Natürliche Ressourcen unter Druck

Der städtische Hunger nach Sand: Kiessand wird knapper

Momentan toppen die geförderten Mengen Sand und Kies jeden anderen festen Rohstoff weltweit. Zwar wurde der Sandabbau an Land, in Binnengewässern und im Meer noch nicht beziffert und statistisch genau erfasst. Kiessand jedoch ist der Rohstoff, den ein Mensch statistisch im Leben am meisten verbraucht. In jedem Glas, jedem Quadratmeter Straße und in jedem Gebäude steckt er. Für den Bauboom der wachsenden Städte wird der benötigte Sand vielfach aus weit entfernten Ländern und Regionen herantransportiert.

Text: ESKP-Redaktion (Jana Kandarr)

  • Konservative globale Schätzungen belaufen sich auf 40 Milliarden Tonnen Sandverbrauch pro Jahr (UNEP).
  • Wüstensand ist aufgrund seiner speziellen Korngrößen und Kornformen ungeeignet für die Baubranche.
  • Die Verteuerung des Rohstoffs Sand ist besonders nachteilig für bisher wenig entwickelte Regionen.

Sand ist ein rares Gut. Das klingt zunächst wie eine Mär. Wie unwirklich, zeigt sich im deutschen Sprachgebrauch: „Wie Sand am Meer“ steht für nahezu unendlich. Sand ist in der Tat, gemeinsam mit Kies, der feste Rohstoff, von dem weltweit die größte Menge gefördert wird. Für jeden Quadratmeter Haus, Asphaltstraße, jedes Fenster aber auch für Glas, Zahnpasta, Mikrochips oder Papier wird er gebraucht. Ist Sand einmal in Beton gebunden, kann er nicht mehr in seine Ursprungsform rückgewandelt werden. Circa zwei Drittel aller Gebäude weltweit werden heute mit Stahlbeton gebaut, der wiederum aus Sand (ca. 31 Prozent) bzw. Kies (ca. 40 Prozent) besteht. Natürliche Gesteinskörnungen aus Kies/Sand werden in Deutschland zu rund 95 Prozent für Bauzwecke im Hoch- und Tiefbau verwendet (BGR). Landgewinne wie bei der Aufschüttung von Land in Singapur, Hongkong oder Dubai bedürfen gigantische Mengen dieser Ressource.

Der globale Sandverbrauch hingegen wurde noch nicht beziffert. Der Abbau von Sand und Kies wird global statistisch unzureichend erfasst. Schätzungen basieren daher entweder auf der Zementproduktion oder auf dem Pro-Kopf-Einkommen. Es gibt einen statistischen Zusammenhang zwischen Einkommen und Verbrauch. Eine anschauliche Zahl hierzu: im Jahr 2012 hätte mit all dem durch Bauaktivitäten global verbrauchten Beton eine 27 Meter hohe wie breite Wand rund um den 40.075 Kilometer langen Äquator unserer Erde errichtet werden können (Umweltprogramm der Vereinten Nationen ). Oder diese eindrucksvolle Zahl: China hat in drei Jahren so viel Sand verbraucht hat wie die USA in den letzten 100 Jahren (Bill Gates Stiftung). Klar ist: Der jetzige Städteboom ist ohne Sand undenkbar. Konservative globale Schätzungen belaufen sich auf 40 Milliarden Tonnen abgebauten Sand pro Jahr. Dies wären zweimal so viel Verwitterungspartikel wie alle Flüsse der Welt jedes Jahr transportieren. Doch die Vorkommen in der Erdkruste sind noch hoch. 

