Handlungsoptionen: Stadtklima verbessern

Neubauten: Ausgleichsflächen dem Klimawandel anpassen

Der Klimawandel beeinflusst Ökosystemdienstleistungen auf vielfältige Weise. Gegenwärtig wird nicht geprüft, ob Kompensationsmaßnahmen, die bei Neubauvorhaben umgesetzt werden müssen, auch dann noch funktionieren, wenn sich das Klima ändert. So werden Biotope und Feuchtgebiete künftig einem höheren Stress ausgesetzt sein. Für Städte und Gemeinden gibt es nun Unterstützung, die richtigen Entscheidungen zu treffen, wenn es um Ausgleichsflächen geht.

Text: Dr. Steffen Bender

CLIMATE SERVICE CENTER GERMANY (GERICS)

  • Wenn es um die Erschließung von Neubauarealen geht, werden Kompensationsmaßnahmen, also Ausgleichsflächen, als ein wichtiger Bestandteil der Landschaftsplanung eingesetzt.
  • Mit Blick auf den Klimawandel müssen Ausgleichsflächen vorausschauender geplant werden.
  • Gerade Feuchtbiotope oder Kleingewässer könnten vermehrt unter Hitzestress leiden und benötigen dann eine intensivere Pflege.

Gemäß der naturschutzrechtlichen Gesetzgebung der Bundesrepublik Deutschland sind zur Sicherung der Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts und des Landschaftsbildes grundsätzlich alle Eingriffe zu unterlassen. Dort, wo ein Eingriff aus wirtschaftlichen, gesellschaftlichen oder anderen Gründen unerlässlich ist, sind die damit verbundenen Folgen auszugleichen. Dementsprechend ist es gesetzlich gefordert, bei der zugehörigen Bauleitplanung die Umweltbeeinflussung zu berücksichtigen. Gerade wenn es um die Erschließung von Neubauarealen geht, werden Kompensationsmaßnahmen, also Ausgleichsflächen oder Ersatzmaßnahmen, als ein wichtiger Bestandteil der Landschaftsplanung eingesetzt. Diese sollen grundsätzlich unter Berücksichtigung der Standorteigenschaften und des Kompensationsbeitrags ausgewählt werden.

Mit dem Klimawandel und seinen Folgen kommen nun bei der Auswahl von Kompensationsmaßnahmen neue Aspekte hinzu. Denn die ausgewählten Maßnahmen sollen nicht nur den heutigen, sondern auch den zukünftigen Klimabedingungen standhalten. So beeinflussen beispielsweise klimawandelbedingte Veränderungen der durchschnittlichen Temperatur und ihres jahreszeitlichen Verlaufs die Länge der Vegetationsperiode. Diese können sich auf die (pflanzliche) Artenvielfalt auswirken. Ökosystemdienstleistungen können sich verändern, pflanzliche Populationen reduziert oder Pflanzenschädlinge begünstigt werden. Vor diesem Hintergrund besteht das Risiko, dass ökologische Zielsetzungen von geplanten Kompensationsmaßnahmen in der Zukunft nicht erreicht beziehungsweise nicht eingehalten werden.

Das Climate Service Center Germany (GERICS) des Helmholtz-Zentrums Geesthacht veröffentlichte kürzlich zu diesem Themenkomplex einen Report mit dem Titel „Klimawandeltaugliche Kompensationsmaßnahmen“. Der Bericht wurde basierend auf den Ergebnissen eines Kooperationsprojekts mit der Grontmij GmbH (jetzt SWECO GmbH) erstellt, einem Dienstleister in den Bereichen Städtebau, Flächenmanagement und Regionalentwicklung. Dabei ging es darum, eine methodische Vorgehensweise zu entwickeln, die die Identifizierung und Umsetzung klimawandeltauglicher Kompensationsmaßnahmen in der Praxis gewährleistet und auch von anderen Städten und Gemeinden übernommen werden kann.  

Die zentralen Fragestellungen der Untersuchung lauteten:  
•    Wie können sich klimatisch veränderte Bedingungen auf geplante und bereits umgesetzte Kompensationsmaßnahmen auswirken?
•    Wie können Kompensationsmaßnahmen ihre ursprünglich angedachte Funktion auch unter klimatisch veränderten Bedingungen erreichen und bewahren?

