Frühwarnung und Monitoring
Durch Überwachung das Risikopotential von Vulkan erkennen
- Grundsätzlich geht es beim Vulkan-Monitoring darum, einen Vulkan besser zu verstehen, denn die geologischen Voraussetzungen sind häufig sehr unterschiedlich.
- Durch eine systematische Vulkanüberwachung erhalten Forschende wichtige Informationen über Aktivitäten im Inneren oder die Veränderung der Vulkanoberfläche.
- Diese Informationen erlauben es, die Risiken besser einzuschätzen, die von Vulkanen ausgehen.
Mit der Überwachung von Vulkanen sollen Veränderungen und verborgene Aktivitäten erkannt werden, die auf ein mögliches Wiedererwachen eines Vulkans oder gar einen bevorstehenden Ausbruch hindeuten. Es geht darum, Frühwarnzeichen und geeignete Daten zu erfassen, um das Gefahrenpotential besser einzuschätzen, das von einem Vulkan ausgeht. Das Vulkan-Monitoring ist eine Herkulesaufgabe wie folgende Zahlen verdeutlichen: Aktuell werden mehr als die Hälfte der aktiven Vulkane – die Forschung geht von 1.500 Vulkanen weltweit aus – nicht instrumentell überwacht. Als Folge werden unter den bis zu 85 jährlich auftretenden Ausbrüchen immer etliche sein, vor denen nicht gewarnt werden kann (Valade et al., 2019).
Die Internationale Gesellschaft für Vulkanologie und Chemie des Erdinneren (englisch International Association of Volcanology and Chemistry of the Earth's Interior, IAVCEI) hat 16 sogenannte Dekadenvulkane identifiziert, die wegen ihrer langen Historie und dem damit verbundenen zerstörerischen Potential sowie ihrer Nähe zu bewohnten Gebieten als besonders gefährlich gelten. Durch den Ausbruch einer dieser Vulkane könnte das Leben von mehrere zehntausend bis hunderttausenden Menschen bedroht sein. Sie heißen deshalb Dekadenvulkane, weil das Forschungsprojekt zur Identifizierung dieser Vulkane Bestandteil der von den Vereinten Nationen im Jahr 1990 ausgerufenen Internationalen Dekade zur Reduzierung von Naturkatastrophen war (International Decade for Natural Disaster Reduction, IDNDR). Der folgenden Tabelle kann entnommen werden, welche Vulkane wegen ihrer großen Gefährlichkeit einer besonderen Beobachtung unterliegen. Die rechte Spalte zeigt die aktuellen Aktivitäten des Vulkans (Angaben: Dr. Stefan Bredemeyer, GEOMAR – Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel):
Vulkan | Region | Land | Aktuelle Aktivität |
---|---|---|---|
Avachinsky-Koryaksky | Kamtschatka | Russland | Zeigt momentan leicht erhöhte Aktivität, seit Dezember 2019 erste Zeichen des Wiedererwachens. |
Colima | Jalisco und Colima | Mexiko | Nahezu konstante Ruhelosigkeit seit 1994 (explosiver Domvulkanismus). |
Galeras | Nariño | Kolumbien | Ruhelos mit häufigen schwachen Explosionen, letzte größere Eruption am 2. Januar 2010. |
Mauna Loa | Hawaii | USA | Ruheloser basaltischer Schildvulkan, seit Mitte 2018 häufen sich die Anzeichen ansteigender Aktivität, letzte Eruption 1984. |
Ätna | Sizilien | Italien | Ununterbrochene Aktivität mit häufigen überwiegend effusiven Eruptionen seit historischen Zeiten (122 v.Chr.). |
Merapi | Zentraljava | Indonesien | Bekannt für seinen hochexplosiven Vulkanismus, Beginn der letzten Eruptionsphase in 2018. |
Nyiragongo | Nord-Kivu | Demokratische Republik Kongo | Bekannt für die Produktion von sehr schnell fließenden Lavaströmen, permanent aktiver Lavasee seit 2002. |
Mount Rainier | Washington | USA | Momentan ruhig, letzte Eruption 1894. |
Vesuv | Kampanien | Italien | Momentan ruhig, letzte Eruption im April 1944. |
Unzen | Nagasaki/Kumamoto | Japan | Momentan ruhig, letzte Eruption 1996 (explosiver Domvulkanismus). |
Sakurajima | Kagoshima | Japan | Befindet sich seit 1955 im Zustand permanenter Eruption (explosiver Domvulkanismus). |
