Frühwarnung und Monitoring

High-Tech-Einsatz beim Vulkanmonitoring

Bei der Überwachung von Vulkanen kommen modernste Methoden zum Einsatz, um den Aktivitäten im Untergrund auf die Spur zu kommen. Durch Satellitenüberwachung aus dem Weltall können beispielsweise wertvolle Daten gewonnen werden, die sich mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz auswerten lassen.

Text: Oliver Jorzik

Earth System Knowledge Platform | ESKP

Fachliche Durchsicht: Dr. Stefan Bredemeyer

GEOMAR – Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel

sowie Edgar Zorn

Helmholtz-Zentrum Potsdam, Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ

  • Neben klassischen bodenbasierten Instrumenten wie zum Beispiel Seismometern gewinnt beim Vulkanmonitoring zunehmend die Beobachtung aus dem All per Satellit an Bedeutung.
  • Der Vorteil der Fernerkundung ist die großflächige Überwachung von Vulkanen nach einheitlichen Standards. Satelliten liefern entscheidende Daten, wenn die Überwachung am Boden eingeschränkt ist oder ganz fehlt.
  • Die Menge an Daten, die bei Langzeitbeobachtungen vom Weltraum aus anfallen, wird zunehmend durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) bewältigt.

Das Monitoring von Vulkanen ist auf eine Fülle an Echtzeitdaten angewiesen. Es geht darum, Erdbeben selbst im tiefen Untergrund zu erfassen, Bodenbewegungen zu erkennen oder austretende Vulkangase aufzuspüren. Darüber hinaus befasst sich das Vulkanmonitoring mit der Chemie von Gesteinen und Wasser oder misst durch Flugzeuge oder Satelliten Veränderungen an der Vulkanoberfläche. Im Folgenden werden einige wichtige Überwachungsarten im Überblick vorgestellt.

Einsatz von Vulkanobservatorien

Bei Vulkanobservatorien handelt es sich in der Regel um nationale Einrichtungen, die speziell dazu dienen, die Vor-Ort-Beobachtung von besonderen Gefährdungsgebieten zu koordinieren und aufbauend auf den Beobachtungsdaten Risikoanalysen zu erstellen. Im Zentrum steht dabei traditionell der Einsatz von bodenbasierten Instrumenten zur Feldmessung oder In-situ-Messungen. Diese Instrumente sind in der Regel direkt in den aktiven Vulkangebieten installiert. Dazu zählen u.a.:

