Unterseeischer Vulkanismus

Die Mittelozeanischen Rücken

Weniger als ein Prozent der längsten Bergkette der Welt sind im Detail erforscht. Dabei finden sich entlang der Mittelozeanischen Rücken faszinierende Ökosysteme, die in völlig lichtloser Umgebung der Ozeane Lebensräume für viele Arten bieten.

Text: Dr. Morgane Le Saout

GEOMAR – Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel

  • Vermutlich findet der Großteil der gesamten vulkanischen Aktivität auf der Erde entlang der Mittelozeanischen Rücken statt.
  • Da sich der Großteil des Mittelozeanischen Rückens tief in den Ozeanen befindet, bleiben die meisten Vulkanausbrüche unbemerkt. Der größte Teil der Mittelozeanischen Rücken ist unerforscht.
  • An den sich dort befindenden hydrothermalen Quellen können sich faszinierende und artenreiche Biotope in großer Tiefe entwickeln.

Die längste Bergkette − immerhin umspannt sie die gesamte Erde − ist das System der Mittelozeanischen Rücken. 65.000 Kilometer umfasst es. Mehr als 90 Prozent davon liegen in der Tiefsee in einer durchschnittlichen Tiefe von 2,5 Kilometern. Nur an wenigen Stellen wie zum Beispiel auf Island ragen Bergrücken über den Meeresspiegel hinaus. Mittelozeanische Rücken sind eine der hauptsächlichen geologischen Strukturen, die unseren Planeten formen, da hier die tektonischen Platten auseinanderdriften und neuer Meeresboden bzw. neue Ozeankruste entsteht. Tatsächlich werden mehr als zwei Drittel der Oberfläche unseres Planeten entlang der Mittelozeanischen Rücken erzeugt. Vermutlich findet der Großteil der gesamten vulkanischen Aktivität auf der Erde entlang dieses Systems statt.

Wichtige geologische Prozesse

Entlang der Mittelozeanischen Rücken kommt es zu zwei wichtigen geologischen Prozessen. Erstens: Wenn sich die ozeanischen Platten auseinander bewegen, schmilzt teilweise das Gestein, welches sich Hunderte von Kilometern unter dem Meeresboden befindet. Ein Teil dieses geschmolzenen Gesteins (sog. Magma) steigt auf und erzeugt beim Erreichen des Meeresbodens teilweise mächtige Vulkanausbrüche. Diese Ausbrüche können auch an Land stattfinden, wenn ein Teil eines Mittelozeanischen Rückens über die Wasseroberfläche hinausragt. Ein Beispiel dafür ist der Ausbruch des Vulkans Eyjafjallajökull in Island im Jahr 2010, der 250 Millionen Kubikmeter Vulkanasche produzierte. Von diesem Ausbruch war nicht nur die isländische Bevölkerung betroffen. 20 Länder mussten ihren Luftraum für sieben Tage sperren, was mehr als 10 Millionen Fluggäste einschränkte. Da sich der Großteil des Mittelozeanischen Rückens jedoch tief in den Ozeanen befindet, bleiben die meisten Vulkanausbrüche unbemerkt.

Der zweite wichtige geologische Prozess, der den Meeresboden formt, ist die Ausbildung und weitere Ausbreitung von Rissen und Verwerfungen in der Ozeankruste. Die Bewegung entlang dieser tektonischen Strukturen führt zu kleinen bis mittleren Erdbeben, die von Menschen in der Regel nicht gefühlt werden, jedoch von seismischen geophysikalischen Stationen an Land oder auf See entlang der Achsen der Mittelozeanischen Rücken erfasst werden können.

Tatsächlich werden mehr als zwei Drittel der Oberfläche unseres Planeten entlang der Mittelozeanischen Rücken erzeugt.

Wie häufig und stark sind Vulkanausbrüche an Mittelozeanischen Rücken?

