Geothermie
Superkritische Geothermal-Systeme: Energienutzung in vulkanischen Gebieten
- Seit den späten 1980er Jahren findet die Erschließung von superkritischen Geothermalsystemen in vulkanischen Gebieten auf der ganzen Welt statt.
- Im isländischen Tiefbohrprojekt „Iceland Deep Drilling Projekt“ wurde 2017 mit der tiefsten geothermischen Bohrung der Welt bis in 4,5 Kilometer Tiefe ein Meilenstein erreicht.
- Die Energieausbeute bei diesen Bohrungen ist hoch. Viele Kraftwerke in Island können rund 4 bis 10 Megawatt Elektrizität pro Bohrloch produzieren.
Ein sogenanntes superkritisches Geothermalsystem (SCGS – Supercritical Geothermal System) ist eine Gesteinsformation unter der Erdoberfläche, in der Druck und Temperatur der in den Gesteinsporen vorhandenen Flüssigkeit über dem kritischen Punkt liegen, einem Punkt jenseits dessen eine Unterscheidung zwischen flüssiger und gasförmiger Phase eines Stoffes nicht mehr möglich ist. In einem Druck-Temperatur-Diagramm definiert die Phasen-Gleichgewichtskurve für eine Flüssigkeit die Trennung zwischen flüssigem und gasförmigem Zustand: Jenseits des kritischen Punkts jedoch verschwindet die Unterscheidung zwischen den Phasen und das Fluid ist homogen (Landau & Lifshitz, 1980). Für Wasser liegt dieser kritische Punkt bei einem Druck von 220,64 bar und einer Temperatur von 373,95 °C, während er für Kohlendioxid bei 73,77 bar und 30,98 °C liegt.
In der Regel werden als superkritische Geothermalsysteme solche Vorkommen bezeichnet, in denen Wasser als Formationsfluid zirkuliert. In einem technischen Sinne können aber auch geothermische Systeme superkritisch sein, in denen Kohlendioxid unter den entsprechenden Bedingungen künstlich in Umlauf gebracht wird (Brown, 2000). Im Folgenden konzentrieren wir uns ausschließlich auf superkritische Geothermalsysteme, die auf Wasser basieren. Hierbei bilden sich konvektive Zellen aus strömendem Fluid im Untergrund v.a. in der Nähe magmatischer Intrusionen, also dort wo heißes Magma in Gesteinskörper eindringt. Diese kühlen ab und übertragen die Wärme an die umgebenden Porenfluide (Norton & Knight, 1977), die dadurch ihrerseits den kritischen Punkt überschreiten können.
In den späten 1980er Jahren wurden superkritische Fluide im geothermischen Feld von Nesjavellir in Island beobachtet, einem Standort, der für die Versorgung der Stadt Reykjavik mit Fernwärme ausgebaut wurde (Staingrimsson et al., 1990). Seit dieser Zeit ist die Erschließung von superkritischen Geothermalsystemen stark mit geothermischen Hochtemperaturfeldern auf der ganzen Welt verbunden, die in vulkanischen Gebieten zu finden sind. Dazu zählen: Larderello und Campi Flegrei in Italien, die Krafla-, Reykjanes- und Hengill-Felder in Island, Kakkonda in Japan, The Geysers und Salton Sea in den USA, das Los-Humeros-Feld in Mexiko, Menegai in Kenia und das Taupo-Vulkangebiet in Neuseeland (Reinsch et al., 2017).
Zu den wegweisenden Projekten gehören weltweit das Japan-Beyond-Brittle-Projekt, das „Iceland Deep Drilling Project“ und das „Hotter and Deeper“-Projekt in Neuseeland. Große internationale Kooperationsprojekte wie GEMex und DESCRAMBLE bilden das große Interesse an Tiefbohrprojekten ab.
