Vulkanismus Grundlagen
Vulkane im Labor: Was man durch experimentelle Vulkanausbrüche lernen kann
- Neben der Geländearbeit sind Laborexperimente und materialwissenschaftliche Untersuchungen ein wichtiges Standbein der Vulkanforschung.
- Die reduzierte Komplexität des Modells im Labor erweist sich für die Erkenntnis dabei durchaus als Vorteil.
- An der LMU in München wird nachgestellt, wie sich Magma verhält, wenn sich bestimmte Rahmenbedingungen ändern. Zum Beispiel kann Magma fließen oder auch brechen.
Geländearbeit an Vulkanen klingt spannend, und ist es auch! Jedoch sind Vor-Ort-Untersuchungen häufig logistisch aufwendig. Sie bergen Risiken für Wissenschaftler*innen und kosten neben viel Schweiß auch Zeit und Geld. Laboruntersuchungen sind hingegen weniger aufwendig und leisten einen wichtigen Beitrag zu einem besseren Verständnis vulkanischer Phänomene (Abb. 1).
Aktive Vulkane erlauben es in der Regel nicht, die notwendigen Messinstrumente gefahrlos nah genug zu installieren, um die dynamischen Prozesse zeitlich und räumlich mit der gewünschten Auflösung erfassen zu können. Zudem sind viele Messinstrumente nicht in der Lage, vulkanische Ausbruchstemperaturen oder die freigesetzten Energien eines Vulkanausbruchs zu überstehen. Um dennoch unser Verständnis zu erweitern sowie einen Beitrag zur Risikoabschätzung zu liefern, untersucht man vulkanische Proben im Labor.
Die Bandbreite der Analyse-Möglichkeiten im Labor ist quasi unendlich. Zwar sind derartige Laboruntersuchungen in der Regel nicht darauf ausgelegt, Vulkanausbrüche vorherzusagen. Aber eines kann man im Labor sehr gut: Neben dem Zeitpunkt einer gewünschten Untersuchung, lassen sich auch die Rahmenbedingungen festlegen. Was bedeutet das? Während man an aktiven Vulkanen hoffen muss, dass zum Zeitpunkt der Geländearbeit ein Ausbruch stattfindet und die äußeren Bedingungen passen, können Forschende im Labor selbst bestimmen, was wann wie schnell ablaufen soll. Ein Prozess oder ein Vulkanausbruch findet also genau dann statt, wenn die Wissenschaftler*innen bereit für eine Beobachtung sind.
Dabei ist jedoch zu beachten: Laborexperimente sind von reduzierter Komplexität als natürliche Vorgänge an echten Vulkanen (Abb.1). Die reduzierte Komplexität von Laborexperimenten bzw. -messungen bietet jedoch Vorteile: Die bewusste Vereinfachung erlaubt wiederholbare Laborexperimente. Dabei können alle Rahmenbedingungen konstant beibehalten und gleichzeitig nur ein einzelner Parameter gezielt geändert werden. Auf diese Weise lässt sich der Einfluss dieses veränderten Parameters ermitteln. Sobald dieser Einfluss bekannt ist, geht man zu weiteren Experimentreihen über und ändert einen anderen Parameter.
Unsere Laboruntersuchungen an der Ludwig-Maximilians-Universität in München eröffnen uns insbesondere zweierlei Möglichkeiten: Erstens erlauben sie die Bestimmung textureller Parameter von Proben verschiedener Vulkane bzw. mehrerer Ausbrüche eines Vulkans. Dazu zählen der Gehalt von Kristallen und/oder Gasblasen sowie deren Art und Größe. Zweitens können materialwissenschaftliche Messungen das Verhalten natürlicher oder analoger Proben unter exakt kontrollierbaren Rahmenbedingungen bestimmen. Das betrifft die Viskosität des Magma bezogen auf Zusammensetzung, Temperatur oder Deformationsrate. Dabei darf man sich unser Vulkanlabor nicht wie einen echten Vulkan im Miniaturformat vorstellen. Es handelt sich vielmehr um viele High-Tech-Spezialinstrumente, die die physikalischen Gegebenheiten am Vulkan nachstellen und so beschaffen sein müssen, dass sie zum Beispiel besonders hohen Druck oder hohe Temperaturen aushalten.