Sedimentmengen drastisch durch Dämme reduziert

Ein großer Anteil der Sande, die ursprünglich die Meere erreichten,  wird heute schon auf dem Weg dorthin in Flussläufen abgegriffen oder sammelt sich hinter Staudämmen. 30 Prozent des globalen Sedimentflusses, so Schätzungen, sammelte sich allein in den letzten fünfzig Jahren hinter großen Staudämmen. Circa 845.000 Dämme soll es inzwischen weltweit geben. Sedimente kommen demnach nicht mehr dort an, wo sie als Nährstofflieferant oder Rohstoff gebraucht werden, wie das Beispiel des Mekong-Delta zeigt. In den sechs Anrainerstaaten des Mekong-Flusses China, Myanmar, Laos, Thailand, Kambodscha und Vietnam sind eine Vielzahl von Staudämmen an den Nebenflüssen und am Hauptstrom für die nächsten Jahrzehnte geplant. Nach derzeitigen Informationen beläuft sich die Zahl der geplanten neuen Staudämme auf 136. Wird über alle zukünftig möglichen Szenarien gemittelt, ergibt sich eine Reduktion der Sedimentation auf den Überflutungsflächen im Mekong-Delta für den Zeitraum 2050 bis 2060 von 40 Prozent (im Vgl. zu 2000 bis 2010). Werden alle geplanten Staudämme realisiert ist eine Reduktion um 90 Prozent möglich. Bei tatsächlicher Fertigstellung aller geplanten Dämme würden praktisch kaum noch Sedimente im Delta ankommen. Dies obwohl Entwaldung und schlechtes Bodenmanagement wiederum auch mehr Sedimente in die Flüsse spült. In der Folge sammeln sich zukünftig Sedimente an ganz anderen Stellen im Flusslauf als unter natürlichen Bedingungen.

Auch illegaler Abbau reduziert Verfügbarkeit

Mit Sand lassen sich gute Geschäfte machen. Meist fallen in Entwicklungsländern einzig die Abbaukosten samt der Lizenzen ins Gewicht. Sand über weite Strecken zu transportieren, ist sehr umweltschädlich, da der Transport mit Schiffen bewerkstelligt wird. Nur wenige Staaten können sich leisten, den Bausand von weither zu importieren. Dubai beschaffte sich Sand aus Australien. Der Preis pro Einheit ist bei Sand vergleichsweise gering, ein Transport über weite Strecken lohnt eben nicht zwingend. In München kann deshalb derzeit auch fünfmal mehr für eine Tonne Sand verlangt werden als in Mecklenburg-Vorpommern. Der Abbau erfolgt möglichst in der Nähe zum Verbrauchsort. Für den Bauboom in Singapur kam der Sand zunächst aus dem Nachbarland Malaysia (Exportverbot seit 1997). Sehr eindrücklich zeigte sich in Singapur, was ein Exportverbot (teils temporär) von Sand bedeutet: Ende der 90iger Jahre betrug der durchschnittliche Preis nur 3 US-Dollar pro Tonne Sand in Singapur. Nach dem Exportverbot verdreiundsechszigfachte sich der Preis (2003-2005), was den illegalen Export noch attraktiver machte. 2007 hat dann die indonesische Regierung den Export verbieten müssen. Kambodscha und Vietnam folgten 2017. Die legale und illegale Förderung an vielen dezentral verteilten Orten ist nur schwer zu kontrollieren. Deshalb können illegale Aktivitäten nur schlecht gestoppt werden. In Indien beispielsweise ist die „Sand-Mafia“ eine der größten kriminellen Organisationen des Landes, laut Aurora Torres in Science. Annähernd 17 Millionen US-Dollar pro Monat werden mit dem illegalen Sandabbau generiert. 

China hat in drei Jahren so viel Sand verbraucht wie die USA in den letzten 100 Jahren.

Singapur - größter Sandimporteur der Welt

1822 erfolgte der erste Landaufschüttung am Singapore River. Die damaligen Kolonialherren Großbritanniens ließen dafür einen Hügel abtragen. Seit der Unabhängigkeit Singapurs im Jahre 1963 ist der Stadtstaat bereits um ein Viertel gewachsen – von 224 Quadratkilometer auf 277 Quadratkilometer. Bis 2030 möchte die Regierung das Festland auf 300 Quadratkilometer ausweiten.