Als ein zentrales Ergebnis des Reports wird eine Lücke bei der Auswahl von Ausgleichs- und Kompensationsflächen herausgearbeitet. Denn gegenwärtig findet keine Überprüfung statt, ob Kompensationsmaßnahmen auch unter klimatisch veränderten Bedingungen noch funktionstüchtig sind. So kann eine mögliche Erwärmung oder Zunahme der Intensität und Anzahl von Extremereignissen – wie Hitzewellen, Dürreperioden oder Starkregen – die gewünschte Funktion der Maßnahmen, wie beispielsweise von neuangelegten, naturnahen Feuchtbiotopen oder renaturierten Waldflächen zur Neuwaldbildung, sowohl positiv wie auch negativ beeinflussen. Um sich angemessen an diese Klimawandelfolgen anpassen zu können und damit ein Verfehlen der Zielsetzungen von Kompensationsmaßnahmen in der Zukunft zu vermeiden, können auf Basis der Einzelfallbetrachtungen unterstützende Maßnahmen entwickelt werden.

Der GERICS-Report richtet sich an wachsende Städte und Gemeinden – vor allem wenn sie Neubaugebiete ausweisen wollen. Die Bewertung der Klimaveränderungen basiert auf aktuellen und für die Zukunft projizierten Klimainformationen für die erste Hälfte des 21. Jahrhunderts, ausgehend von einem Ensemble aus 34 regionalen Klimaprojektionen, also räumlich hochaufgelösten Klimasimulationen, die mit einem numerischen Klimamodell erstellt wurden. Untersucht werden anhand von drei Fallbeispielen veranlasste Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen für die Landeshauptstadt Kiel sowie für eine Umlandkommune nahe Kiel.

Die Analyse beruht auf vier Arbeitsschritten. Sie betrachtet einerseits die ursprünglichen Aussagen zur geoökologischen Zielsetzung, die im Rahmen eines Planfeststellungsverfahrens getroffenen wurden. Zudem werden die Auswirkungen möglicher klimatischer Veränderungen unter Berücksichtigung der projizierten Klimaveränderung betrachtet und daraus das Erreichen oder das Scheitern der Zielsetzungen in der Zukunft abgeleitet.

Beitrag erstellt am 9. Mai 2018

Hintergrundinfo: Kompensationsmaßnahmen

Negative Folgen von Eingriffen in Natur und Landschaft (Beeinträchtigungen) sollen grundsätzlich vermieden und minimiert werden. Dies ist im Bundesnaturschutzgesetz (BNatschG) mit der sogenannten Eingriffsregelung nach §§ 14 und 15 geregelt. Wo Eingriffe nicht zu vermeiden sind, sollen sie durch Maßnahmen des Naturschutzes ausgeglichen werden. Dies gilt auch für die Stadtplanung. Das Baugesetzbuch nimmt explizit Bezug zum BNatSchG und legt fest, dass die Bauleitplanung nach dessen Vorschriften des Umweltschutzes zu erfolgen hat (vgl. §§ 1a und 35 BauGB). 

Nach §15(1) BNatSchG ist eine Beeinträchtigung ausgeglichen, „wenn und sobald die beeinträchtigten Funktionen des Naturhaushalts in gleichartiger Weise wiederhergestellt sind und das Landschaftsbild landschaftsgerecht wiederhergestellt oder neu gestaltet ist.“ Ausgleichsmaßnahmen sind also möglichst nah an einem Eingriff zu bemessen. Müssen beispielsweise Bäume für eine Maßnahme gefällt werden, sollen möglichst ortsnah andere Bäume gepflanzt werden. Ist dies nicht möglich, kommt eine Ersatzmaßnahme in Betracht. Hier können auch andere Maßnahmen des Naturschutzes, nicht gleichartig, aber gleichwertig zu der verlorenen Funktion erfolgen. Im Falle der gefällten Bäume muss dann entschieden werden, welche Funktion ersetzt werden soll und wie und wo dies geschehen kann, bspw. Wasserrückhaltefunktion durch Flächenentsiegelung.

Wälder kommen besser klar als Feuchtbiotope oder Kleingewässer

Als typische Kompensationsmaßnahmen wird unter anderem eine Erstaufforstung betrachtet, die Schaffung einer halboffenen Weidelandschaft sowie die naturnahe Umgestaltung eines Fließgewässers beziehungsweise die Wiedervernässung eines Niedermoores.

Die Auswertung der projizierten Änderungssignale, beispielsweise in Bezug auf Temperatur, saisonale Niederschlagsmuster und Starkregenereignisse, in Verbindung mit den lokalen Standortbedingungen, lässt für die untersuchten Kompensationsgebiete eher schwach ausgeprägte klimatische Veränderungen mit geringfügigen Auswirkungen erwarten. Das bedeutet: Voraussichtlich werden sich für die Neuwaldbildung beziehungsweise die Waldentwicklung durch Erstaufforstung sowie die Entwicklung der halboffenen Weidelandschaft keine erheblichen Auswirkungen ergeben. Es ist davon auszugehen, dass die standortbezogenen geoökologischen Zielsetzungen erreicht werden, sodass im Jahr 2050 Waldareale, Niedermoor-, Röhricht- sowie Seggenriedbereiche und eine halboffene Weidelandschaft entstanden sein werden.