All diese Projekte haben nicht nur unser Wissen erweitert, sie haben auch technologische Grenzen überwunden. Im isländischen Tiefbohrprojekt „Iceland Deep Drilling Projekt“ wurde am 25. Januar 2017 mit der tiefsten geothermischen Bohrung der Welt bis in 4,5 Kilometer Tiefe vorgestoßen und damit ein außerordentlicher Meilenstein erreicht (Friðleifsson et al., 2020). Druck und Temperatur der Flüssigkeit überschritten den kritischen Punkt, wobei die Temperatur des Fluids auf 535 °C geschätzt wird. Aber was genau macht superkritische Geothermalsysteme so attraktiv? Wo stehen wir in Sachen Machbarkeit und welche Risiken gehen mit der Nutzung solcher Systeme einher? Im Folgenden versuchen wir, einige Antworten auf diese Fragen zu geben.
Vorteile superkritischer Geothermalsysteme
In geothermischen Hochtemperatur-Kraftwerken werden heiße und unter Druck stehende Fluide aus dem tiefen Untergrund empor gefördert, um mit Hilfe von Dampfturbinen oder anderen, an Generatoren angeschlossenen Wärmekraftmaschinen Strom zu erzeugen. Wie viel elektrische Energie aus einem solchen Kraftwerk gewonnen werden kann, hängt in erster Linie von zwei Faktoren ab: der Menge pro Zeit, mit der das geothermische Fluid aus der Tiefenlagerstätte gefördert wird, sowie dessen Energiegehalt. Letzterer hängt wiederum vom Druck und der Temperatur des Fluids ab und wird ausgedrückt durch eine thermodynamische Größe, die Enthalpie (Wärmeinhalt, gemessen in Joule) genannt wird.
Fluide über dem kritischen Punkt haben bezogen auf ihre Masse eine deutlich höhere Enthalpie und können so potenziell mehr Strom erzeugen. Viele Kraftwerke in Island können rund 4 bis 10 Megawatt Elektrizität pro Bohrloch produzieren. Dabei nutzen sie Fluide, die eine Temperatur von bis zu 340 °C aufweisen. Wenn während der Nutzung eines superkritischen Geothermalsystems entlang des Bohrloches überhitzter Dampf direkt aus superkritischen Formationsfluiden durch adiabatische Expansion – d.h. unter möglichst vollständiger Nutzung der Wärme – produziert würde, dann wird geschätzt, dass ein solches System auf 50 Megawatt pro Bohrloch käme (Friðleifsson et al., 2014). Dies entspräche einer Verzehnfachung der Stromerzeugung.
Die Nutzung superkritischer Geothermalsysteme kann einen enormen wirtschaftlichen Vorteil bergen, soviel ist klar. Doch das Augenmerk lediglich auf die Steigerung der Energieausbeute zu legen, erzählt nicht die ganze Geschichte. Superkritische Geothermalsysteme können im Vergleich zu traditionellen Hochtemperaturbohrungen eine viel geringere Umweltbelastung pro Megawatt produzierter Elektrizität mit sich bringen (Elders et al., 2014). Sie sind somit eine sauberere und leistungsfähigere potenzielle Quelle für erneuerbare Energie.
In einer klassischen geothermischen Lagerstätte wird das Fluid aus Grundwasserleitern gefördert. Langfristig verursacht die Energiegewinnung aus klassischen Lagerstätten Druckverluste und die förderbare Fluidmenge im Reservoir reduziert sich mit der Zeit, da meist weniger Fluid nachströmt als gefördert wird. Das führt letztlich zu Verlusten in der Produktivität und begrenzt die Förderdauer auf absehbare Zeit. Um geothermische Anlagen trotz der anfänglich hohen Investitionskosten wirtschaftlich attraktiv halten zu können, muss eine ausreichende Lebensdauer für einen entsprechenden Return-on-Investment (ROI, Kapitalrendite) gewährleistet sein. Vor diesem Hintergrund ist es oftmals sinnvoll, abgekühlte Fluide erneut in den Grundwasserleiter zu injizieren, um das Gleichgewicht wiederherzustellen (Majer & Peterson, 2007). Werden in vulkanischen Gebieten die tieferen Bereiche eines Reservoirs − d.h. drei Kilometer und tiefer − genutzt, also dort, wo superkritische Fluide vorhanden sein können, kann das zu einer längeren Lebensdauer geothermischer Reservoire beitragen. Denn dadurch wird eine Erholung der weniger tief liegenden Vorkommen ermöglicht.