  • Seismometer: Dieses Gerät – auch Seismograph genannt – zeichnet Bodenerschütterungen auf. Es dient der Erfassung von seismischen Wellen und Erdbeben. Es besteht aus einer an einer Federaufhängung gelagerten Masse. Die Bodenerschütterung überträgt sich dabei auf das Gehäuse des Messinstrumentes, allerdings bleibt die aufgehängte Masse aufgrund ihrer Trägheit ungestört. Die Relativbewegung des Bodens wird dann als Längenänderung im Laufe der Zeit aufgezeichnet. Mit Seismometern lassen sich Bodenbewegungen, Erschütterungen, die Stärke von Erdbeben oder ihre zeitliche und räumliche Verteilung erfassen. Dadurch lässt sich auch das Epizentrum eines Erdbebens lokalisieren. Wenn sich im Untergrund eines Vulkangebiets Erdbeben häufen, kann dies ein Indiz für einen möglichen Ausbruch sein. Diese Beben können dann entstehen, wenn zähflüssiges Magma bricht oder Gestein um das Magma herum aufgeheizt wird und sich dann ruckartig verschiebt. Durch Seismometer-Messungen können in bestimmten Fällen die physikalischen Eigenschaften des Magmas abgeschätzt werden oder sich Hinweise darauf ergeben, wie der Körper des Magmas strukturiert ist.
  • Tiltmeter: Ein Tiltmeter ist ein Neigungsmesser, der ähnlich einer Wasserwaage selbst kleinste Änderungen in der Ausrichtung der Oberfläche messen kann. Während die Geräte früher rein mechanisch funktionierten, arbeiten sie heute mit elektronischen Sensoren, die eine hohe Winkelgenauigkeit haben. Wenn sich im Untergrund das Magma bewegt, aufsteigt oder sich die Magmakammer füllt bzw. leert, kann es zu Hebungen bzw. Senkungen an der Vulkanoberfläche kommen. Entsteht daraus eine veränderte Hangneigung, kann diese vom Tiltmeter erfasst werden.
  • GNSS-Stationen: Deformationen des Vulkangebäudes können auch mittels sogenannter GNSS-Sensoren festgestellt werden (GNSS = Global Navigation Satellite System). GNSS-Stationen können über Jahre hinweg kleinste Bewegungen im Millimeter-Bereich an Vulkanen feststellen. Dadurch lässt sich erkennen, ob sich die Oberfläche eines Vulkans ausdehnt oder absenkt. Diese Informationen ermöglichen Rückschlüsse auf Bewegungen von Magma im Untergrund.
  • Radarinterferometrie: Damit lassen sich zwei- oder dreidimensionale Karten eines Vulkans erstellen, die ein zentimetergenaues Bild ermöglichen. Dazu wird mittels spezieller Sensoren das Gebiet aus zwei unterschiedlichen Positionen heraus aufgenommen. Die Differenz, die sich daraus ergibt, bildet die Basis für ein Geländerelief oder die dreidimensionale Darstellung des Vulkans. Die Aufnahmen, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten aufgenommen wurden, lassen sich vergleichen und dazu verwenden, Veränderungen der Erdoberfläche zu entdecken.
  • Gaschromatographen und Spektrometer: Wird ein Vulkan aktiv, können an verschiedenen Stellen der Oberfläche Gase austreten, die in der Regel überwiegend aus Wasserdampf, Kohlendioxid und Schwefeldioxid oder Schwefelwasserstoff  bestehen. Diese speziellen Austrittsstellen für die Gase heißen Fumarolen. Die Gase können vor Ort in speziellen Sammelbehältern eingefangen und dann im Labor in einem Gaschromatographen analysiert werden, um die chemische Zusammensetzung zu bestimmen. Etwas weniger gefährlich ist der Einsatz von UV-Spektrometern, wie sie am Deutschen GeoForschungsZentrum Potsdam GFZ sowie am GEOMAR in Kiel durch die dortige Vulkanüberwachungsgruppe verwendet werden. Sie dienen dazu, SO2-Emissionen von Vulkanen zu quantifizieren. Zum Einsatz kommen sogenannte IR-Spektrometer (auch IR-Spektrometer genannt). Sie dienen der optischen Gasanalyse und können als mobile oder fest installierte Geräte verwendet werden. IR-Spektrometer messen die Menge der Gasbestandteile in ihrem Sichtfeld. So können sich die Emissionsraten einzelner Gasspezies, oder die chemische Zusammensetzung der Vulkangase bestimmen lassen.
  • Temperaturmessungen: Die Temperaturmessung an einem Vulkan funktioniert nicht ganz so einfach wie bei einem Fieberthermometer. Die Messgeräte sind besonderen Herausforderungen ausgesetzt. Sie müssen eine Hitze von mehreren 100 Grad aushalten, da das Magma, wenn es im Vulkan aufsteigt, das darüber liegende Gestein stark aufheizt.  Zudem müssen die Temperaturmesser materialbeständig gegen die sauren, stark korrosiven Dämpfe und Gase sein. Begleitend zu den In-situ-Temperaturmessgeräten werden in der Vulkanforschung auch Wärmebildkameras eingesetzt.

Fernerkundung aus dem All

Die Fernerkundung mittels Satelliten vereinigt viele der bodenbasierten Messmethoden. So lassen sich mittels Radar-Interferometrie aus dem All Veränderungen an der Vulkanoberfläche feststellen, indem – zum Beispiel mithilfe des TerraSAR-X-Satelliten – aktuelle Radar-Aufnahmen mit früheren verglichen werden. Diese Daten bilden die Basis, um zum Beispiel Bodenhebungen oder -senkungen festzustellen. Es lassen sich durch Satelliten auch thermische Aufnahmen produzieren, die ein umfassendes Wärmebild der Oberfläche ermöglichen. Zusätzlich werden spektrometrische Satellitenmessungen eingesetzt, um die Gaszusammensetzung über Vulkanen zu erkennen.

Der Vorteil der Fernerkundung ist die großflächige Überwachung von Vulkanen nach einheitlichen Standards. Dies erhöht die Vergleichbarkeit der Erkenntnisse und verbessert die Aussagekraft über den Zustand eines Vulkans weiter. Zudem können auch Regionen überwacht werden, in denen die finanziellen Ressourcen für eine intensive Vor-Ort-Überwachung am Boden fehlen.

Weitere Fernerkundungsmöglichkeiten bieten Überflüge mit Flugzeugen; vermehrt kommen auch Drohnen zum Einsatz, die ebenfalls mit Kameras und Gassensoren ausgestattet sind. Dies minimiert die Risiken, die bei der Feldbeobachtung an aktiven Vulkanen für Forscherinnen und Forscher zwangsläufig entstehen. Ein beeindruckendes Beispiel für die Qualität der Bilder zeigt ein Drohnenflug über den Ambrym-Vulkan im Pazifik-Inselstaat Vanuatu (Silver Eye Films, 2016).

