Gesellschaft und Vulkanismus

Wo genau können neue Vulkane entstehen?

Die Menschheit breitet sich immer mehr über den Planeten aus. Das hat zur Folge, dass urbane Räume Vulkanen immer näherkommen. Manche Städte liegen sehr nah an oder sogar auf einem monogenetischen Feld. Beispiele dafür sind Neapel, Mexico City oder auch Auckland. In solchen Fällen wäre es wichtig zu wissen, wo Lava austreten oder sich ein Vulkankegel bilden könnte. Dr. Eleonora Rivalta vom Deutschen GeoForschungsZentrum (GFZ) beschäftigt sich unter anderem mit solchen Fragestellungen.

Interview mit Dr. Eleonora Rivalta

Helmholtz-Zentrum Potsdam, Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ

  • Bisher wurden statistische Techniken verwendet, um die Verteilung von Schloten in Vulkanfeldern zu ergründen.
  • Mittels eines neuen Ansatzes soll versucht werden, das Auftreten der Schlote mechanisch zu erklären.
  • Wenn der Ansatz ausreichend weiterentwickelt wird, könnte er dazu dienen, Ausbruchsorte vorherzusagen.

Sehr geehrte Frau Dr. Rivalta, Sie beschäftigen sich mit den Wechselwirkungen zwischen Plattentektonik, also der Bewegung der Erdplatten, und Vulkanismus. Können Sie uns kurz erklären, was dieses Forschungsfeld umfasst?

Dr. Eleonora Rivalta: Es handelt sich um ein relativ neues Forschungsgebiet, bei dem es um die Interaktion zwischen tektonischen Kräften und Vulkanismus in allen räumlichen Größenordnungen geht, also um die regionalen Auswirkungen, aber auch lokalen Wirkungen an einzelnen Vulkanen. Es geht dabei zum Beispiel um Fragen wie: Warum befinden sich ganze Vulkanfelder dort, wo sie sich befinden? Wie verhalten sich der Transport sowie die Einlagerung von Magma zu sich langsam aufbauenden tektonischen Kräften wie etwa der Entwicklung bzw. Auffaltung von Gebirgen, aber auch zu schnell wirkenden und sich ändernden Kräften wie starken Erdbeben?

Warum ist es wichtig, sich mit solchen Problemen zu befassen?

Rivalta: In den Geowissenschaften und auch darüber hinaus erweisen sich häufig drei Gründe für unsere Erkenntnisinteresse als wichtig. Zunächst sind wir Menschen ganz einfach neugierig und von der Natur fasziniert und würden daher gerne besser verstehen, wie diese Prozesse funktionieren. Zweitens möchten wir uns besser vor Gefahren schützen: in Vulkangebieten befinden sich Siedlungen und es sind beliebte Touristenziele. Drittens bemühen wir uns um eine nachhaltige Nutzung derjenigen Ressourcen, die uns die Natur zur Verfügung stellt. Im Falle der Vulkane sind dies Wärme und Mineralien. All diese Faktoren sind ein Grund dafür, sich mit Vulkanen sowie den Kräften, welche ihr Verhalten steuern, zu beschäftigen.

Manche Städte liegen sehr nah bzw. direkt auf einem sogenannten monogenetischen Feld. In der Nähe von Neapel gibt es ein Vulkanfeld, die Phlegräischen Felder, wo sich das Auftreten von Vulkanen häuft, viele Landschaftsformen an frühere vulkanische Aktivität erinnern und immer noch kleinere Vulkankegel entstehen können. In solchen Fällen wäre es wichtig zu wissen, wo ggf. Lava austreten könnte. Wie muss man sich so einen Ausbruch vorstellen? Welche Folgen kann so ein Austritt haben?

