō'ō wieder ein, verbunden mit einer riesigen Eruption an den Flanken des Vulkans. Dann endete die Aktivität ganz. Ein instabiler Lavasee kann plötzlich und auch ohne Änderung des Magma-Reservoirdrucks abfließen.
Foto: imago images / ZUMA Press

Erta 'Ale, Äthiopien
Der Vulkan Erta 'Ale in Äthiopien ist seit mindestens einem Jahrhundert permanent aktiv. Erta 'Ale ist ein basaltischer Schildvulkan, der mitten im Erta 'Ale-Gebirge liegt. In der Region dehnt sich die Erdkruste aus, was durch die etwas flachere Topographie des Vulkangebietes deutlich wird. Die Gipfelcaldera des Vulkans Erta 'Ale (1.600 × 700 m) beherbergt zwei Grubenkrater. In jüngster Zeit war der Lavasee innerhalb des zentralen Kraters mit einem Durchmesser von ∼150 Metern am häufigsten aktiv, während in der nördlichen Grube vulkanische Gase austreten, es zu sogenannter fumarolischer Aktivität kommt (Global Volcanism Program, Oppenheimer et al., 2004). 
Foto: imago images/Nature Picture Library

Nyiragongo, Demokratische Republik Kongo
Der Mount Nyiragongo befindet sich im westlichen Teil des Ostafrikanischen Grabensystems. Er gilt als der aktivste Vulkan Afrikas. Es handelt sich um einen steilen Stratovulkan, der 3.469 m über den Meeresspiegel emporragt und sich auf dem Gebiet der Demokratischen Republik Kongo befindet. Der Vulkankrater beherbergt den größten permanent aktiven Lavasee der Welt. Er besteht mindestens seit dem Jahr 1971. In den letzten vier Jahrzehnten ist der Lavasee zweimal – im Jahre 1977 und auch 2002 − katastrophal über die Südflanke des Vulkans ausgelaufen (Tedesco et al., 2007, Valade et al., 2018).
Foto: Cai Tjeenk Willink (Caitjeenk), WikimediaCC BY-SA 3.0

Nyiragongo, Demokratische Republik Kongo
Eine Eruption im Jahre 2002 setzte voluminöse Lavaströme frei, die durch die zwei Millionen Einwohner zählende kongolesische Stadt Goma zum Kivu-See flossen. Die Lava verwüstete etwa 15 Prozent der Stadt, einschließlich eines Teils des internationalen Flughafens. Mehr als 100 Menschen kamen durch die Lava ums Leben und insgesamt wurden mindestens 250.000 Einwohner vertrieben (Tedesco et al., 2007). Es gibt immer wieder Zyklen mit starken Lavafontänen, hinzu kommt eine kontinuierliche Freisetzung großer Gasfahnen, die vorwiegend aus Wasserdampf, Kohlen- und Schwefeldioxid bestehen (Sawyer et al., 2008). Ausbrüche des Lavasees ähnlich dem von 2002 würden eine erhebliche Bedrohung für die Gesundheit und die soziale Stabilität dieser fragilen Gegend darstellen (Valade et al., 2018).
Foto: imago images/Belga

Mount Erebus auf Ross Island, Antarktis
Der Mount Erebus in der Antarktis ist ein 3.794 Meter hoher Stratovulkan und der südlichste aktive Vulkan der Welt. Mount Erebus beherbergt einen stark konvektiven Lavasee, der permanent Gas freisetzt. Der Lavasee wurde erstmals 1972 von einer wissenschaftlichen Gruppe direkt beobachtet. Er ist außergewöhnlich, weil er einen direkten Blick in eine aktive Magmakammer der oberen Ebene bietet. Häufige strombolianische Ausbrüche, d.h. bis zu ∼6 pro Tag, aus dem See sind ein charakteristisches Merkmal des Erebus-Vulkans. Zu Ausbrüchen kommt es, wenn eine große Gasblase schnell aus der Tiefe aufsteigt und an der Oberfläche des Lavasees platzt (Kelly et al., 2008).
Foto: imago images/Aurora Photos

Villarica, Chile
Villarica ist ein Stratovulkan mit einem offenen Schlotsystem. Der Gipfelkrater dieses Vulkans beherbergt einen 30-40 Meter breiten Lavasee, der – je nach Aktivität des Vulkans – zwischen 100 und 150 m unterhalb des Gipfels liegt (Ortiz et al., 2003). Dieser Lavasee entgast seit dem Ende des Ausbruchs von 1985 beständig und weist eine leichte strombolianische Aktivität auf, wenn die seismische Aktivität im Vulkan zunimmt (Stock et al., 2019). Immer wieder gibt es Lavafontainen.
Foto: imago images/ZUMA Press