Drohnenflug über den Inselvulkan Ambrym, der zum Archipel von Vanuatu gehört. Er liegt ca. 2000 Kilometer östlich von Australien.

Einsatz Künstlicher Intelligenz

Bei der Vulkanbeobachtung fallen eine riesige Menge an Daten an. Mittlerweile wird daran gearbeitet, Satellitenbilder von Vulkanen mittels Künstlicher Intelligenz (KI) zu analysieren (Valade et al., 2019). Hierzu wurde am Deutschen GeoForschungsZentrum in Potsdam (GFZ) in dem Gemeinschaftsprojekt MOUNTS mit der TU Berlin bereits ein vielversprechender Versuch gestartet. Da die instrumentenbasierte Überwachung am Boden nicht nur technisch und personell sehr aufwendig ist und durch die große Anzahl an aktiven Vulkanen auch sehr kostenintensiv wäre, bietet sich hier möglicherweise eine wirksame Alternative zu den bisherigen Formen des Vulkan-Monitorings.

Die kontinuierliche Langzeitbeobachtung aus dem Weltraum ist beim Einsatz von Künstlicher Intelligenz ein wichtiger Schlüssel, um die Anzeichen geologischer Unruhe besser zu erkennen. Die Satelliten liefern entscheidende Daten, wenn die Überwachung am Boden eingeschränkt ist oder ganz fehlt. Oftmals werden Eruptionen von Vorläufersignalen begleitet. Diese können einige Stunden bis zu einigen Jahren dauern. Die Signale können Änderungen des seismischen Verhaltens, Bodenverformungen, Gasemissionen, ansteigende Temperaturen oder eine Kombination daraus umfassen. Durch ihre Erfassung im Rahmen des MOUNTS-Programms wird ein umfangreiches Verständnis verschiedener Prozesse in unterschiedlichen klimatischen und vulkanischen Umgebungen auf der ganzen Welt ermöglicht: von der Ausbreitung des Magmas unter der Oberfläche, über die Verteilung von vulkanischem Material während des Ausbruchs, bis hin zu den morphologischen Veränderungen der betroffenen Gebiete und der Emission von Gasen in die Atmosphäre. Die Forschenden testeten MOUNTS erfolgreich an Daten aktueller Ereignisse wie dem Ausbruch des Krakatau in Indonesien 2018 oder Ausbrüchen auf Hawaii und in Guatemala.

Mit Ausnahme der Seismizität können alle diese Phänomene vom Weltraum aus überwacht werden, indem man verschiedene Wellenlängen im elektromagnetischen Spektrum nutzt. Im Rahmen des Projekts MOUNT wurde die KI mit computergenerierten Bildern trainiert, die echten Satellitenbildern nachempfunden waren. Die Testergebnisse der MOUNTS-Früherkennungsplattform waren positiv und führten dazu, dass aktuell durch das Programm bereits 17 Vulkane weltweit überwacht werden.

Ein anderes Beispiel für das Zusammenspiel von Satellitentechnik und KI sind die GOES-R-Satelliten der NASA (Geostationary Operational Environmental Satellite-R Series). Sie ermöglichen es, die rasche Bildung und Ausdehnung von Vulkanwolken auch abgelegener Vulkane zu verfolgen. GOES-East und GOES-West beobachten einen erheblichen Teil des Pazifischen Feuerrings, d.h. die westlichen Teile Nord- und Südamerikas, Ostasiens, Indonesiens, Mikronesiens und Neuseelands. Sie können Hot-Spots und vulkanische Asche erkennen. Die Vulkanwolken und die Vulkanfahnen lassen sich mit den Messgeräten der Satelliten deutlich von dichten Wolken oder von Zirruswolken unterscheiden. Die Daten sind mit dem VOLcanic Cloud Analysis Toolkit (VOLCAT) verbunden. Bei VOLCAT handelt es sich um eine Anwendung der Künstlichen Intelligenz, die Warnmeldungen erzeugt, wenn ein Vulkanausbruch erfolgt ist. Das bedeutet, sie entdeckt Vulkanwolken und ist in der Lage, die Vulkanwolken automatisch zu verfolgen. Mit der Anwendung lässt sich zudem bestimmen, ob Asche in den Vulkanwolken vorhanden ist, wie groß das Ausmaß der Asche ist und welche Höhe die Aschewolken haben. Gerade für den sicheren Flugverkehr unterstützt das System Entscheidungsfindungen in Echtzeit. Nähere Informationen enthält das entsprechende Fact-Sheet „GOES-R Volcanic Ash Detection“.