Rivalta: Zunächst einmal sind monogenetische Ausbrüche keineswegs selten, sondern eigentlich recht normal. Selbst bei „regulären“ Vulkanen wie dem Ätna oder auf Hawaii kommt es nicht selten zu Eruptionen, die sich im unteren Bereich des Hanges und nicht auf dem Gipfel ereignen. Man darf sich das wie einen Riss vorstellen, vielleicht ein paar hundert Meter lang und einen halben Meter breit, der sich manchmal sprichwörtlich einfach im Hinterhof von jemandem öffnet, und aus dem Lava langsam, aber auch als Fontäne oder sogar explosionsartig austreten kann. Daraus formen sich je nachdem ein oder mehrere Auswurfskegel oder ein Krater. Die Folgen hängen dann vor allem vom Ausmaß der Explosivität ab: Wenn die Lava langsam austritt, dann verlieren eventuell manche Menschen ihr Zuhause, aber wahrscheinlich wird niemand ums Leben kommen. Wenn die Eruption explosionsartig ist, ist sie weitaus gefährlicher, und es kann schwierig werden, ihr zu entkommen. Auch können dann die Auswirkungen auf die Infrastruktur recht bedeutend sein.

Wie kann man die Ausbruchsorte in den Campi Flegrei eingrenzen? Wie gehen die Forscher*innen dabei vor?

Rivalta: Im Bereich der Campi Flegrei, eine Einsturzcaldera mit einem Durchmesser von ca. 15 Kilometern, sind etwa 80 kleinere „Krater“ und Auswurfskegel verzeichnet, die uns vermitteln, wo sich in der Vergangenheit Ausbruchsrisse gespaltet haben. Ihre Verteilung ist nicht gleichmäßig, sondern es finden sich hier und da Häufungen. Die Wissenschaft hat ausgefeilte statistische Techniken entwickelt, um hauptsächlich auf Grundlage der 80 zugänglichen Schlote eine räumliche Dichte zu definieren. Wir haben einen Ansatz entwickelt, mit dessen Hilfe wir feststellen wollen, warum sich diese Schlote als Folge der wirkenden Kräfte – also mechanisch – dort befinden, wo sie sich befinden. Wir hoffen, dass diese Methode sämtliche Tests besteht und sich als vorteilhaft gegenüber rein statistischen Methoden erweisen wird. Wir arbeiten an diversen Tests und Anwendungen.

Die Karte zeigt die Phlegräischen Felder (Campi Flegrei) westlich der Stadt Neapel. Die historischen Eruptionen sind auf einer Zeitleiste dargestellt. Grafik: Wissensplattform Erde und Umwelt, eskp.de CC BY 4.0

Wie gut kann der Ansatz auf andere monogenetische Felder oder Vulkangebiete übertragen werden? Könnte Ihre Vorhersagemethodik auch in Deutschland eingesetzt werden, zum Beispiel in der Eifel? Oder ist der Einsatz an bestimmte Bedingungen geknüpft?

Rivalta: Dieses Konzept lässt sich auf all solche Fälle anwenden, in denen eruptive Prozesse dazu neigen, neue Schlote zu bilden anstatt den zentralen Vulkanschlot zu nehmen. Die Eifel könnte ein großartiges Anwendungsgebiet sein, wir ziehen das bereits in Erwägung. Es gibt keine spezifischen Vorbedingungen, abgesehen davon, dass über das betreffende Gebiet möglichst viele Daten und Informationen vorliegen sollten: ehemalige Schlote sollten verzeichnet und datiert sein, die tektonische und topographische Geschichte des Gebietes sollte möglichst bekannt sein, und im Idealfall sollten weitere Informationen vorliegen, einschließlich Bohrlochdaten jeder Art. Seismische Tomographien, seismische Verzeichnisse, magneto-tellurische Untersuchungen, Informationen über den Herdmechanismus, strukturgeologische Untersuchungen usw.. All das sollte in ein Belastungsmodell eingebracht werden, das mit der Lage der ehemaligen Schlote zu den Zeiten, in denen sie ausbrachen, übereinstimmt.

