Geothermie

Geothermie-Ressourcen unter vulkanischen Seen mit neuen Methoden erkunden

Geothermie wird als alternative Energiequelle immer wichtiger. Allerdings sind Erkundungsbohrungen aufwändig und damit teuer. Mit neuen Erkundungsmethoden lässt sich die Treffsicherheit dieser Bohrungen erhöhen und der Betrieb von Geothermie-Anlagen wirtschaftlicher und sicherer gestalten.

Text: Ass. Prof. Dr. Maren Brehme

Technische Universität Delft, Niederlande

  • Vor dem Hintergrund des Klimawandels kann Geothermie – also die natürliche Wärme aus der Erde – einen wichtigen Beitrag zur Energieversorgung der Zukunft leisten.
  • In Anbetracht der hohen Kosten bei der Erkundung sind neue Methoden gefragt, um Geothermiefelder zu entdecken und genau zu vermessen.
  • Wirtschaftlich interessante Bohrpunkte zeigen sich unter vulkanischen Seen. Sie können nun präzise bestimmt werden.

Die Hälfte des Energiebedarfs von Deutschland ist Wärme: Wärme zum Heizen unserer Häuser, warmes Wasser zum Duschen, Wärme für Schulen und Büros oder Wärme zum Schmelzen, Reinigen oder Trocknen von Industrieprodukten. Hinzu kommt, dass unser Energieverbrauch in Deutschland durch steigenden Konsum und Wirtschaftswachstum nur langsam sinkt – trotz effizienterer Nutzung und Einsparungen (EWI, 2020; Umweltbundesamt, 2010). Um diesen Standard halten zu können und gleichzeitig CO2-Emissionen zu senken, werden auch in Zukunft verlässliche und nachhaltige Energieträger gebraucht.

Geothermie – also natürliche Wärme aus der Erde – kann hier einen wichtigen Beitrag leisten. Überall unter unseren Füßen wird es wärmer je tiefer man gräbt. Die Wärme ist im Gestein und im Wasser gespeichert. Um diese Energiequelle zu nutzen, führt man zum Beispiel zwei kilometertiefe Bohrungen durch. Aus der einen Bohrung pumpt man heißes Wasser und in die andere verpresst man das abgekühlte Restwasser, das sich dann in der natürlichen Umgebung wieder aufheizt. Da aber immer noch relativ wenig über den Untergrund der Erde bekannt ist, trifft nur jede zweite Bohrung auf ausreichend warmes Wasser (IFC, 2013). Außerdem ist der Untergrund so heterogen, dass der Wirkungsgrad selbst zwischen nahegelegenen Bohrungen stark schwankt.

Wegen dieser Unsicherheit und der hohen Kosten beim Bohren (ca. 1 Mio.€/km) existiert ein großer Forschungsbedarf über den Aufbau der Erde und insbesondere das Vorkommen von Geothermie-Ressourcen. Wenn sich genau vorhersagen ließe, wo Ressourcen liegen und welche Größe sie haben, könnte man einen großen Teil der Erschließungskosten von Geothermiefeldern einsparen.

Das Wissen über den Untergrund folgt vor allem aus Forschungsprojekten im Bereich der Geowissenschaften. Für die Geothermie werden zurzeit hauptsächlich klassische Methoden der Geowissenschaften, wie Seismik und elektromagnetische Methoden, verwendet, um Ressourcen aufzuspüren. Die trotzdem noch bestehenden Wissenslücken erfordern jedoch ein Umdenken bei der Exploration dieser Ressource und verlangen neue Forschungsstrategien in der Erkundung von Geothermiefeldern.