Im Hinblick auf Baumarten in den Waldarealen gelten Rotbuche, Sandbirke, Spitz- und Bergahorn, Bergulme und Winterlinde als klimawandeltauglich. Wärmetolerierende Baumarten wie die Stiel- und Traubeneiche, Hainbuche, Sommerlinde und die Gemeine Esche profitieren sogar von einem wärmer werdenden Klima. Arten wie Fichte und Kiefer hingegen werden in Mitteleuropa allgemein als Risikobaumarten eingestuft (Moosbrugger et al. 2014).

Anders sieht es bei der (eigenständigen) Entwicklung von Feuchtbiotopen wie Klein-, Still- und Fließgewässern, Niedermoorbereichen und partiell auch Schwemmwiesen aus. Diese werden eher oder teilweise gefährdet sein. Sinkende Grundwasserstände beziehungsweise fallende Wasserstände der Oberflächengewässer bis hin zum Austrocknen von Feuchtbiotopen erhöhen deutlich den Wasserstress. Zudem können Verkrautungen und/ oder stark bewachsene Uferzonen zur Sedimentation, Verlandung und Verschlechterung der Wasserqualität führen. Hohe Nährstoffeinträge, geringere Verdünnung von Wasserinhaltsstoffen und ein geringer Sauerstoffanteil können zum Absterben von Arten und somit zum Rückgang der Artenvielfalt führen.

Um die Funktionsfähigkeit der Gewässer sowie der wasserabhängigen Biotope und Lebensräume dennoch zu erreichen, besteht die Möglichkeit durch zusätzliche (Pflege-) Maßnahmen die eigenständige Entwicklung positiv zu beeinflussen. Beispielsweise können Gewässer regelmäßig von organischem Grünmaterial gereinigt oder Uferzonen von stark wachsenden Pflanzen befreit werden, um die Aktivität der Biotope zu erhalten.

Bei der Bearbeitung weiterer Flächen muss beachtet werden, dass die in dem Report getroffenen Aussagen nicht per se auf andere Fallbeispiele übertragen werden können. Es ist jeweils eine Einzelfallprüfung notwendig, da sich die jeweiligen Standortbedingungen wie Bodenfeuchtigkeit oder lokale Wasserkreisläufe deutlich unterscheiden können.

Weiterer Forschungsbedarf besteht

Obwohl ausgewählte Ausgleichs- und Kompensationsflächen ihre Funktionstüchtigkeit für mehrere Dekaden gewährleisten sollen, findet die Flächenauswahl gegenwärtig nur auf Basis historischer Klimadaten sowie der aktuellen Klimabedingungen statt. Momentan wissen wir nicht, wie sich Kleingewässer, Schwemmwiesen, Neuanpflanzungen oder andere Biotope in der Zukunft entwickeln werden. Darüber hinaus ist noch nicht klar, ob die so angelegten Flächen auch invasiven Arten neue Stützpunkte liefern und so deren Ausbreitung auf Kosten der heimischen Arten begünstigen. Weitere wichtige Forschungsfragen sind:

  • Welchen Einfluss haben die Ausgleichs- und Kompensationsflächen auf Biodiversität, Ökosysteme und Ökosystemdienstleistungen?
  • Wie verändert sich die lokale Funktionstüchtigkeit von Ausgleichs- und Kompensationsflächen unter Einfluss des Klimawandels und mit welcher Datenbasis kann diese Entwicklung in die Zukunft projiziert werden?
  • Wie muss die eigentliche Bewertung erfolgen, wenn sich die Rahmenbedingungen sowohl für die Ausgleichs- und Kompensationsflächen als auch für die bebaute Fläche verändern, d.h. wenn die Rahmenbedingungen dynamischen Veränderungen unterliegen? Können Dach- und Fassadenbegrünungen als Kompensationsmaßnahmen angesehen werden? Wie müsste der regulatorische Rahmen angepasst werden, um dies zu ermöglichen?

Quellen

  • Adams, H. D., Zeppel, M. J. B., Anderegg, W. R. L., Hartmann, H., Landhäusser, S. M., Tissue, D. T., ... McDowell, N. G. (2017). A multi-species synthesis of physiological mechanisms in drought-induced tree mortality. Nature Ecology and Evolution, 1, 1285-1291. doi:0.1038/s41559-017-0248-x
  • Mosbrugger, V., Brasseur, G., Schaller, M. & Stribny, B. (Hrsg.). (2014). Klimawandel und Biodiversität – Folgen für Deutschland. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft.

Weiterführende Informationen