S. María/ Santiaguito | Quetzaltenango | Guatemala | Befindet sich seit 1922 im Zustand permanenter Eruption (explosiver Domvulkanismus). |
Santorin | Südliche Ägäis, Kykladen | Griechenland | Seit 2012 Anzeichen des Wiedererwachens, letzte Eruption 1950 (Caldera-Vulkan). |
Taal | Luzon | Philippinen | Befindet sich seit der Eruption am Sonntag, den 12. Januar 2020 (der ersten Eruption seit 1977) im permanenten Unruhezustand. |
Pico del Teide | Kanarische Inseln | Spanien | Schlummernder Schildvulkan, letzte Eruption 1909. |
Ulawun | Neubritannien |
Papua Neu-Guinea | Befindet sich seit 2010 in einer eruptiven Phase mit gelegentlichen Explosionen (Domvulkan). |
Beim Vulkan-Monitoring wird nicht nur in ferne Regionen geschaut. Neue Monitoring-Ergebnisse aus dem seismologischen Messnetzwerk am Laacher-See-Vulkan in der Eifel zeigen tiefe, niederfrequente Beben, die einen Hinweis auf vulkanische Aktivitäten und Magmabewegungen im Untergrund geben. Die neuen Erkenntnisse werden genutzt, um die Gefährlichkeit des Vulkans am Laacher-See besser einschätzen zu können und weitere Überwachungsmaßnahmen einzuleiten (Hensch et. al., 2019).
Vulkane besser verstehen
Grundsätzlich geht es beim Vulkan-Monitoring darum, einen Vulkan besser zu verstehen, denn die geologischen Voraussetzungen sind häufig sehr unterschiedlich. Es gibt Vulkane entlang konvergierender Krustenplatten in der Erde wie am berühmten Pazifischen Feuerring (siehe auch ESKP-Beitrag „Pazifischer Feuerring“). Dort treffen zwei tektonische Platten aufeinander und die schwere Ozeanische Platte taucht unter die Kontinentalkruste ab.
Vulkane entstehen aber auch entlang auseinandertreibender Platten wie am Mittelozeanischen Rücken. Dort gibt es Zonen, an denen zwei tektonische Platten auseinanderdriften und eine sogenannte divergente Plattengrenze bilden. Das bedeutet: Die geologische Beschaffenheit im Untergrund kann zu völlig unterschiedlichen Eruptionsarten führen (siehe dazu auch ESKP-Beitrag „Vulkane: Eruptionstypen“). Auch gibt es verschiedene Vulkantypen, wie der dazugehörige ESKP-Beitrag „Vulkantypen“ zeigt.
Die Verschiedenartigkeit von Vulkanen führt dazu, dass sich nicht jede Erkenntnis über das Verhalten eines Vulkans verallgemeinern und einfach auf einen anderen Vulkan übertragen lässt. Daher kommt es darauf an, ein besseres Verständnis darüber zu erhalten, wie sich Magmakammern im Untergrund füllen, wo sich Kanäle für den Magmaaufstieg befinden oder wie sich die Zähflüssigkeit (Viskosität) der Schmelzen im Untergrund verhält.
Auch mit einem technisch intensiven Monitoring ist es bis heute leider nicht möglich, den Ausbruch eines Vulkans exakt vorherzusagen. Es gibt verschiedene Fragen, die für eine derartige Vorhersage beantwortet werden müssen:
- Wann bricht der Vulkan aus?
- Wo bricht der Vulkan aus (zentraler Krater oder Flankeneruption)?
- Wie stark wird die Eruption sein und welche Art von Eruption ist zu erwarten (explosiv, effusiv)?
- Wie viel Magma ist involviert und wie viel davon erreicht jemals die Oberfläche?
Gerade in den letzten Jahrzehnten hat es häufiger erfolgreiche Frühwarnungen und darauf aufbauend Evakuierungsmaßnahmen gegeben. Meistens lassen sich jedoch nicht alle Fragen, die für eine vollumfängliche Gefahrenabschätzung notwendig wären, bereits vor der Eruption klären. Insbesondere in Gebieten mit monogenetischem Vulkanismus (z.B. Phlegräische Felder), aber auch an Vulkanen mit häufigen Flankeneruptionen wie dem Ätna oder Hawaii lässt sich die Frage, an welcher Stelle es mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit zu einem Vulkanausbruch kommen wird, in der Regel nur bedingt beantworten.