Wissenschaftliche und technologische Herausforderungen
Die großen Vorzüge superkritischer Geothermalsysteme haben dazu geführt, dass diese inzwischen viel Aufmerksamkeit von Wissenschaftler*innen und Ingenieur*innen auf sich ziehen. Jedoch ist weder ihre industrielle Reife noch unser Verständnis ausreichend weit gediegen, um eine weite Verbreitung dieser Technologie zu ermöglichen.
Viele der großen Herausforderungen im Zusammenhang mit der Nutzung superkritischer Geothermalsysteme sind den vorherrschenden hohen Temperaturen geschuldet. Geothermische Ressourcen im Untergrund müssen zunächst erst einmal genau lokalisiert werden. Dies ist bereits eine komplexe Aufgabe. Wenn Daten zu superkritischen Geothermalsystemen in den vulkanischen Gebieten gesammelt werden müssen, dann stellen die hohen Drücke und Temperaturen, die in großer Tiefe herrschen, bestehende Erkundungsmethoden vor große Herausforderungen. Folglich muss die Entscheidung darüber, auf welche Bereiche Bohrungen im Untergrund genau abzielen, oft auf geophysikalischen Methoden (Agostinetti et al., 2017) beruhen, d.h. seismischen und magnetischen Untersuchungen. Computer-Simulationen (Scott et al., 2015) stützen diese Untersuchungen und sind eine zusätzliche Hilfe bei der Lokalisierung superkritischer Fluide in der Tiefe. Die vielleicht wertvollsten Informationen stammen in der Regel aus Erfahrungen und Wissen, welches man bei Bohrungen im gleichen Gebiet an bereits aktiv genutzten geothermischen Feldern gesammelt hat. So wurde das Bohrziel des Iceland Drilling Projekts (IDDP-2) durch die Vertiefung eines bereits bestehenden Bohrloches in einem schon bekannten Reservoir auf der dortigen Reykjanes-Halbinsel erreicht (Friðleifsson et al., 2020).
Ist ein Bohrziel einmal bestimmt, dann bleiben Bohrungen in solche superkritischen Geothermalsystemen eine anspruchsvolle Aufgabe. Es braucht erfahrene Geräte-Betreiber, die sich mit dem Bohren in großer Tiefe von vulkanischen Gebieten auskennen (Friðleifsson et al., 2020) – also Tiefen, in denen das Zusammenspiel von Druck, Temperatur und hochkorrosiven Flüssigkeiten die Leistung selbst modernster Bohrgeräte auf eine enorme Probe stellt. Säurehaltige Flüssigkeiten greifen jede Art von Metallen an und lassen diese korrodieren. Dabei handelt es sich um ein Problem, das im gesamten Lebenszyklus einiger geothermischer Felder auftritt (Elders et al., 2014). In Geothermalsystemen mit hohen Temperaturen wird dieses Problem durch die mit der Temperatur zunehmende Neigung zur Reaktivität der im Thermalwasser gelösten Stoffe noch verschärft.
