Forschungsmethoden

Bedarf an genaueren Schadensprognosen wächst – OASIS Hub bringt Daten zusammen

Mit dem OASIS Hub ist eine einzigartige Online-Plattform entstanden, in die verlässliche Daten aus Wirtschaft und Wissenschaft einfließen. Damit lassen sich Risiken von Naturgefahren genauer abschätzen.

Text: Nicola Isendahl, Oliver Jorzik (ESKP)

Fachliche Durchsicht: Dr. Kai Schröter

Deutsches GeoForschungsZentrum Potsdam (GFZ)

  • Extremereignisse wie Dürre oder Starkregen können sich in Zukunft häufen. Daher benötigen Städte genauere Prognosen über mögliche Risiken und zu erwartende Schäden.
  • Die über den OASIS Hub verfügbaren Informationen decken Naturgefahren wie Hochwasser, Erdbeben, Tsunamis, oder Hagel ab.
  • Das GeoForschungsZentrum Potsdam ist mit einem Forschungsprojekt beteiligt, bei dem aktuelle und zukünftige Hochwasserrisiken analysiert werden. Hochwasser ist in Deutschland die schadenträchtigste Naturgefahr.

Stürme, Dürreperioden, Erdbeben, Waldbrände, Vulkanausbrüche, Hochwässer – diese Naturereignisse sind grundsätzlich kein neues Phänomen. Was sich jedoch zunehmend verändert, sind deren Ausmaß und Folgen. Extremereignisse könnten sich in Zukunft häufen. Und die Folgen werden immer verheerender. Denn durch die zunehmende Siedlungsdichte erhöht sich die Verwundbarkeit sozialer und technischer Systeme. Weltweit sind wachsende Städte die Schwerpunkte für Schäden durch Naturgefahren.

Durch die Veränderung bei den Folgen von Naturereignissen wächst der Bedarf an belastbaren Schadensprognosen. In der Versicherungsbranche wird schon seit längerer Zeit mit Simulationsmodellen zur Risikoanalyse von Naturgefahren gearbeitet, um beispielsweise tragfähige Versicherungen für Elementarschäden anzubieten. Seit 2009 bestehen durch die Einführung der EU-Rahmenrichtlinie Solvency II klare Forderungen, dass Anbieter von Versicherungen solvent sein müssen, um Schäden zahlen zu können. Das heißt, sie müssen die Risiken für die Schäden, die sie versichern, vorher gut kennen. Für diese Risikoabschätzungen greifen Versicherer in der Regel auf kommerzielle Anbieter zurück. Das Problem hierbei: Die Daten, Methoden und Annahmen sind zumeist nicht transparent.

In der Wissenschaft werden täglich wertvolle Daten erhoben. Diese Daten haben einen hohen potenziellen Nutzen für Gesellschaft und Unternehmen. Hier setzt OASIS Hub, an dem auch das Deutsche GeoForschungsZentrum Potsdam (GFZ) im Rahmen von Forschungs- und Entwicklungsprojekten beteiligt ist, als Online-Plattform an. Die Plattform wurde im Sommer 2017 gegründet. Sie bietet eine Art Marktplatz für die Veröffentlichung, aber auch den Kauf von Umweltdaten, Werkzeugen, Modellen und Dienstleistungen. Eine enge Zusammenarbeit mit der Versicherungswirtschaft liegt aufgrund der zunehmenden Nachweispflichten nahe. Aber auch städtische Verwaltungen und Behörden haben Bedarf nach risiko-orientierten Verfahren für Planungen und die Entwicklung von Anpassungsstrategien. Daher sind sie Interessenten und potenzielle Kunden für die Plattform.

Die über den OASIS Hub verfügbaren Informationen decken die Naturgefahren Hochwasser, Erdbeben, Tsunamis, Vulkanausbrüche, Starkregen und Hagel, Wirbelstürme, Dürren und Hangrutschungen ab, alles hochrelevante Daten für Städte. Es sind unter anderem Beobachtungsdaten, Datensätze aus Modellsimulationen, Analysewerkzeuge, und diverse Modelle verfügbar. Über den OASIS Hub können Daten gesucht, hinsichtlich ihrer Brauchbarkeit geprüft, lizensiert, gekauft und heruntergeladen werden.

