Unterseeischer Vulkanismus

Die unbekannte Welt von Unterwasser-Vulkanen

Die meisten Vulkanausbrüche finden dort statt, wo wir sie nur schwer beobachten können: unter Wasser. – Ein kleiner Einblick in die noch junge Forschungsdisziplin der Erkundung submariner Vulkane.

Text: Dr. Karen Strehlow & Dr. Philipp A. Brandl

GEOMAR – Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel

  • Das Wissen über Vulkane an Land lässt sich nur begrenzt auf Vulkane unter Wasser übertragen, weil die Bedingungen dort ganz andere sind.
  • Die Erforschung submariner Vulkane ist eine junge Forschungsdiziplin und die meisten submarinen Eruptionen geschehen, ohne dass wir davon erfahren.
  • Wenig erforscht ist das Gefahrenpotential submariner Vulkane. Dies gilt insbesondere für Vulkane im flachmarinen Bereich. Sie können sehr explosiv sein. Zudem gibt es eine erhöhte Tsunamigefahr.

Unser Verständnis von Vulkaneruptionen basiert fast ausschließlich auf Eruptionen an Land. Das hat schlicht den Grund, dass die direkte Beobachtung von Eruptionen an Land vergleichsweise einfach ist. Wir verfügen über eine immense Menge an Überwachungsdaten und auch die Eruptionsprodukte von Landvulkanen sind zugänglicher. Unser Wissen über Vulkane an Land lässt sich jedoch nur begrenzt auf Vulkane unter Wasser übertragen, weil die Bedingungen dort in der Tat ganz andere sind.

Unter Wasser herrscht ein hoher Druck und die Umgebungstemperaturen sind niedrig. Hinzu kommt, dass sich Wasser als umgebendes Medium ganz anders verhält als Luft: Wasser lässt sich zum Beispiel weniger zusammenpressen, es ist weniger kompressibel. Wenn also Gase während einer Eruption freigesetzt werden, übt das Wasser einen größeren Widerstand gegen deren Ausdehnung aus. Daher ist insbesondere die explosive Ausdehnung von Gasen in größeren Tiefen nur eingeschränkt möglich, explosive Eruptionen werden so weniger wahrscheinlich. Wasser hat zudem eine höhere Wärmeleitfähigkeit und Wärmekapazität als Luft, gleichzeitig ist es dichter. All dies beeinflusst submarine vulkanische Aktivität stark. Auch die Fließ-Eigenschaften und das Verhalten der Lava selbst ändern sich.

Die meisten submarinen Eruptionen geschehen, ohne dass wir davon erfahren. Obwohl der größte Anteil des Vulkanismus auf der Erde unter Wasser abläuft, bleibt es eine Glückssache, eine submarine Eruption zu beobachten oder gar Messungen durchführen zu können. Insgesamt ist die Forschung an submarinen Vulkanen noch eine sehr junge Disziplin und im Vergleich zu Vulkanen an Land wissen wir immer noch sehr wenig über die komplexen Prozesse, die dort eine Rolle spielen. Das macht das Thema umso spannender!

Die meisten submarinen Eruptionen geschehen, ohne dass wir davon erfahren.

Lange Zeit nahm man beispielsweise an, dass der Druck der Wassersäule jeglichen explosiven Vulkanismus in größerer Tiefe unterdrücken würde. Es gibt aber inzwischen durch die intensivere Erforschung des Meeresbodens mehr und mehr Hinweise darauf, dass Vulkane auch in größerer Wassertiefe eine große Bandbreite an Eruptionsstilen zeigen können: von effusiven Lavaströmen, über kleine strombolianische Explosionen und Feuerfontänen, bis hin zu pyroklastischen Strömen und großen Caldera-bildenden Eruptionen.

Erst sehr wenige submarine Eruptionen konnten direkt beobachtet werden. Dazu zählen effusive und explosive Eruptionen am West Mata Vulkan ca. 200 Kilometer südwestlich von Samoa (1.200 m unter dem Meeresspiegel), sowie eine kleine explosive Eruption am NW Rota-1 (550 m unter dem Meeresspiegel), nordwestlich der Rota-Insel, die zu den nördlichen Mariannen-Inseln gehört.