Singapur ist der mit Abstand größte Importeur von Sand weltweit. 517 Millionen Tonnen Sand wurden in den letzten zwanzig Jahren offiziell verbaut. Pro Einwohner schlägt dies mit 5400 Kilo Sand zu Buche. Die Exportbilanz der Anrainerstaaten und die Importbilanz Singapurs unterscheiden sich jedoch gravierend: während Singapur von einem Import von 517 Millionen Tonnen spricht, geben die Nachbarländer einen Export von 637 Millionen Tonnen im gleichen Zeitraum nach Singapur an (UN Comtrade). Der Sand stammt aus Indonesien, aber auch Malaysia, Thailand und Kambodscha. In den genannten Ländern ist der Export nach Singapur inzwischen verboten. Dies obwohl der Baudruck in Singapur enorm bleibt: Singapurs Küstenstraßen müssen höher gelegt werden. Auch der neue Flughafen bereitet Sorgen, denn auch er liegt nur knapp 5,50 Meter über dem Meeresspiegel. Ein Drittel Singapurs ragt weniger als fünf Meter über dem Meeresspiegel heraus.

Zudem wurde ein auf 30 Jahre angelegtes Mega-Bauprojekt vor kurzem auf den Weg gebracht: der Tuas-Hafen. Für ihn mussten bereits in der ersten Bauphase 294 Hektar Land im Meer aufgeschüttet werden. 2000 Bauarbeiter arbeiten im Schichtdienst rund um die Uhr. Die Ingenieure haben in Singapur mit Sandaufschüttungen auch sieben natürliche Inseln zu einer künstlichen verschmelzen lassen: Die neue geschaffene Jurong-Insel bietet nun 32 Quadratkilometer neues Land. Über die Herkunft des Sandes machte man sich in Singapur wenig Gedanken, bis das Verschwinden von indonesischen Inseln für politische Spannungen und einen, zumindest offiziell ausgesprochenen Exportstopp des Nachbarlandes sorgte.

Sand ist nicht gleich Sand: die Bauindustrie verlangt nach unterschiedlichen Korngrößen

Die Krux für die Bauwirtschaft: Wüstensand, der weltweit gesehen in riesigen Mengen vorhanden ist und dessen Verbreitung weniger Überschneidungen mit Trinkwasserschutzgebieten oder aber bereits existierenden Baustrukturen hätte, ist für den Bausektor generell eher ungeeignet. Da die Korngrößen mit 0,1 bis 1 Millimeter sehr gleichmäßig klein sind, die Körner in ihrer Verteilung also fast gleich groß, fehlt die Siebkurve unterschiedlicher Größen, wie man sie für den Einsatz in Beton braucht. Wüstensand ergäbe, als Zuschlagsstoff in Beton, nur eine geringe Packungsdichte. Die vielen Hohlräume zwischen den gut gerundeten Körnern mit Zement zu befüllen, wäre teuer. Nur Sande, die schon unterschiedliche Korngrößen aufweisen und auch noch etwas kantig und eckig sind, haben die idealen Eigenschaften zum Einsatz im Beton. Sande aus Flussbetten beispielsweise oder aus Ablagerungen in ehemaligen Flussläufen wie hierzulande im Rheingraben, aus Deltas oder von Stränden sind für Bauindustrie wertvoll. Einige Staaten, wie z.B. Dänemark, erheben inzwischen Abgaben auf natürlichen Sand. Denn nicht nur im Bau wird er gebraucht. Neben Siliziumdioxid enthält Sand wertvolle Elemente wie Titan, Thorium und Uran. Siliziumdioxid (Quarz), als Bestandteil des Sandes, ist „härter“ als Stahl (Mohs’sche Härteskala) und sehr verwitterungsbeständig. Deshalb findet besonders quarzreicher Sand (>95% SiO2) auch hochwertigere Anwendungen als „nur“ im Bau, so zum Beispiel als Strahl- oder Bremssand zur besseren Haftung von Zügen auf den Schienen, oder geschmolzener Quarz (Quarzgut) wird zum Formmaterial in Präzisionsgießereien zum Guss von Schaufeln für Flugzeugturbinen oder Windkraftanlagen verwendet. 

Wird Sand nun knapp?