Durch immer verfeinerte Messmethoden ist es jedoch möglich, die Aktivitäten eines Vulkans genauer zu erfassen und zu lokalisieren. Dies kann helfen, um den möglichen Schaden durch einen Ausbruch zu verringern. Gefährdete Gebiete können vorab identifiziert und Evakuierungspläne erarbeitet werden.
Neben der Gefahrenabschätzung ist die Einordnung der Gefährdungslage in verschiedene Alarmstufen relevant. Letztere dienen dazu, bestehende Notfallpläne anzuwenden und geeignete Maßnahmen der Katastrophenvorsorge einzuleiten sowie die zeitnahe Information der Bevölkerung zu gewährleisten.
Gesundheitsgefährdung verringern
Das kontinuierliche Monitoring von Vulkanen hat eine besonders hohe Bedeutung für Menschen, die im unmittelbaren Gefährdungsgebiet rund um den Vulkan leben und eventuell evakuiert werden müssen. Denn das Gefahrenpotential, das von Vulkanasche, Vulkangasen, austretender Lava, pyroklastischen Strömen oder vulkanischen Bomben ausgeht, kann erheblich sein.
Pyroklastische Ströme sind Glutwolken aus heißen vulkanischen Gasen und mitgerissenen Partikeln wie Bims, Asche, Blöcken und heißer Lava. Sie suchen sich hauptsächlich ihren Weg durch Täler und Senken. Surges können bei ausreichender Energie auch Bergrücken überwinden. Bei Temperaturen von bis zu 800 °C erreichen sie Geschwindigkeiten von bis zu 300 km/h. Diejenigen Bewohner der römischen Stadt Pompeji, die beim Ausbruch des Vesuvs 79 n. Chr. den vorausgegangenen Regen aus Asche, Bimsstein und Lavabrocken überstanden hatten, wurden von den nachfolgenden pyroklastischen Strömen binnen weniger Sekunden getötet.
Abgesehen von diesen tödlichen Gefahren besteht im unmittelbaren Umfeld von eruptierenden Vulkanen eine hohe Gesundheitsgefährdung durch Flugasche, Aerosole (Feinstaubbelastung) und toxische Gase, welche zur Reizung und bei andauernder Exposition zu chronischen Erkrankungen der Atemwege und Schleimhäute führen können. Darüber hinaus enthält Vulkanasche schädliche Stoffe wie Schwefel, Fluor, Brom, Kalium oder Radon, welche beim Einatmen oder über die Nahrung und das Trinkwasser in den Körper gelangen können. Wenn die Asche auf Äckern und Weideland niedergeht, reichern sich diese Schadstoffe zudem im Boden an, vergiften weidendes Vieh und können bei ausreichend starker Bedeckung der Äcker ganze Ernten vernichten.
Vulkanische Bomben sind Lavafragmente mit einem Durchmesser von 6,5 Zentimetern aufwärts, die aus dem Vulkanschlot herausgeschleudert werden und im Laufe des Fluges eine meist rundliche aerodynamische Form annehmen. Hinzu kommt die Gefahr von Laharen. Dabei handelt es sich um Schlammlawinen oder Schlammströme, die sich bei Vulkanausbrüchen insbesondere an vergletscherten Vulkanhängen oder infolge von starken Niederschlägen aus Lockergestein und Wasser bilden. Sie können problemlos Geschwindigkeiten von 50 Stundenkilometern und mehr erreichen und sehr große Auswirkungen auf die Umgebung des Vulkans und menschliche Siedlungen haben.
So wurde 1985 nordwestlich von Bogota die kolumbianische Stadt Armero durch einen Lahar nahezu vollständig zerstört. Dieser Lahar wurde durch den Ausbruch des Vulkans Nevado del Ruiz verursacht. Schätzungen nach fanden dabei zwischen 25.000 und 31.000 Menschen den Tod. Hinzu kommt eine weitere Gefahr: Durch Kraterseen können mit einem Schlag große Mengen vulkanischer Gase freigesetzt werden. Die vermutlich durch einen Erdrutsch ausgelöste plötzliche Freisetzung einer solchen vulkanischen Kohlenstoffdioxidwolke aus dem Nyos-See in Kamerun erstickte im Jahr 1986 über Nacht 1.750 Menschen, die nördlich des Sees im Umkreis von 25 Kilometern siedelten.