Position von neuen Vulkanschloten vorhersagen

Am GeoForschungsZentrum in Potsdam werden weitere innovative Methoden entwickelt, um Ausbruchswahrscheinlichkeiten für diejenigen Vulkane zu erkennen, bei denen das Magma nicht direkt aus der Spitze des Vulkans schießt, sondern zunächst seitwärts drängt, nachdem es die unterirdische Magmakammer verlassen hat. Das Magma kann auf diese Weise Dutzende Kilometer zurücklegen. Wenn es dann die Erdoberfläche durchbricht, erzeugt das Magma einen oder mehrere Schlote oder gar lange Erdspalten, aus denen es – manchmal explosionsartig – austritt. Dieser Vorgang ließ sich beim Ausbruch des Vulkans Bárðarbunga in Island im August 2014 und beim Kīlauea auf Hawaii im August 2018 beobachten.

Ziel der neuen Forschungsansätze ist es, die Wanderung des Magmas im Untergrund nachzuvollziehen, bevor es die Oberfläche durchbricht. Damit soll das Risiko für umliegende Dörfer und Städte verringert werden. Aus statistischen Auswertungen und aktuellstem physikalischen Wissen über die Ausbreitung von Magma entstehen Modelle. In diese Modelle fließt auch Wissen über die Struktur und Geschichte des Vulkans ein. Diese Informationen werden mit vorhandenen Daten kombiniert, die vor Ort erhoben werden. Dann werden die Parameter des physikalischen Modells so lange abgestimmt, bis sie mit früheren eruptiven Mustern übereinstimmen. Als Folge entsteht ein Arbeitsmodell, um künftige Ausbruchsstellen vorherzusagen.

Der neue Ansatz schnitt bei Tests auf den Campi Flegrei bei Neapel gut ab und sagt nachträglich die Position von Schloten richtig voraus, die nicht zur Abstimmung des Modells verwendet wurden. Er soll künftig auch bei anderen Vulkanen funktionieren und so helfen, die Landnutzung in vulkanischen Gebieten besser zu planen und den Ort zukünftiger Eruptionen mit einer höheren Sicherheit als bisher vorherzusagen. Damit ließe sich zudem die Vorhersage von Lava- und pyroklastischen Strömen oder der Ausdehnung von Aschefahnen besser voraussehen.

Einen weiteren neuen Ansatz bietet die Überwachung von Vulkanen mittels Glasfaserkabeln und faseroptischen Messungen. Der Einsatz von Glasfasertechnik ermöglicht die Erkennung, Lokalisierung und Quantifizierung von Spannungen, die durch geophysikalische Prozesse entlang des Kabels erzeugt werden. Auf diese Weise lassen sich auch bisher unbekannte unterirdische Strukturen entdecken, dynamische Prozesse im Untergrund können noch besser abgebildet werden (Jousset et al., 2018).

Referenzen

  • GOES-R Volcanic Ash Detection. (2019, Juni). [Fact-Sheet] [www.goes-r.gov]. Aufgerufen am 15.04.2020.
  • Jousset, P., Reinsch, T., Ryberg, T., Blanck, H., Clarke, A., Aghayev, R., Hersir, G. P., Henninges, J., Weber & M., Krawczyk, C. M. (2018). Dynamic strain determination using fibre-optic cables allows imaging of seismological and structural features. Nature Communications, 9:2509. doi:10.1038/s41467-018-04860-y.
  • Silver Eye Films. (2016, 9. Oktober). Ambrym Volcano – Ambrym Island, Vanuatu [YouTube]. Abgerufen von www.youtube.com
  • Valade, S., Ley, A., Massimetti, F., D’Hondt, O., Laiolo, M., Coppola, D., Loibl, D., Hellwich, O. & Walter, T. R. (2019). Towards Global Volcano Monitoring Using Multisensor Sentinel Missions and Artificial Intelligence: The MOUNTS Monitoring System.Remote Sensing, 11(13):1528. doi:10.3390/rs11131528.

DOI
https://doi.org/10.2312/eskp.2020.2.7.2

Zitiervorschlag: Jorzik, O. (2020). High-Tech-Einsatz beim Vulkanmonitoring. In O. Jorzik, J. Kandarr, P. Klinghammer & D. Spreen (Hrsg.), ESKP-Themenspezial Vulkanismus und Gesellschaft. Zwischen Risiko, Vorsorge und Faszination (S. 144-148). Potsdam: Helmholtz-Zentrum Potsdam, Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ. doi:10.2312/eskp.2020.2.7.2