Hohe Bekanntheit erhielt − zumindest unter Vulkanologen − auch die letzte Eruption des Havre-Vulkans. Dieser liegt im Kermadec Arc, 900 m unter dem Wasserspiegel. Der Havre-Vulkan brachte während seiner Eruption im Jahre 2012 eineinhalb Mal so viel Material wie die gewaltige Eruption des Mount St. Helens im Jahr 1980 hervor. Die Havre-Eruption wurde nur entdeckt, weil ein 400 Quadratkilometer großer Floß aus Bims (d.h. eine auf dem Meer schwimmende Decke aus Bimsbrocken) und eine Gaswolke auf Satellitenbildern entdeckt wurden und bis zum Havre-Vulkan zurückverfolgt werden konnten. Auch die Eruption des "Vulkan F" im Tofua-Bogen (Tonga) im August 2019 verriet sich durch einen Floß aus Bims. Dessen Weg im Pazifik wurde mithilfe von Satellitenbildern rekonstruiert und in Kombination mit seismischen Signalen konnte der genaue Ort und Zeit des Vulkanausbruchs ermittelt werden.

Es gibt ein paar wenige submarine Vulkane, die überwacht werden: der Axial Seamount und das Endeavour Segment des Juan-de-Fuca-Rückens (englisch: Juan de Fuca Ridge) vor Vancouver Island. Beide Vulkane werden mithilfe von Kabel-Observatorien überwacht: mehr als 1700 km Kabel und 14 Unterwasserstationen stellen Energie und Kommunikationswege für hunderte von Instrumenten am Meeresboden zur Verfügung. Ebenfalls systematisch überwacht wird der Monowai-Vulkan nördlich von Neuseeland nahe der Kermadec-Inseln. Dieser Unterwasser-Vulkan wird mittels Hydroakustik beobachtet, d.h. durch die Aufzeichnung von akustischen Wellen im Ozean, die durch Erdbeben am Vulkan entstehen.

Noch vergleichsweise wenig erforscht ist auch das Gefahrenpotential submariner Vulkane. Vor allem Vulkane im flachmarinen Bereich stellen eine potenzielle Gefahr dar. Diese können durchaus sehr explosiv sein und entstehende Eruptionswolken können die Wasseroberfläche durchbrechen. Außerdem besteht eine erhöhte Tsunamigefahr durch diese Vulkane, die in nicht so großer Tiefe unter der Wasseroberfläche liegen.

Die Erforschung und kontinuierliche Beobachtung submariner Vulkane ist technisch aufwändig und daher sehr teuer. Die für Landvulkane existierenden Computermodelle müssen erst noch mit komplexeren physikalischen Formeln angepasst werden. Aber angesichts vielfältiger Gefahren wie großen Explosionen, plötzlichen Gasaustritten oder Tsunamis und auch mit Hinblick auf den unter Umständen wirtschaftlichen Nutzen von submarinen vulkanischen Systemen (s. auch ESKP-Redaktion, 2018), lohnt sich der intensive Blick auf die Meeresvulkane.

Neue untermeerische Vulkane nördlich von Neuseeland entdeckt

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Mit dem Tauchboot JAGO zum Unterwasser-Vulkan vor der Kanareninsel El Hierro (Länge: 10:46 Min.)

Referenzen

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DOI
https://doi.org/10.2312/eskp.2020.2.5.1

Zitiervorschlag: Strehlow, K. & Brandl, P. A. (2020). Die unbekannte Welt von Unterwasser-Vulkanen. In O. Jorzik, J. Kandarr, P. Klinghammer & D. Spreen (Hrsg.), ESKP-Themenspezial Vulkanismus und Gesellschaft. Zwischen Risiko, Vorsorge und Faszination (S. 98-100). Potsdam: Helmholtz-Zentrum Potsdam, Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ. doi:10.2312/eskp.2020.2.5.1