Sobald ein Bohrloch fertiggestellt ist, müssen die heißen Fluide gefördert werden, um letztendlich Energie aus dem tiefen Reservoir zu gewinnen. Der Erfolg der Gewinnung dieser Fluide hängt stark von den strukturellen und dynamischen Eigenschaften der Porenräume und der vorhandenen Klüfte im Gestein ab, insbesondere von deren Volumen und Vernetzung untereinander. Obwohl das Verhalten von Klüften und Gesteinsporen im Hochtemperaturumfeld immer noch nicht ausreichend verstanden ist, sind vermutlich selbst unter superkritischen Bedingungen Gesteinsklüfte für die Zirkulation von Fluiden hinreichend durchlässig (Watanabe et al., 2017). Gleichzeitig ist das Gestein vermutlich so brüchig und spröde, dass es eine ausreichende Dichte an Klüften geben kann (Parisio et al., 2019b). Diese beiden Ergebnisse werden durch Erkenntnisse gestützt, die während der IDDP-2-Bohrung in Island (Friðleifsson et al., 2020) gesammelt wurden: Alle Fluide entwichen aus einem Bohrloch, was darauf hindeutet, dass es sich um eine stark zerklüftete und durchlässige Gesteinsmasse handelte.
Wenn eine Gesteinsmasse mit geringer Durchlässigkeit in traditionellen geothermischen Systemen angetroffen wird, wird häufig eine hydraulische Stimulation durchgeführt. Hierbei wird Fluid unter hohem Druck in das Bohrloch gepumpt, wodurch bestehende Risssysteme geöffnet werden können oder neue Risse im Gestein entstehen. Dieses Vorgehen dient dem Zweck, das System so zu verbessern, dass es eine für den Betrieb ausreichende Fluidzirkulation erlaubt. Es ist bei Weitem noch nicht sicher, ob oder wie solche Methoden in superkritischen geothermischen Systemen angewendet werden können. Aber dieses Wissen könnte sich für die Nutzung als entscheidend erweisen.
Interessanterweise gibt es inzwischen Hinweise darauf, dass man möglicherweise eine hydraulische Stimulation anwenden könnte, um die Durchlässigkeit in SCGS zu erhöhen (Watanabe et al., 2019). Diese Beobachtungen haben zum Projekt HIGHER und einer Zusammenarbeit zwischen den Autoren dieses Artikels und einer Forschungsgruppe der japanischen Tohoku-Universität geführt. Ziel des Projektes ist es zu untersuchen, ob eine solche hydraulische Stimulation in SCGS möglich ist.
Risiken, die auftreten können
Die Nutzung superkritischer geothermischer Systeme ist prinzipiell nicht ohne Risiko. Einige dieser Risiken sind typisch für vulkanische Umgebungen. Dazu zählen zum Beispiel natürliche oder induzierte seismische und eruptive Risiken sowie andere, die mit Umweltauswirkungen verbunden sind. Der Zusammenhang zwischen geothermischer Nutzung und vulkanischen Eruptionen ist ein noch nicht hinreichend untersuchtes Forschungsgebiet. Dies liegt wahrscheinlich daran, dass es in der Tat äußerst selten vorkommt, dass eine Eruption durch den aktiven Betrieb geothermischer Kraftwerke in den betreffenden Gebieten ausgelöst worden ist.
Auf Island wurde jedoch eine kleine magmatische Eruption in Verbindung mit einem geothermischen Bohrloch dokumentiert (Larsen et al., 1979), obwohl sie nicht durch eine geothermische Nutzung verursacht wurde. Ein weiteres Beispiel ist der Ausbruch des indonesischen Schlammvulkans Lusi, der im Jahr 2006 begann, und für die Vertreibung von 39.700 Menschen verantwortlich ist. Er verursachte bisher einen geschätzten Schäden von über 2,7 Milliarden US-Dollar. Der Ursprung der Katastrophe war Gegenstand einer intensiven wissenschaftlichen Debatte. Einige Forschende klassifizierten die Eruption als Naturereignis (Lupi et al., 2013). Andere Forschende schrieben die Verantwortung Gasbohrungen in der näheren Umgebung zu (Tingay et al., 2015).