Eine neue Explorations-Methode

Unser internationales Forschungsteam, das aus Wissenschaftler*innen aus Deutschland, den Niederlanden, Indonesien und der Türkei bestand, ging mit einem neuen Ansatz an die Erkundung heran (siehe auch den Field Trip Blog: Brehme, 2018). Mithilfe der Kombination sogenannter Bathymetrie-Messungen und geochemischer Profile an einem Vulkansee in Indonesien zur Lokalisierung von wasserführenden Zonen lassen sich mögliche Bohrpunkte ermitteln. Klassische Erkundungsmethoden beschränkten sich bisher auf Messungen an Land. Der neue Ansatz ermöglicht es nun Flächen zu untersuchen, die an der Oberfläche mit Wasser, also Seen oder Flüssen, bedeckt sind und deshalb bisher nicht zugänglich waren. Diese Flächen sind zum Teil sehr groß und bedecken, vor allem in vulkanischen Gebieten, Bereiche, die besonders interessant sind für eine geothermische Nutzung.

Die Bedeutung von Rissen im Gestein

Genauso wie die an Land verwendeten Methoden basiert ein Teil des neuen Ansatzes auf der Kartierung von Rissen im Gestein. Entlang dieser Rissstrukturen bewegt sich oft heißes Wasser im Untergrund. Für diese Kartierung wird eine Bathymetrie-Aufnahme des Sees gemacht. Es wird also an (zehn)-tausenden von Messpunkten die genaue Tiefe des Sees auf wenige Dezimeter genau gemessen. Dies geschieht über Schallwellen, die von einem Schiff losgeschickt werden, am Seeboden reflektieren und zum Messinstrument zurückkehren. Dort wo es abrupte Topographie-Unterschiede am Seeboden gibt, werden Risse im tieferen Gestein vermutet.

Die Rissstrukturen sind von besonderer Bedeutung, weil über sie auch heißes Wasser aus der Tiefe an die Oberfläche gelangen kann. An Land kommt es dann zu Quellaustritten. Unter Wasser sind diese Austritte schwerer erkennbar. Deshalb kam  ein zusätzliches Tool zur Messung der chemischen Zusammensetzung des Wassers zum Einsatz. Das aus der Tiefe aufsteigende Wasser hat typischerweise einen höheren Salzgehalt und eine höhere Temperatur als das Seewasser. Über diesen chemischen Unterschied und die Temperaturdifferenz lassen sich so Quellaustritte auch unter Wasser finden und kartieren (Brehme et al., 2019).

Nicht nur die Unterschiede in der Wasserzusammensetzung waren eindeutig, an den Kreuzungspunkten von den Rissstrukturen im Gestein wurden sogar aufsteigende Gasblasen detektiert. Diese Gasblasen sind besonders zuverlässige Indikatoren für aufsteigende geothermische Wässer aus dem tiefen Gestein, die das Zielobjekt von Geothermie-Bohrungen sind. Außerdem konnte durch eine präzise Navigation sogar eine Aufnahme von dem Loch, aus dem die Blasen aufsteigen, gemacht werden.

Die neu gewonnenen Unterwasserdaten wurden später mit Messungen an Land verglichen. Damit konnten die Rissstrukturen vom Seeboden auch an Land fortgesetzt werden, bis hin zu bereits bekannten Heißwasserquellen an Land. Dieses Beispiel zeigt das Potential des neuen Ansatzes, denn es lassen sich damit Heißwasser-führende Strukturen und damit neue Bohrziele in der tiefen Erde erkennen.

Dass die ersten Studien unseres internationalen Forschungsteams im fernen Indonesien und der Türkei stattgefunden haben, lässt sich durch die Testbedingungen erklären. Das Geothermie-Feld in Indonesien ist bereits gut untersucht und hält deshalb viele zusätzliche Daten zur Validierung der neuen Messdaten bereit. Im nächsten Schritt wurde ein Feld in der Türkei untersucht, das weniger, aber immer noch gute Testbedingungen, besitzt. Die Methode ist nun soweit, dass man sie unter erschwerten Bedingungen an vielen Standorten der Welt und auch in Deutschland testen kann.