Seit der Entdeckung der Mittelozeanischen Rücken in den 1950er Jahren haben Forscher rund um den Globus verschiedene Daten gesammelt, um die Prozesse zu verstehen, die unseren Meeresboden formen, aber auch um das potenzielle Risiko abzuschätzen, welches durch die Vulkanausbrüche und die Bodenbewegung entlang der Verwerfungen entsteht. Einige der wichtigsten Fragen sind dabei:

  • Wie häufig treten Vulkanausbrüche entlang der Mittelozeanischen Rücken auf?
  • Welche Mengen an Magma sind ausgetreten?
  • Welche Auswirkungen haben Vulkanausbrüche auf die Ökosysteme?
  • Was ist die maximale Intensität, die ein Erdbeben entlang der Mittelozeanischen Rücken erreicht?
  • Sind Erdbeben an Mittelozeanischen Rücken eine potentielle Gefahrenquelle?

Eines der Forschungsziele der letzten drei Jahrzehnte war es, das Wiederauftreten und den Umfang der Vulkanausbrüche zu analysieren. Seit der Entdeckung des ersten unterseeischen Vulkanausbruchs entlang der Mittelozeanischen Rücken im Jahr 1986 wurden bedeutende Fortschritte bei der Erkennung von entlegenen unterseeischen Ausbrüchen erzielt. Eine der Methoden ist die Analyse der Verteilung von Erdbeben. Kurz vor und während eines Vulkanausbruchs werden in der Regel kleine Schwarmbeben entdeckt. In jüngerer Zeit wurden geophysikalische Instrumente auf einigen Abschnitten der Achsen eingesetzt, um Echtzeitdaten über das Auftreten dieser Erdbeben zu liefern.

Insgesamt wurden seit 1986 mehr als 13 unterseeische Vulkanausbrüche entlang Mittelozeanischer Rücken entdeckt. Ferngesteuerte wie auch bemannte Unterwasserfahrzeuge können während oder kurz nach diesen Vulkanausbrüchen für Messungen eingesetzt werden. Die Analyse der so gewonnenen Daten liefert wichtige Informationen über Größe, Dauer, Häufigkeit und Art dieser unterseeischen Ausbrüche sowie ihrer Auswirkungen auf die Umwelt. Die Untersuchungen zeigen, dass beispielsweise nur zwei Abschnitte des Mittelozeanischen Rückensystems in den letzten 20 Jahren mehr als einmal ausgebrochen sind. Auf Grund der langen Zeitzyklen zwischen den Ereignissen sind daher Analysen älterer vulkanischer Lavaströme notwendig, um ein besseres Verständnis der zeitlichen Eruptionshäufigkeit entlang verschiedener Abschnitte der Mittelozeanischen Rücken zu erhalten.

Topographische Karte mit einer globalen Ansicht der Mittelozeanischen Rücken (rote Linie). Das 65.000 Kilometer lange Mittelozeanische Rückensystem wird in jedem Ozean in einer durchschnittlichen Tiefe von 2,5 Kilometer beobachtet.
Karte: Dr. Morgane Le Saout

Hydrothermale Quellen: einzigartige Ökosysteme und Erzvorkommen

Mittelozeanische Rücken begünstigen die Entwicklung von heißen „hydrothermalen“ Quellen. Dabei dringt kaltes Meerwasser durch Risse im Meeresboden in die neue, heiße Kruste ein. Das eindringende Wasser wird erhitzt (bis zu 400 °C) und mit Mineralien angereichert.

Dadurch entsteht eine Änderung des Auftriebs und das heiße, „hydrothermale“ Wasser wird mit hoher Geschwindigkeit (d.h. mit bis zu zwei Metern pro Sekunde) aus dem Meeresbodengestein ausgestoßen. Im Kontakt mit den fast eisigen Temperaturen des Ozeans verfestigen sich die gelösten Mineralien und bilden kaminartige Strukturen, die bis zu 60 Meter hoch sind und mehr als zehn Meter pro Jahr wachsen können. Das aus diesen Quellen kommende hydrothermale Wasser ist oft schwarz oder weiß, und die Farbe variiert je nach den gelösten Mineralien im Wasser.