Hydrothermale Explosionen sind bei SCGS unwahrscheinlich: Meist werden sie durch eine schnelle spinodale Entmischung verursacht, also die schlagartige Aufteilung eines Stoffes in unterschiedliche Phasen. Diese sind jedoch jenseits des kritischen Punktes physikalisch unmöglich. Abgesehen davon finden hydrothermale Explosionen meist in geringerer Tiefe statt (Bixley & Browne, 1988), da das Gewicht der darüberliegenden Gesteinsmasse wie eine Schutzkappe gegen potentielle Explosionen wirkt. Dennoch sollten die Risiken der Entwicklung von SCGS in sehr aktiven vulkanischen Gebieten, in denen eruptive Ereignisse mit großer Häufigkeit stattfinden, sorgfältig evaluiert werden.
Konkretere Risiken sind mit der Möglichkeit menschengemachter Erdbeben während geothermischer Operationen verbunden (Trugman et al., 2016). Sie können im Zusammenhang mit vielen Technologien vorkommen, in denen Flüssigkeiten in den Untergrund eingebracht oder an die Erdoberfläche transportiert werden.
Diese sogenannte induzierte und ausgelöste Seismizität in geothermischen Reservoiren ist eine Folge zweier Prozesse: einerseits von Druckänderungen aufgrund der erzwungenen Zirkulation von Fluiden durch den Untergrund und andererseits durch die Abkühlung des Gesteins, wenn die gekühlte Flüssigkeit wieder zurückinjiziert wird, nachdem ihre Wärme durch das Kraftwerk gewonnen wurde.
Induzierte Erdbeben können während des Bohrens (Friðleifsson et al., 2020), der Stimulation (Ellsworth et al., 2019) und/oder der langfristigen Ausbeutung der Lagerstätte auftreten (Parisio et al., 2019a). Die Auswirkungen für SCGS sind jedoch immer noch nicht in vollem Umfang bekannt, da die derzeitigen Erfahrungen vor allem auf IDDP-2-Bohrungen fußen, bei denen die Häufigkeit von Erdbeben kleiner Stärke während des Bohrens zunahm (Friðleifsson et al., 2020).
Die Rückinjektion kalter Flüssigkeiten, um Produktivitätsverluste auszugleichen, führt bekanntermaßen zu mehr Seismizität (Bentz et al., 2019). In diesem Zusammenhang ist bei SCGS der Abkühlungskontrast aufgrund der Hochtemperaturumgebung stärker ausgeprägt und erhöht das Risiko, Erdbeben auszulösen (Parisio et al., 2019a). Induzierte Seismizität birgt dementsprechend auch wirtschaftliche Risiken, die während der gesamten Lebensdauer eines geothermischen Feldes bestehen: die Erhöhung der Frequenz und des Ausmaßes von induzierten Erdbeben könnte die geothermische Operationen aufgrund fehlender öffentlicher Akzeptanz gefährden und schließlich ganz zu deren Abbruch führen.
Andere Risiken stehen damit im Zusammenhang, dass die SCGS immer in der Nähe vulkanischer Systeme liegen, sodass auch eine direkte Bohrung in das Magma nicht ausgeschlossen werden kann. Der IDDP-1-Brunnen in Krafla auf Island ist in zwei Kilometern Tiefe auf eine magmatische Tasche gestoßen und die Bohrungen mussten kurz danach gestoppt werden (Elders et al., 2014). Ganz allgemein ist das Vorantreiben der Technologie in einer unmittelbar magmatischen Umgebung eine relativ neue Idee und alle potenziellen Risiken müssen sorgfältig bewertet werden.
Weltweiter Ausblick, politische Dimension und gesellschaftliche Rolle
Die Erzeugung von Energie mit SCGS ist derzeit nur in vulkanischen Gebieten möglich. Dort schaffen junge magmatische Intrusionen eine Hochtemperaturumgebung, die für das Vorhandensein superkritischer Fluide Bedingung ist. In der Erdkruste geschieht dies an einer Grenze, die in etwa fünf Kilometern Tiefe liegt und mit aktuellen Bohrtechnologien erreicht werden kann.