Anwendung und Vorteile

Die Kartierung von Rissstrukturen im Gestein und die Messung der chemischen Zusammensetzung des Wassers dient nicht nur dem Auffinden von geothermischen Ressourcen im Untergrund, sondern hilft auch bei der Risikoeinschätzung der Nutzung der Geothermie-Ressourcen. Aus der Tiefe aufsteigende Wässer sind nämlich oft sehr salzhaltig, heiß und chemisch aggressiv. Diese Wässer können die Bohrungen und Rohrleitungen korrodieren und technische Geräte schädigen. Diese Beschädigungen sind somit ein wirtschaftliches Risiko für den Anlagenbetreiber.

Auf der anderen Seite erhöht sich der Wirkungsgrad in der Geothermie, je heißer die genutzten Wässer sind. Hier muss also ein Ausgleich gefunden werden zwischen der Effizienz und der Sicherheit der Anlage. Die vorgestellte Methode kann hierzu wertvolle Informationen liefern. Es kann für den Anlagenbetreiber sinnvoll sein, sich für eine Bohrvariante zu entscheiden, die zwar im Wirkungsgrad niedriger ist, dafür aber einen sicheren und längeren Betrieb gewährleistet.

Mittlerweile wurde diese Erkundungstechnik auch in weiteren Feldern in der Türkei erfolgreich angewandt (Brehme et al., 2020). Diese Methode soll somit nun ein neuer Standard bei der Erkundung von neuen Bohrlokationen für die Geothermie werden. Ein großer Vorteil dieser neuen Methoden, im Vergleich zu den oft angewandten Computermodellen, ist die direkte Messung und Validierung im Feld und eine exakte Darstellung des Untergrundes fast in Echtzeit. Im Vergleich zu klassischen geophysikalischen Methoden wie der Seismik verursacht sie außerdem deutlich geringere Kosten.

Der neue Ansatz kommt für die präzise Platzierung von Bohrungen in bereits produzierenden Geothermiefeldern zur Anwendung, die erweitert werden sollen. Er kann aber auch für die Neuerkundung und Nutzbarmachung von geothermischen Ressourcen genutzt werden. Die vorgestellte Methode erhöht die Treffsicherheit beim Abteufen von Bohrungen, was wiederum die Kosten für Geothermie senkt und den Wirkungsgrad erhöht.

Zusätzlich zu den erwähnten Vorteilen und Anwendungsgebieten liefert die Methode die Grundlage für weiterführende Forschungen. Das genaue Verständnis des Aufbaus des Untergrundes ist z.B. eine Notwendigkeit für die Abschätzung anderer Risiken, wie induzierte Seismizität – dabei handelt es sich durch menschliche Einflüsse getriggerte Erdbeben – oder die potentielle Kontamination von Trinkwasservorkommen.

Studien zur Nutzung der Geothermie an vulkanischen Seen.
Grafik: Wissensplattform Erde und Umwelt, eskp.de | Maren Brehme
 

Referenzen

  • Brehme, M. (2018). LoLa beschäftigt sich mit der nachhaltigen Nutzung des Geothermie-Standortes Lahendong in Indonesien. [Blog, maren.familie-brehme.de]. Aufgrufen am 08.05.2020.
  • Brehme, M., Giese, R., Suherlina, L. & Kamah, Y. (2019). Geothermal sweetspots identified in a volcanic lake integrating bathymetry and fluid chemistry. Scientific Reports, 9:16153. doi:10.1038/s41598-019-52638-z
  • Brehme, M., Giese, R., Bulut, F., Dokuz, U. E., Dogru, A. (2020). What lakes reveal about geofluid-pathways and the linkage to georesources, in preparation.

DOI
https://doi.org/10.2312/eskp.2020.2.6.3

Zitiervorschlag: Brehme, M. (2020). Geothermie-Ressourcen unter vulkanischen Seen mit neuen Methoden erkunden. In O. Jorzik, J. Kandarr, P. Klinghammer & D. Spreen (Hrsg.), ESKP-Themenspezial Vulkanismus und Gesellschaft. Zwischen Risiko, Vorsorge und Faszination (S. 133-136). Potsdam: Helmholtz-Zentrum Potsdam, Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ. doi:10.2312/eskp.2020.2.6.3