Referenzen

  • Allard, P., Burton, M., Sawyer, G. & Bani, P.. (2016). Degassing dynamics of basaltic lava lake at a top-ranking volatile emitter: Ambrym volcano, Vanuatu arc. Earth and Planetary Sciences Letters448, 69-80. doi:10.1016/j.epsl.2016.05.014
  • Bani, P., Oppenheimer, C., Tsanev, V. I., Carn, A. A., Cronin, S. J., Crimp, R., Calkins, J. A., Charley, D., Lardy, M. & Roberts, T. R. (2009). Surge in sulphur and halogen degassing from Ambrym volcano, Vanuatu. Bulletin of Volcanology,71:1159. doi:10.1007/s00445-009-0293-7
  • Kelly, P. J., Kyle, P. R., Dunbar, N. W. & Sims, K. W. W. (2008). Geochemistry and mineralogy of the phonolite lava lake, Erebus volcano, Antarctica: 1972–2004 and comparison with older lavas. Journal of Volcanology and Geothermal Research, 177(3). 589-605. doi:10.1016/j.jvolgeores.2007.11.025
  • Lev, E., Ruprecht, P., Oppenheimer, C., Peters, N., Patrick, M., Hernández, P. A., Spampinato, L. & Marlow, J. (2019). A global synthesis of lava lake dynamics. Journal of Volcanology and Geothermal Research, 381, 16-31. doi:10.1016/j.jvolgeores.2019.04.010
  • Moor, J. M., Fischer, T. P., Sharp, Z. D., King, P. L., Wilke, M., Botcharnikov, R. E., … Kelley, K. A. (2013). Sulfur degassing at Erta Ale (Ethiopia) and Masaya (Nicaragua) volcanoes: Implications for degassing processes and oxygen fugacities of basaltic systems. Geochemistry, Geophysics, Geosystems, 14(10), 4076-4108. doi:10.1002/ggge.20255
  • Oppenheimer, C., McGonigle, A. J. S., Allard, P., Wooster, M. J. & Tsanev V. (2004). Sulfur, heat, and magma budget of Erta ‘Ale lava lake, Ethiopia. Geology, 32(6), 509-512. doi:10.1130/G20281.1
  • Ortiz, R., Moreno, H., García, A., Fuentealba, G., Astiz, M., Peña, P., Sánchez, N. & Tárraga, M. (2003). Villarrica volcano (Chile): characteristics of the volcanic tremor and forecasting of small explosions by means of a material failure method. Journal of Volcanology and Geothermal Research, 128 (1-3), 247–259. doi:10.1016/S0377-0273(03)00258-0
  • Pering, T. D., Ilanko, T., Wilkes, T. C., England, R. A., Silcock, S. R., Stanger, L. R., Willmott, J. R., Bryant, R. G. & McGonigle, A. J. S. (2019). A Rapidly Convecting Lava Lake at Masaya Volcano, Nicaragua. Frontier Earth Science, 6:241. doi:10.3389/feart.2018.00241
  • Radebaugh, J., Lopes, R. M., Howell, R. R., Lorenz, R. D. D. & Turtl, E. P. (2015). Eruptive behavior of the Marum/Mbwelesu lava lake, Vanuatu and comparisons with lava lakes on Earth and Io. Journal of Volcanology and Geothermal Research, 322, 105-118. doi:10.1016/j.jvolgeores.2016.03.019
  • Sawyer, G. M., Carn, S. A., Tsanev, V. I., Oppenheimer, C. & Burton, M. (2008). Investigation into magma degassing at Nyiragongo volcano, Democratic Republic of the Congo. Geochemistry, Geophysics, Geosystems, 9, 1-17. doi:10.1029/2007GC001829
  • Smithsonian Institution – National Museum of Natural History. Global Volcanism Program. (o.D.) [Webseite, volcano.si.edu]. Aufgerufen am 7.6.2020.
  • Stock, C. N. M. (2019). Seismic Structure and Seismicity of the Villarrica Volcano (Southern Central Chile) (Dissertation, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät, Universität Kiel). Verfügbar unter https://macau.uni-kiel.de
  • Tedesco, D., Vaselli, O., Papale, P., Carn, S. A., Voltaggio, M., Sawyer, G. M., Durieux, J., Kasereka, M. & Tassi, F. (2007). January 2002 volcano-tectonic eruption of Nyiragongo volcano, Democratic Republic of Congo. Journal of Geophysical Research: Solid Earth, 112(B9), 1-12, doi:10.1029/2006JB004762
  • Valade, S., Ripepe, M., Giuffrid, G., Karum, K. & Tedescod, D. (2018). Dynamics of Mount Nyiragongo lava lake inferred from thermal imaging and infrasound array. Earth and Planetary Science Letters, 500, 192-204. doi:10.1016/j.epsl.2018.08.004

DOI
https://doi.org/10.2312/eskp.2020.2.1.2

Zitiervorschlag: Kandarr, J. (2020). Seltenes Naturphänomen: Lavaseen. In O. Jorzik, J. Kandarr, P. Klinghammer & D. Spreen (Hrsg.), ESKP-Themenspezial Vulkanismus und Gesellschaft. Zwischen Risiko, Vorsorge und Faszination (S. 13-16). Potsdam: Helmholtz-Zentrum Potsdam, Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ. doi:10.2312/eskp.2020.2.1.2