Was ist der Ansatz von OASIS Hub?

Das eigentliche Werkzeug hinter dem OASIS-Hub-Marktplatz ist der OASIS Loss Modelling Framework (LMF), der seit 2014 besteht. Der LMF bietet einen standardisierten Ansatz mit einheitlichen Datenformaten und Schnittstellen. Dadurch werden die Daten vergleichbar und zugleich interoperabel. Das heißt, sie können durch die Standardisierung modular mit den Systemen verbunden werden, die bereits in den Unternehmen vorhanden sind. Für Risikoabschätzungen egal welcher Naturgefahren bezieht sich das im Kern auf drei Fragen:

1.) Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit dafür, dass eine Gefahr eintritt und in welcher Intensität träte sie  auf?

2.) Welche Werte sind exponiert, d.h. der Gefahr ausgesetzt und sollten geschützt werden?

3.) Wie anfällig sind die zu schützenden Werte gegenüber der Einwirkung der Naturgefahr?

Die Entwicklung des OASIS Hub verläuft seit dem Start sehr positiv. Trotz der kurzen Laufzeit sind bereits mehr als 60 Organisationen registriert, die selbst Daten bereitstellen. Dazu zählen vornehmlich Forschungseinrichtungen sowie Versicherungen. OASIS Hub ist grundsätzlich weltweit ausgerichtet. Da es sich um eine Initiative handelt, die in Europa gestartet ist, stammen die bisherigen Partner und die vorhandenen Anwendungen primär aus dem Bereich des europäischen Binnenmarktes.

Hochwasserrisiken der Donau besser abschätzen – ein Anwendungsbeispiel des OASIS Hub

Das GFZ ist gemeinsam mit verschiedenen Versicherern am OASIS Hub mit einem Forschungsprojekt beteiligt, bei dem aktuelle und zukünftige Hochwasserrisiken analysiert werden. Hochwasser ist in Deutschland die schadenträchtigste Naturgefahr. Insbesondere Städte sind häufig an Flussläufen angesiedelt und somit gefährdet. Die GFZ-Sektion Hydrologie hat Datensets zu Überschwemmungstiefen für den deutschen Teil des Einzugsgebiets der Donau zur Verfügung gestellt. Dadurch kann das Portal historische, aktuelle und für die Zukunft modellierte Datensätze zu Überschwemmungstiefen in Zentimetern liefern, und dies mit einer Auflösung von hundert Metern entlang von 4150 Flusskilometern im deutschen Donaugebiet.

Im Rahmen des EU-Forschungsprojekts OASIS|H2020_Insurance führt das GFZ nun eine weitere Studie zu Hochwassern mit dem Fokus auf die ungarische Hauptstadt Budapest durch. Dr. Kai Schröter, wissenschaftlicher Mitarbeiter und Projektmanager in der Sektion Hydrologie am GFZ, beschäftigt sich mit Fragen des Hochwasserrisikos, insbesondere Schadensmodellierung sowie hydrologischer und hydraulischer Modellierung. Für OASIS Hub wurden Daten als ‚Climate Service‘ generiert. Die für das Donaugebiet entwickelten und angewendeten Modelle zur Abschätzung des zukünftigen Hochwasserrisikos beinhalten auch einen statistischen Wettergenerator, mit dem extreme Wetterereignisse synthetisch erzeugt werden können. Hinzu kommen hydrologische und hydraulische Simulationsmodelle sowie Hochwasserschadenmodelle und Werkzeuge, um Maßnahmen zur Anpassung an künftige Hochwasser besser zu planen.

