Frühwarnung und Monitoring

Konzepte für die Überwachung vulkanischer Seen

Nicht nur aktive Vulkane sollten kontinuierlich überwacht werden, auch von vulkanischen Seen können Gefahren ausgehen, die ein Monitoring notwendig machen. Wichtig zur Bewertung des Gefährdungspotentials und dem daraus resultierenden Risiko ist ein interdisziplinärer Monitoring-Ansatz. Hierzu gehören beispielsweise Verfahren zur Bestimmung von chemischen Parametern, Gasemissionen, der Wasser- wie auch Seebodentemperatur oder auch der Hangstabilität von Kraterflanken. Welche Parameter letztendlich entscheidend sind, hängt von den geologischen Gegebenheiten ab. Im Interview erläutert Dr. Egbert Jolie vom Deutschen GeoForschungsZentrum, auf was es beim Entwurf von Monitoring-Konzepten ankommt.

Interview mit Dr. Egbert Jolie

Helmholtz-Zentrum Potsdam, Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ

  • Ein geeignetes Monitoring vulkanischer Seen ist interdisziplinär und komplementär.
  • Bathymetrische Vermessungen, die den Seeboden bildlich darstellen, helfen Störungszonen auszumachen, an denen heiße Fluide aufsteigen können.
  • Seen, in denen sich vulkanische Gase über lange Zeit ansammeln können, sowie Kraterseen in aktiven Vulkanen, bei denen Magma in Kontakt mit Wasser kommen kann, sollten besonders gut überwacht werden.
  • Die entwickelten Verfahren haben Relevanz für die Geothermie-Branche, die zukünftig geothermische Ressourcen im Off-shore-Bereich erkunden möchte.

Wie unterscheidet sich die Überwachung eines vulkanischen Sees vom Monitoring eines Vulkans? Gibt es dabei grundlegende Unterschiede? Wenn ja, wovon sind diese abhängig?

Dr. Egbert Jolie: Grundsätzlich hat das klassische Monitoring von Vulkanen natürlich auch einen Nutzen für die Überwachung vulkanischer Seen. Mit verschiedensten Verfahren können beispielsweise die seismische Aktivität, die Deformation der Erdoberfläche oder die Aktivität von Fumarolen beobachtet werden. Dabei handelt es um Stellen, an denen heiße vulkanische Gase aus großer Tiefe austreten. Diese Informationen erlauben uns Rückschlüsse darauf, was unterhalb vulkanischer Seen passiert. Sobald man jedoch Messungen auf der Wasseroberfläche oder unter Wasser durchführen möchte, steht man vor ganz anderen logistischen Herausforderungen und benötigt zudem angepasste Mess- und Probenahmeverfahren.

Und welche Besonderheiten gibt es bei der Beobachtung vulkanischer Seen?

Jolie: Ein vulkanischer See kann zusätzliche Gefahren und Risiken in sich bergen, die den Einsatz weiterer Beobachtungsverfahren nötig machen. So können solche Seen Speicher für vulkanische Gase wie Kohlenstoffdioxid (CO2) oder Methan (CH4) sein. Diese sammeln sich in den Seen über längere Zeiträume an und können spontan durch Gasausbrüche, Hangrutschungen oder andere Ereignisse freigesetzt werden. An Land stellen solche Gasemissionen weniger eine Gefahr dar. Hier können sich die Gase in der Regel schnell in der Atmosphäre vermischen und es kommt eher selten zu großen Anreicherungen. Ausnahmen bilden Höhlen oder Täler, in denen sich Gase sammeln können. Eine besondere Form vulkanischer Seen kann sich durch vulkanische oder geothermische Aktivität unter Gletschern bilden und dabei sogenannte „Jökulhlaups“ auslösen. Dabei handelt es sich um Flutwellen, die beim Entleeren dieser Schmelzwasserseen entstehen. Dies erfordert spezielle Monitoringverfahren sowohl auf dem Gletscher als auch entlang der schmelzwasserführenden Flusssysteme.

Gibt es noch weitere Gefahren?

Jolie: Eine weitere große Gefahr stellen sogenannte phreatomagmatische Eruptionen dar. Sie können durch den direkten Kontakt von heißem Magma mit Oberflächenwasser entstehen und resultieren in besonders starken und explosiven Eruptionen. Aber auch Flutwellen, die durch Hangrutschungen ausgelöst werden können, stellen eine potentielle Gefahr dar.

Was bedeuten diese Besonderheiten für die Forschung?