Wirtschaftliche Folge abschätzen
Neben der Abschätzung von Gesundheitsrisiken geht es auch darum, mögliche wirtschaftliche Auswirkungen zu bewerten. Wie der Ausbruch des isländischen Vulkans Eyjafjallajökull im April 2010 gezeigt hat, kann es zu beträchtlichen Einschränkungen des Flugverkehrs kommen. Allein durch dieses Extremereignis mit seiner riesigen Aschewolke mussten laut Eurocontrol mehr als 100.000 Flüge für den gesamten Zeitraum der Eruption annulliert werden. Circa zehn Millionen Passagiere mussten auf ihre Flüge verzichten. Als Folge entstand den Fluggesellschaften ein wirtschaftlicher Schaden von weit über einer Milliarde Euro.
Weitaus gravierender können die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Auswirkungen sein, wenn es sich um den Ausbruch eines Supervulkans handelt. Damit sind extrem starke Ausbrüche gemeint. Auf dem sogenannten Vulkanexplosivitätsindex (VEI) rangieren sie auf dem Skalenplatz 8. Ein historisches Beispiel hierfür ist der Ausbruch des Sumatra-Vulkans Toba vor rund 75.000 Jahren, bei dem mehr als 2000 Kubikkilometer Material ausgestoßen wurden.
Bislang ist die moderne Welt, so wie wir sie kennen, von einem Extremereignis mit VEI 7 oder höher glücklicherweise verschont geblieben. Aber die Risikoanalysen für die Phlegräischen Felder (Campi Flegrei) – westlich der von über 4 Millionen Menschen bewohnten Metropolregion bei Neapel und rund 20 Kilometer vom Vesuv entfernt – weisen auf einen möglichen Supervulkan auch mitten in Europa hin (siehe dazu auch ESKP-Beitrag Walter, 2018).
Referenzen
- Hensch, M., Dahm, T., Ritter, J., Heimann, S., Schmidt, B., Stange, S. & Lehmann, K. (2019).Deep low-frequency earthquakes reveal ongoing magmatic recharge beneath Laacher See Volcano (Eifel, Germany).Geophysical Journal International, 216(3), 2025-2036. doi:10.1093/gji/ggy532.
- Impact of volcanic ash on air traffic. [Artikel Eurocontrol]. (2010, 1. Juli). [www.eurocontrol.int]. Aufgerufen am 15.04.2020.
- „Künstliche Intelligenz“ eignet sich zur Überwachung von Vulkanen [Pressemitteilung des GFZ]. (2019, 15. Juli). [www.gfz-potsdam.de]. Aufgerufen am 15.04.2020.
- Laiolo, M., Coppola, D., Loibl, D., Hellwich, O. & Walter, T. R. (2019). Towards Global Volcano Monitoring Using Multisensor Sentinel Missions and Artificial Intelligence: The MOUNTS Monitoring System. Remote Sensing, 11(13):1528. doi:10.3390/rs11131528.
- Pazifischer Feuerring. (o.D.). [Grundlagenartikel]. Earth System Knowledge Platform [www.eskp.de/grundlagen]. Abgerufen am 03.03.2020.
- Tiefe Erdbeben weisen auf Aufstieg magmatischer Fluide unter dem Laacher See hin [Pressemitteilung des KIT]. (2019, 07. Januar). [www.kit.edu]. Aufgerufen am 15.04.2020.
- Vulkane auf Island: Risiko und Überwachung [Pressemitteilung des GFZ]. (2011, 25. Mai). [www.gfz-potsdam.de]. Aufgerufen am 15.04.2020.
- Vulkane: Eruptionstypen. (o.D.). [Grundlagenartikel]. Earth System Knowledge Platform [www.eskp.de/grundlagen]. Abgerufen am 03.03.2020.
- Vulkantypen. (o.D.). [Grundlagenartikel]. Earth System Knowledge Platform [www.eskp.de/grundlagen]. Abgerufen am 03.03.2020.
- Walter, T. (2018, 27. Juni). Zivilisation meets VEI-7 Eruption: Die Menschheit ist schlecht aufgestellt. Earth System Knowledge Platform [www.eskp.de], 5. doi:10.2312/eskp.026
DOI
https://doi.org/10.2312/eskp.2020.2.7.1
Zitiervorschlag: Jorzik, O. (2020). Das Gefahrenpotenzial von Vulkanen durch Überwachung verringern. In O. Jorzik, J. Kandarr, P. Klinghammer & D. Spreen (Hrsg.), ESKP-Themenspezial Vulkanismus und Gesellschaft. Zwischen Risiko, Vorsorge und Faszination (S. 138-143). Potsdam: Helmholtz-Zentrum Potsdam, Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ. doi:10.2312/eskp.2020.2.7.1