Vulkanausbrüche können effusiv oder explosiv sein (ESKP-Redaktion, 2020). Beide Arten kann man im Labor künstlich nachstellen – jedoch immer in kleinerem Maßstab. Die physikalischen Gesetze, die einem Vulkanausbruch zugrunde liegen, sind bekannt. Was in der Natur an keinem Vulkan möglich ist, funktioniert im Labor: Man kann im Labor die Uhr nach einem Vulkanausbruch stellen. Das heißt, die richtige Wahl der Experimentalparameter schafft die Möglichkeit, den „Ausbruchszeitpunkt“ minutiös festzulegen.
Dazu ein Beispiel: Lava fließt als Funktion von chemischer Zusammensetzung und Temperatur mit einer bestimmten Leichtigkeit. Lava verändert sich beim Abkühlen, es wachsen Kristalle und Gasblasen und die Lava wird zähflüssiger. Diese dynamischen Veränderungen können auch dazu führen, dass Lava trotz hoher Temperatur nicht mehr fließen kann. Jede Flüssigkeit kann nur bis zu einem bestimmten Maße mit Fließen auf die äußeren Rahmenbedingungen reagieren. Verändert sich ein Parameter, kann es sein, dass die Natur nur eine Antwort auf diese geänderten Rahmenbedingungen zulässt: Zerbrechen. Im Zuge explosiver Vulkanausbrüche wird Magma, welches bei einer Temperatur von ca. 800-1200°C in Richtung Erdoberfläche aufsteigt, durch ein Zusammenspiel mehrerer Faktoren zerbrochen. „Zerbrechen“ klingt für eine Flüssigkeit ungewöhnlich, aber es stimmt: Eine Flüssigkeit – und Magma ist eine Flüssigkeit – kann brechen. Das kann durch Abkühlung geschehen, aber nicht nur. Die meisten Magmen fließen unterhalb von 700°C nicht mehr. Bei explosiven Ausbrüchen werden jedoch mitunter Temperaturen über 1000°C festgestellt. Verantwortlich für das Zerbrechen ist hier die Deformationsrate.
Im Labor kann man all diese Faktoren bestimmen und festlegen. Die treibenden Kräfte hinter explosiven Vulkanausbrüchen sind Gase, die ehemals im Magma gelöst waren und nach Übersättigung Blasen gebildet haben. In diesen Blasen kann sich beträchtlicher Druck aufbauen. Die Blasen versuchen, diesem Druck stattzugeben, indem sie sich ausdehnen, jedoch sind diesem Volumenwachstum in der Erdkruste Grenzen gesetzt. Der herrschende Druck will vom Magma ebenfalls durch Verformung abgebaut werden, in der Regel durch Fließen. Dieser Prozess hat jedoch bestimmte materialabhängige Grenzen. Werden diese Grenzen überschritten, zerbricht das Magma (Abb.3) und aus dem Vulkan wird ein Gemisch aus Gasen und Gesteinsbruchstücken ausgeworfen (Abb.4).
Solche explosiven Vulkanausbrüche bei magmatischen Temperaturen lassen sich nur in wenigen Laboren nachstellen, u.a. in München, Mainz oder Würzburg. Mit der richtigen Probenauswahl und den richtigen Rahmenbedingungen im Labor können die Wissenschaftler*innen Einblicke in an aktiven Vulkanen beobachtete Phänomene erlangen, die in der Natur nicht so einfach möglich sind. Bei Live-Beobachtungen an „echten Vulkanen“ sehen wir nur die Phänomene oberhalb der Erdoberfläche, im Labor können wir dagegen auch in die Vulkane hineinschauen.