Jolie: Aus diesen Besonderheiten ergeben sich eine Vielzahl an Faktoren und Gefahren, die bei der Erstellung von Konzepten zur Überwachung hinzugezogen werden müssen, auf die wir an Land nicht achten müssen. Erschwerend kommt hinzu, dass ein direkter Zugang zu vulkanischen Seen in vielen Gegenden kaum möglich ist. In solchen Fällen kommen lediglich Verfahren in Frage, die Messungen aus der Ferne erlauben, zum Beispiel durch den Einsatz von Drohnen. Aufgrund der Komplexität der möglichen Gefahren ist es grundsätzlich wichtig, einen komplementären, multidisziplinären Ansatz zu verfolgen.

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Welche Seen sollten besonders beobachtet werden?

Jolie: Um diese Frage zu beantworten, muss man zunächst das besondere Gefährdungspotential von Seen in vulkanisch aktiven Regionen und die damit verbundenen Risiken genauer verstehen. Denn ein See allein stellt ja an sich keine Gefahr dar. Die Gefahr entsteht vor allem durch das, was um den Wasserkörper herum und darunter passiert. Vulkanische Seen werden entsprechend ihrer Aktivität in verschiedene Klassen unterteilt. Auf dieser Grundlage ist es möglich zu entscheiden, welchem See besondere Beachtung geschenkt werden muss und welche Monitoringverfahren anzuwenden sind.

Von welchen Seen sprechen wir, wenn es um gefährliche Kraterseen geht?

Jolie: Dies betrifft beispielsweise Kraterseen mit aggressiven geothermischen Fluiden oberhalb aktiver magmatisch-hydrothermaler Systeme. Solche Seen fallen durch saure Wässer und erhöhte Wassertemperaturen auf und sollten besonders gut überwacht werden. Es gibt jedoch auch vulkanische Seen, die überwacht werden, obwohl es dort keinen aktiven Vulkanismus mehr gibt. Ein Beispiel dafür ist der Laacher See in Deutschland. Dieses Monitoring wird vor allem durchgeführt, weil seismische Untersuchungen auf magmatische Aktivität in 10 bis 40 Kilometer Tiefe hindeuten und zudem CO2 kontinuierlich bis zur Erdoberfläche aufsteigt.

Das Entweichen von gesundheitsschädlichen Gasen, Unterwassereruptionen oder auch durch Erdrutsche bzw. Erdbeben ausgelöste Tsunamis sind besondere Gefahren, die mit vulkanischen Seen direkt verbunden sind. Welche Überwachung empfehlen Sie aus Sicht des Bevölkerungsschutzes für vulkanische Seen?

Jolie: Ob potentielle Gefahren dieser Art tatsächlich ein Risiko für die Bevölkerung darstellen, hängt davon ab, in welcher Entfernung zum See sich Menschen regelmäßig aufhalten und wie groß die Reichweite bestimmter Ereignisse ist. Tsunamis können eine Gefahr darstellen. Sie werden allerdings auch nur dann zum Risiko, wenn Menschen tatsächlich in der Nähe des Sees leben. In dem Kontext kommen natürlich verschiedenste Überwachungsmethoden ins Spiel, die auch für andere Seen notwendig sind. Hierzu gehört die Überwachung der Stabilität von Hängen und deren Neigung zu Hangrutschungen.

Gibt es weitere Methoden, die besonders wichtig sind?

Jolie: Ebenfalls wichtig ist ein seismisches sowie geochemisches Monitoring. Durch die Untersuchung von Wasserproben können wir unter anderem Veränderungen in der Zusammensetzung des Wassers feststellen und somit Veränderungen im Untergrund ableiten. Bei erhöhter magmatischer Aktivität beobachtet man zudem erhöhte Gasemissionen, die auf dem See mit verschiedenen Verfahren bestimmt werden können. Bathymetrische Untersuchungen dienen dazu, digitale Geländemodelle des Seebodens zu erhalten. Diese Messungen geben uns Hinweise auf geologische Strukturen, an denen Fluide aufsteigen können. Den Nutzen bathymetrischer Messungen konnten wir bereits in Projekten in Äthiopien, Tansania und Island eindrucksvoll zeigen.

Wie sieht es bei der Umsetzung von Handlungsempfehlungen aus, die sich aus den Risikoanalysen ergeben?

Jolie: Vorrang hat zunächst eine umfassende Abschätzung und Bewertung der möglichen Gefahren. Darauf basierend lässt sich eine Risikoanalyse durchführen und ein angepasstes Monitoringkonzept entwickeln. Die Umsetzung obliegt i.d.R. den zuständigen Behörden. Deren zentrale Aufgabe ist es, die Ergebnisse der Risikoanalyse in geeigneter Form an die Öffentlichkeit weiter zu kommunizieren, um die richtigen Schutzmaßnahmen zu treffen. Dies hat auch eine besondere Bedeutung in touristisch stark frequentierten Gebieten. In der Vergangenheit haben wir leider mehrfach sehen müssen, wie sich Touristen völlig ahnungslos in Hochrisiko-Bereichen aufhielten und zu Schaden gekommen sind bzw. sogar Todesopfer zu beklagen waren.