Die Donau ist insofern ein wichtiges Untersuchungsgebiet, als es hier noch keine flächendeckende und zusammenhängende Analyse von Risiken gibt. Daher besteht von Seiten der Versicherung, aber auch der Städte, ein sehr großes Interesse an solchen Daten. Eine besondere Herausforderung in der Projektarbeit ist die Zusammenarbeit mit den ungarischen Partnern. Neben den Sprachbarrieren zählt dazu auch die Frage der Sichtweise auf die Problematik. In Ungarn werden Katastrophen durch Naturgefahren bisher vorrangig in Bezug auf die Definition eines Schutzniveaus ohne explizite Analyse von Risiken betrachtet und bewertet. In OASIS Hub wird ein risiko-orientierter Ansatz vorangebracht.

Ausblick: Qualität der Daten sichern

Die Website OASIS Hub gibt es nun seit knapp einem Dreivierteljahr. Noch gibt es mehr Daten und weniger Modelle und Services. Perspektivisch ist eine kommerzielle Nutzung geplant als eine Art Amazon für wissenschaftliche Dienste. Man soll also Produkte zu vorher festgelegten Preisen kaufen können. Zusätzlich sollen dem Käufer weitere verwandte interessante Wissenschaftsprodukte vorgeschlagen werden.

Noch sind hier aber zahlreiche rechtliche Fragen zu klären, beispielsweise ob eine öffentliche Forschungseinrichtung wie das GFZ kommerziell tätig sein darf und wie entsprechende lizenzrechtliche Regelungen aussehen könnten. Darüber hinaus sind bei der Anwendung des OASIS Hub auch Modellierungskenntnisse notwendig. Es muss daher ein Weg gefunden werden, wie auch kleinere Versicherungsgesellschaften oder Kommunen, die nicht über diese Kenntnisse verfügen, von den Diensten profitieren.

Eine Schlüsselkomponente für den Erfolg von OASIS Hub besteht in der Qualität der Daten. Daher wird die Qualitätssicherung eine Schlüsselposition in der weiteren Entwicklung einnehmen. Zwar sind die angebotenen Daten mit Metadaten verknüpft und es wird auf Peer-review-Verfahren bei der Datengewinnung verwiesen. Die Belastbarkeit der Daten wird jedoch letztlich vermutlich auch auf der Kundenseite zu suchen sein. Eine dafür notwendige Nutzerbewertung ist bereits in Planung.

Beitrag erstellt am 9. Mai 2018

Hintergrundinformationen

Mit dem OASIS Loss Modelling Framework (LMF) ist 2014 ein open source Anbieter mit Daten und Modellen zu Schadensszenarien auf den Markt gekommen, der vor allem Interoperabilität der Daten und Modelle ermöglicht. Um die Verfügbarkeit von Informationen über Katastrophen- und Klimawandelrisiken zu verbessern und die Entwicklung einer evidenzbasierten Klimaanpassungsplanung zu unterstützen, wurde im Juni 2017 der OASIS Hub als Online-Portal ins Leben gerufen. Oasis HUB ist eine gemeinsame Initiative von EIT Climate-KIC, dem Oasis LMF Ltd und dem Oasis + Consortium, das 2015 gegründet wurde. Der OASIS LMF ist das eigentliche Tool hinter der OASIS-Hub-Website.

Das forschungsseitige Interesse an der Plattform ist, die Daten in Anwendung zu bringen. Das Interesse der Versicherer, Schadensmodellierungen zu erhalten mit belastbaren Risikoabschätzungen. Dafür zahlen sie einen jährlichen Mitgliedsbeitrag bei OASIS Hub.

Quellen

Weiterführende Informationen

  • Q&A auf www.leadersedgemagazine.com mit Dickie Whitaker, Project Director, OASIS Loss Modelling Framework 
  • „Werkzeuge für die Analyse zukünftiger Naturgefahren“, Interview mit Dr. Kai Schröter, Projektmanager in der Sektion Hydrologie am Deutschen GeoForschungsZentrum Potsdam (GFZ) zum OASIS-Projekt (01.03.2018)