Die Forschung in vulkanologischen Laboren trägt maßgeblich zu einem besseren und vor allem quantitativen Verständnis von Vulkanausbrüchen bei. Damit handelt sich um wirkliche Grundlagenforschung, die in den Vulkanlaboren betrieben wird. Weitere Forschungsfragen sind neben der Bestimmung des Ausbreitungszeitpunkts und der Beschaffenheit von Magma und Lava auch die Simulation von Eruptions- und Aschewolken, die weltweit gravierende Auswirkungen haben können. Aber auch die physikalischen Prozesse, die innerhalb einer Aschewolke ablaufen, können unter kontrollieren Bedingungen besser untersucht werden: zum Beispiel Vulkanblitze über dem Schlotausgang und Gewitter in den Vulkanwolken. Erkenntnisse hier können beispielsweise helfen, das Risiko von Vulkanausbrüchen und Vulkanasche für den Flugverkehr besser einzuschätzen. Selbst die Ausbrüche von submarinen Vulkanen lassen sich simulieren und dadurch besser verstehen. Echtzeit-Ausbrüche von Vulkanen im Meer lassen sich unter wissenschaftlicher Begleitung in der Natur nur äußerst selten beobachten.
Bei der Konfiguration der Experimente greifen die Forscherinnen und Forscher auf bereits erhobene Daten vergangener Ausbrüche zurück. Jetzt könnte man behaupten, man verstehe dadurch ausschließlich Prozesse, die bereits zum Teil in der Vergangenheit zurückliegen. Moderne Vulkanforschung heute hat aber mehrere Standbeine: Geländearbeit mit Beschreibung von Ablagerungen vergangener Ausbrüche, die engmaschige wissenschaftliche Beobachtung von Live-Ausbrüchen, Laboruntersuchungen und numerische und probabilistische Studien. Nur in enger Zusammenarbeit und gegenseitiger Verwendung neuester Erkenntnisse wird es eines Tages möglicherweise gelingen, Art, Beginn und Ende eines Ausbruchs mit hoher Wahrscheinlichkeit vorherzusagen.
Referenzen
- Cigala, V., Kueppers, U., Peña Fernandez, J. J., Taddeucci, J., Sesterhenn, J. &, Dingwell, D. B. (2017). The dynamics of volcanic jets: Temporal evolution of particle exit velocity from shock-tube experiments. Journal of Geophysical Research – Solid Earth, 122(8), 6031-6045. doi: 10.1002/2017JB014149
- Cimarelli, C., Alatorre-Ibargüengoitia, M. A., Kueppers, U., Scheu, B. & Dingwell, D. B. (2014). Experimental generation of volcanic lightning. Geology, 42(1), 79-82. doi: 10.1130/G34802.1
- ESKP-Redaktion. (2020). Wie lassen sich Vulkane unterscheiden? In D. Spreen, J. Kandarr, P. Klinghammer & O. Jorzik (Hrsg.), ESKP-Themenspezial Vulkanismus und Gesellschaft. Zwischen Risiko, Vorsorge und Faszination (S. 10-12). Potsdam: Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ. doi:10.2312/eskp.2020.2.1.1
- Kueppers, U., Perugini, D. & Dingwell, D. B. (2006). „Explosive energy“ during volcanic eruptions from fractal analysis of pyroclasts. Earth and Planetary Science Letters, 248(3-4), 800-807. doi:10.1016/j.epsl.2006.06.033
- Peña Fernández, J. J., Cigala, V., Kueppers, U. & Sesterhenn, J. (2020). Acoustic analysis of starting jets in an anechoic chamber: implications for volcano monitoring. Scientific Reports, 10:13576. doi:10.1038/s41598-020-69949-1
Weiterführende Informationen
DOI
https://doi.org/10.2312/eskp.2020.2.1.5
Zitiervorschlag: Küppers, U. (2020). Vulkane im Labor: Was man durch experimentelle Vulkanausbrüche lernen kann. In O. Jorzik, J. Kandarr, P. Klinghammer & D. Spreen (Hrsg.), ESKP-Themenspezial Vulkanismus und Gesellschaft. Zwischen Risiko, Vorsorge und Faszination (S. 34-37). Potsdam: Helmholtz-Zentrum Potsdam, Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ. doi:10.2312/eskp.2020.2.1.5