Was hat beim Monitoring absolute Priorität? Gibt es eventuell eine Entscheidungsmatrix, die helfen könnte?

Jolie: Es ist ganz wichtig, dass man sich nicht auf eine Methode allein verlässt, sondern immer einen interdisziplinären und sich ergänzenden Ansatz wählt. Dabei können Messungen von Gasemissionen, Wasser- und Seebodentemperaturen, chemischen Parametern, Hangstabilität und andere Parameter eine Rolle spielen. Eine Entscheidungsmatrix ist dabei immer lokal, entsprechend der vorhandenen Gegebenheiten, zu definieren.

Welche Untersuchungen halten Sie darüber hinaus für sinnvoll, unabhängig von den Kosten? Was wäre nötig, um eine optimale Beobachtungssituation herzustellen?

Jolie: Wir planen derzeit einen Feldeinsatz an einem vulkanischen See in Island, bei dem wir unter anderem auch mit wissenschaftlichen Tauchern arbeiten und möglicherweise zudem einen Tauchroboter einsetzen können, um gezielt Wasser- und Gasproben zu nehmen und Bodentemperaturen zu messen. Dies sind Verfahren, die bereits mit einfachen Methoden gut im Kratersee des Ngozi-Vulkans in Tansania funktioniert haben und auch im vergangenen Jahr von uns in Island mit wissenschaftlichen Tauchern getestet worden sind. Eine optimale Beobachtungssituation ist dann hergestellt, wenn wir basierend auf mehrerer Datensätze zu ähnlichen Einschätzungen kommen.

Warum lohnen sich solche Projekte?

Jolie: Grundsätzlich liefern diese Projekte Referenzstudien, die nötig sind, um letztendlich bestimmte Monitoringverfahren praxistauglich zu machen und zu etablieren. Darüber hinaus hat die Forschung auch eine Relevanz für die Geothermie-Branche, die zukünftig geothermische Ressourcen im Off-shore-Bereich erschließen möchte. Dafür benötigt es geeignete Explorations- und Monitoringverfahren.

Gibt es unter Umständen Nutzungspotentiale, die sich durch eine vulkanische Aktivität in einem vulkanischen See ergeben?

Jolie: Dazu schauen wir am besten einmal auf das Beispiel des Kivu-Sees im Grenzgebiet zwischen Ruanda und der Demokratischen Republik Kongo. Dort reichern sich in der Tiefe Kohlenstoffdioxid und Methan in so großen Mengen an, was eine kommerzielle Nutzung des Methans möglich macht. Mittlerweile ist es gelungen, dieses Methan aus den tiefen Schichten zu fördern, anzureichern und erfolgreich zur Stromproduktion zu nutzen.

Herr Dr. Jolie, wir danken für das Interview.

Das Interview führte Jana Kandarr (ESKP).

Der Kratersee in der Caldera des Ngozi-Vulkans im südlichen Hochland von Tansania
Foto: Egbert Jolie

Referenzen

  • Jolie, E. (2019). Detecting gas-rich hydrothermal vents in Ngozi Crater Lake using integrated exploration tools. Scientific Reports, 9:12164. doi:10.1038/s41598-019-48576-5
  • Kandarr, J. (2020). Vulkanische Seen: Blaue Fenster in die Tiefen eines Vulkans. In D. Spreen, J. Kandarr, P. Klinghammer & O. Jorzik (Hrsg.), ESKP-Themenspezial Vulkanismus und Gesellschaft. Zwischen Risiko, Vorsorge und Faszination (S. 17-24). Potsdam: Helmholtz-Zentrum Potsdam, Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ. doi:10.2312/eskp.2020.2.1.3

DOI
https://doi.org/10.2312/eskp.2020.2.7.6

Zitiervorschlag: Jolie, E. (2020). Konzepte für die Überwachung vulkanischer Seen. In O. Jorzik, J. Kandarr, P. Klinghammer & D. Spreen (Hrsg.), ESKP-Themenspezial Vulkanismus und Gesellschaft. Zwischen Risiko, Vorsorge und Faszination (S. 166-169). Potsdam: Helmholtz-Zentrum Potsdam, Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ. doi:10.2312/eskp.2020.2.7.6