Global gesehen ist Sand kein knappes Gut. Silizium, als Bestandteil des Sandes, macht 27 Prozent des Gewichtes der Erdkruste aus. Sand ist auch laut Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) vor allem in Deutschland keine Mangelware. Doch geologische und tatsächliche Verfügbarkeit sind völlig unterschiedliche Aspekte, so die BGR. Der Abbau konkurriert mit anderen Nutzungsformen. Sand spielt eine sehr wichtige Rolle im Filtern von Trinkwasser. Vielerorts sind die ökologischen Folgen des Sandabbaus an Flussläufen, Deltas oder in Trinkwasserschutzgebieten nicht vertretbar. Dem Landschaftsschutz, aber auch europäischen Schutzgebieten (Natura 2000), muss häufig Priorität eingeräumt werden. Viele Gebiete sind zudem bereits mit Wohn- und Gewerbegebieten oder Straßen und Eisenbahnlinien überprägt. Genehmigungsverfahren können sich deshalb zeitlich ziehen. Einige Länder können zudem nicht auf so mächtige Vorkommen wie Deutschland zurückgreifen. Dass Sand ausgeht ist aufgrund der hohen geologischen Verfügbarkeit dennoch unwahrscheinlich, so der United States Geological Survey. Doch die damit einhergehenden Umweltkosten werden unwägbarer und 2018 wird es sogar in Deutschland Lieferengpässe geben. Die kürzlich veröffentlichte Studie der BGR besagt darüber hinaus, dass in Deutschland zukünftig vor allem die Bauzusatzstoffe Kies und Schotter knapp werden.

Die Ressource intelligent und für die wichtigsten Dinge nutzen, ist deshalb das Credo. Doch gibt es überhaupt Alternativen zu Sand? Woher die geschätzt 40 Milliarden Tonnen Material für den Bau nehmen? Wir zeigen in unseren Handlungsoptionen wie mit dieser Ressource im Bau schonender umgegangen werden kann und welche alternativen Baumaterialien es geben kann.

Beitrag erstellt am 9. Mai 2018

Aktuell: Bausand in Deutschland

Gegenwärtig werden nach Angaben der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) in Deutschland im Jahr rund 100 Millionen Tonnen Bausand gewonnen. Die Menge an abgebautem Bausand ist seit dem Jahr 2012 aufgrund der privaten Bauinvestitionen um ca. 5 Prozent gestiegen. Aufgrund seiner Entstehung gibt es in Deutschland eine fast unendlich große Menge an Sand, sodass ihre Tonnage nicht genau berechnet werden kann. Nur in ganz wenigen Regionen wie in den Großräumen München oder Stuttgart besteht eine geologische Knappheit. Ein Großteil der Sand-, Kies- und Natursteinvorkommen Deutschlands ist durch konkurrierende Nutzungen nicht abbaubar. In Baden-Württemberg zum Beispiel sind 85 Prozent der Landesfläche durch vorrangige Nutzungen bereits verplant und stehen für eine potenzielle Rohstoffgewinnung nicht zur Verfügung.

Ein weiteres Hindernis für eine ausreichende Versorgung mit Baurohstoffen, resultiert aus der aktuellen Entwicklung auf dem Grundstücksmarkt. Immer mehr Landwirte stellen ihre Flächen nicht für einen Rohstoffabbau zur Verfügung. Zusätzlich erschwert wird die Versorgungssituation mit Baurohstoffen durch langwierige Genehmigungsverfahren für neue Gewinnungsvorhaben sowie nicht ausreichender Verarbeitungskapazitäten der Baustoffindustrie. Als Folge davon traten im Jahr 2017 erstmals im Ruhrgebiet Versorgungsengpässe mit Baurohstoffen für den Straßenbau auf.

Quellen

  • Milliman, J. D. & Syvitski, J. P. M. (1992). Geomorphic/Tectonic Control of Sediment Discharge to the Ocean: The Importance of Small Mountainous Rivers. Journal of Geology, 100(5), 525-544. doi:10.1086/629606
  • Torres, A., Brandt, J., Lear, K. & Liu, J. (2017). A looming tragedy of the sand commons. Science, 357(6355), 970-971. doi:10.1126/science.aao0503​​​​​​​

Weiterführende Informationen