Wie wichtig ist bei der Berechnung das Gewicht eines Vulkans?

Rivalta: Es ist sehr wichtig, da es oft die Hauptquelle der Belastung darstellt. Dies betrifft die Verteilung des Gewichtes über das vulkanische Gebilde im gesamten Bereich, einschließlich der Fälle, in denen Gewicht fehlt, z.B. aufgrund einer Caldera oder sektoraler Einbrüche.

Ab wann, denken Sie, kann der Ansatz zur Vorhersage von Ausbruchsorten zur Unterstützung von Politik und Behörden eingesetzt werden?

Rivalta: Wir befinden uns noch in einer sehr frühen Entwicklungsphase, doch wenn die entsprechenden Mittel bereitstehen und ein breiteres Interesse besteht, könnte es in wenigen Jahren soweit sein. Wenn eine Gruppe von Wissenschaftlern ihre Kräfte vereint, um die Methode weiterzuentwickeln und in mehreren Gebieten auszuprobieren, und dann das dabei Gelernte in den Prozess einbringt, dann kann das sehr schnell gehen. Hoffentlich werden wir Interesse wecken und dazu kommen.

Direkt dazu im Anschluss: Ist ein Ausbruch denkbar, wie er in dem bekannten Naturkatastrophenfilm Volcano (USA, 1997) als Aufhänger für eine gewohnt actionreiche Hollywood-Handlung gezeigt wird? In dem Film geht es um einen Vulkanausbruch mitten in Los Angeles.

Rivalta: Mitten in Los Angeles ist kein Ausbruch denkbar, denn dort befinden sich nirgendwo jüngere Vulkanschlote. Doch es gibt überall auf der Welt diverse Stellen mit jüngeren eruptiven Schloten, die lediglich Vulkanolog*nnen bekannt sind und nicht Laien. Man kann sie auf Karten finden, zum Beispiel auf der Karte des Smithsonian Volcanism Program in Washington D.C.. Dort sind sämtliche, in den letzten zehntausend Jahren aktive Vulkane (mit Ausnahme sehr abgelegener Gebiete) durch Flaggen gekennzeichnet. Um diese Vulkane herum ist es prinzipiell möglich, dass sich eruptive Spalten öffnen, auch mitten in einer Stadt, z.B in Auckland in Neuseeland.

Frau Dr. Rivalta, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.

Referenzen

  • Rivalta, E., Corbi, F., Passarelli, L., Acocella, V., Davis, T. & Di Vito, M. A. (2019). Stress inversions to forecast magma pathways and eruptive vent location. Science Advances, 5(7):eaau9784. doi:10.1126/sciadv.aau9784

Weiterführende Informationen

  • Kandarr, J. (2020). Monogenetischer Vulkanismus und Großstädte: Wo und wann bleibt ein Rätsel. In D. Spreen, J. Kandarr, P. Klinghammer & O. Jorzik (Hrsg.), ESKP-Themenspezial Vulkanismus und Gesellschaft. Zwischen Risiko, Vorsorge und Faszination (S. 26-33). Potsdam: Helmholtz-Zentrum Potsdam, Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ. doi:10.2312/eskp.2020.2.1.4
  • Walter, T. (2018, 27. Juni). Zivilisation meets VEI-7 Eruption: Die Menschheit ist schlecht aufgestellt. Earth System Knowledge Platform [www.eskp.de], 5. doi:10.2312/10.2312/eskp.026

DOI
https://doi.org/10.2312/eskp.2020.2.3.2

Zitiervorschlag: Rivalta, E. (2020). Wo genau können neue Vulkane entstehen? In O. Jorzik, J. Kandarr, P. Klinghammer & D. Spreen (Hrsg.), ESKP-Themenspezial Vulkanismus und Gesellschaft. Zwischen Risiko, Vorsorge und Faszination (S. 51-53). Potsdam: Helmholtz-Zentrum Potsdam, Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ. doi:10.2312/eskp.2020.2.3.2