Diese sogenannten „Schwarzen Raucher“ (englisch „Black Smoker“) bestehen hauptsächlich aus Eisensulfiden. „Weiße Raucher“ hingegen enthalten Barium, Kalzium und Silizium. Eine über lange Zeit an einem einen Ort konzentrierte hydrothermale Aktivität kann so zur Bildung großer Erzvorkommen führen. Abgesehen von den Mineralressourcen, die durch hydrothermale Schlote entstehen können, liefert hydrothermales Wasser aber auch Nährstoffe, die die Grundlage für riesige unterseeische Ökosysteme bilden. Diese beherbergen unter anderem einzigartige Bakterien, Röhrenwürmer, Krabben, Garnelen, Muscheln, Napfschnecken, Muscheln und Fische. Das Besondere: All diese Arten gedeihen an Schwarzen und Weißen Rauchern bei völliger Abwesenheit von Sonnenlicht.

Was den Rest der Tiefsee anbelangt, so ist der größte Teil des Systems der Mittelozeanischen Rücken noch unerforscht. Während etwa die Hälfte des Mittelozeanischen Rückensystems von Forschungsschiffen aus kartiert werden konnte, wurden weniger als ein Prozent des gesamten Gebietes mit Hilfe von Tauchbooten oder ferngesteuerten Fahrzeugen detailliert erfasst. Daher ist es wichtig, weiterhin hochauflösende Karten, Fotos und Videos des Meeresbodens sowie Gesteinsproben von verschiedenen Orten entlang der Mittelozeanischen Rücken zu sammeln. Diese Daten werden detaillierte Informationen liefern, die für ein besseres Verständnis dieser komplexen geologischen und biologischen Systeme notwendig sind.

Blockdiagramm eines Mittelozeanischen Rückens, das die Zirkulation von heißem „hydrothermalen“ Wasser und den Aufstieg von Magma (geschmolzenes Gestein) zeigt. Die mit einem ferngesteuerten Fahrzeug aufgenommenen Fotos zeigen einen hydrothermalen Schornstein und einen unterseeischen Lavastrom. Die Fotos wurden mit dem ferngesteuerten Fahrzeug PHOCA vom GEOMAR während der Forschungsfahrt MSM75 im Juni und August 2018 aufgenommen.
Grafik: Dr. Morgane Le Saout/GEOMAR

Referenzen

  • Kelley, D. S., Delaney, J. R. & Juniper, S. K. (2014). Establishing a new era of submarine volcanic observatories: Cabling Axial Seamount and the Endeavour Segment of the Juan de Fuca Ridge. Marine Geology, 352, 426-450. doi:10.1016/j.margeo.2014.03.010
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  • Schlindwein, V., Demuth, A., Korger, E., Läderach, C. & Schmid, F. (2015). Seismicity of the Arctic mid-ocean Ridge system. Polar Science, 9(1), 146-157. doi:10.1016/j.polar.2014.10.001
  • Wilcock, W. S., Tolstoy, M., Waldhauser, F., Garcia, C., Tan, Y. J., Bohnenstiehl, D. R., Caplan-Auerbach, J., Dziak, R. P., Arnulf, A. F. & Mann, M. E. (2016). Seismic constraints on caldera dynamics from the 2015 Axial Seamount eruption. Science, 354(6318), 1395-1399. doi:10.1126/science.aah5563

DOI
https://doi.org/10.2312/eskp.2020.2.5.2

Zitiervorschlag: Le Saout, M. (2020). Die Mittelozeanischen Rücken. In O. Jorzik, J. Kandarr, P. Klinghammer & D. Spreen (Hrsg.), ESKP-Themenspezial Vulkanismus und Gesellschaft. Zwischen Risiko, Vorsorge und Faszination (S. 101-104). Potsdam: Helmholtz-Zentrum Potsdam, Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ. doi:10.2312/eskp.2020.2.5.2