In nicht-vulkanischen Gebieten, unter der Annahme eines durchschnittlichen geothermischen Gradienten von 30 Kelvin pro Kilometer, konnten überkritische Flüssigkeiten in einer Tiefe von etwa 13 bis 15 Kilometern gefunden werden. Der geothermische Gradient beschreibt den Temperaturanstieg mit zunehmender Tiefe. Der durchschnittliche geothermische Gradient liegt bei 30 Kelvin pro Kilometer, das entspricht 3°C pro 100 m. In der Zukunft, wenn Verbesserungen in der Bohrtechnik es uns erlauben würden, eine solche Tiefe zu erschwinglichen Kosten zu erreichen, könnte SCGS vielleicht zu einer nachhaltigen Energiequelle werden, die weltweit verfügbar ist.
Aber auch hier würden neue Herausforderungen entstehen, da in dieser Tiefe noch große Unsicherheiten über die Struktur der Erdkruste bestehen. So könnte die geringe Durchlässigkeit der Kruste ein wahrscheinlicher Engpass sein.
Deutschland hat eine starke Position in der internationalen SCGS-Forschung, die sich ganz wesentlich auf eine lange Tradition der Erforschung geothermischer Systeme und der Vulkanologie stützt. Es bestehen zudem Kooperationen mit Forschungsinstituten und Unternehmen in Island, Italien, Mexiko, Japan, Indonesien, um nur einige zu nennen.
Die Forschung an der Thematik SCGS ist eng verknüpft mit geowissenschaftlichen Disziplinen wie der Vulkanologie. Künftige Kooperationen sollten darauf ausgerichtet sein, stärkere Verbindungen zwischen der ingenieurswissenschaftlichen Forschung zur Geothermie und der vulkanologischen Forschungsgemeinschaft aufzubauen. Beide Bereiche könnten sowohl zu gemeinsamen Forschungsprojekten beitragen als auch direkt von ihnen profitieren.
Öffentliche Investitionen können die grundlegende und angewandte Forschung stärken, um technologische und industrielle Reife auf diesem Gebiet voranzutreiben. Die wissenschaftliche Gemeinschaft muss eine Führungsrolle bei der Entwicklung und Bereitstellung erneuerbarer, treibhausgas- und risikoarmer Energiequellen für den Übergang zu einer sauberen und nachhaltigen Energieversorgung einnehmen.
Wissenschaftliche Erkenntnisse werden eine grundlegende Voraussetzung im Kampf gegen den Klimawandel sein. Nach Meinung der Autoren, die auch ein aktiver Teil der Gesellschaft sind, kann nur eine bessere Wissenschaft, die auch besser vermittelt wird, die Risiken von SCGS objektiv ermitteln und die Öffentlichkeit über die Vor- und Nachteile informieren, um es ihr zu ermöglichen, informierte und auf rationalen Überlegungen gestützte Entscheidungen zu treffen. Aspekte der Sicherheit müssen dabei offen adressiert werden. Wenn Risiken bestehen, müssen diese offen kommuniziert und mit der Öffentlichkeit diskutiert werden.
Rechenschaftspflicht und Zuverlässigkeit von Wissenschaftlern, politischen Entscheidungsträgern und Betreibern aus der Wirtschaft sind Schlüsselkomponenten für den Aufbau einer angemessenen Sicherheitskultur, die das Vertrauen der Bürger verdient.
Die Nutzung vulkanischer Systeme zum Zwecke der Energieversorgung ist ein großes Unterfangen, das zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Italien seinen Anfang nahm und welches jetzt ganz neue Wege aufzeigt, die Energie, die die Erde zur Verfügung stellt, mit all ihren Potenzialen zu nutzen. Der Weg dorthin ist lang und voller Hindernisse, aber vulkanische Systeme könnten in den kommenden Jahrzehnten zu einem wichtigen Verbündeten im Kampf gegen den Klimawandel werden.
Referenzen
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