Handlungsoptionen: Stadtklima verbessern
Bäume in der Stadt sind nützlich – aber nicht immer und überall
- Der optimale Straßenbaum hat aus Sicht der Luftreinhaltung eine große Blattoberfläche, damit sich Schadstoffpartikel ablagern können.
- Stadtbäume sind möglichst resistent gegen Schadstoffe und Trockenheit.
- Stadtbäume sollten in viel befahrenen Straßenschluchten verstreut stehen und nicht die Luftzirkulation behindern.
Bäume tragen zur Verbesserung der städtischen Luftqualität bei. Uneingeschränkt kann das so nicht unterschrieben werden. Wer hätte damit gerechnet? Bäume links und rechts einer engen Häuserschlucht sorgen zwar für Schatten und Abkühlung an heißen Tagen, aber auch dafür, dass die Autoabgase dicht bei den Fußgängern hängen bleiben, da der Luftaustausch mit höheren Schichten behindert wird (Gromke und Blocken 2015). Viele Bäume verursachen zudem zeitweise eine hohe Pollenbelastung und stoßen auch noch Substanzen aus, die die Ozon- oder Feinstaubkonzentration erhöhen (Grote et al. 2016). Sie wirken dabei nicht allein, sondern mit anderen Schadstoffen aus Autoabgasen oder Hausbrand zusammen, die es meist mehr als genug in Städten gibt. Bei neuen Anpflanzungen oder Parkanlagen stellt sich damit die Aufgabe, die angestrebten Effekte ohne die befürchteten Nebenwirkungen zu erreichen. Die Antwort auf diese Frage hängt ganz von dem Umfeld ab, in dem die Pflanze stehen soll.
Das von der Graduiertenschule für Klima und Umwelt (GRACE) geförderte Projekt ‚green2clean‘ versucht die Vor- und Nachteile einzelner Bäume zu bestimmen und daraus Empfehlungen für das Anpflanzen neuer Begrünungen abzuleiten. Dabei konzentrieren sich die Wissenschaftler auf die Einflüsse auf die Luftqualität. Dr. habil. Rüdiger Grote und weitere Mitarbeiter vom Institut für Meteorologie und Klimaforschung des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) arbeiten dafür in Garmisch-Partenkirchen an Modellen, die die Entstehung, Verteilung und Deposition der wichtigsten Schadstoffe sowie die Emission von reaktiven Kohlenwasserstoffen (BVOC) berechnen. Die Arbeiten sind eng verzahnt mit anderen Projekten am KIT und erfolgen in Zusammenarbeit mit der Technischen Universität München und dem Institut für transformative Nachhaltigkeitsforschung (IASS) in Potsdam.
Am meisten überrascht hat der relativ große Einfluss, den BVOC unter bestimmten Bedingungen auf die Ozonbildung haben können. Für Berlin konnten mehr als 10 Prozent des sommerlichen Ozons auf den Einfluss dieser Stoffe zurückgeführt werden. Bei Hitzewellen, wie sie in Zukunft häufiger erwartet werden, kann der Anteil sogar auf 60 Prozent steigen (Churkina et al. 2017). Hitzeperioden sind oft gleichbedeutend mit stabilen Luftschichtungen, wobei sich Luftschadstoffe länger sammeln und so verstärkt mit anderen Stoffen reagieren können. Für die Ozon- und auch Partikelbildung sind vor allem Bäume verantwortlich, die Isopren – ein besonders reaktives BVOC – emittieren. Dies sind zum Beispiel Pappeln, Eichen und Robinien aber auch Platanen, während Ahorn und Linden als eher unbedenklich gelten (Bonn et al. 2018). Allerdings darf nicht vergessen werden, dass die Menge an deponierten Schadstoffen in der Regel die durch Emission gebildeten deutlich übersteigt. Bei einem Park wie dem Südteil des Englischen Gartens in München mit fast 10.000 Bäumen rechnet man zum Beispiel mit etwa 4 Tonnen Deposition (davon 2,8 Tonnen Ozon) aber einem Ozonbildungspotential (das ist die Ozonmenge die durch BVOC im ungünstigsten Fall gebildet werden kann) von nur etwa 2,7 Tonnen im Jahr.
Neben der Art spielen auch der Standort und der Abstand zu anderen Bäumen eine Rolle. Frei stehende Bäume emittieren mehr als eng zusammenstehende, fangen aber auch mehr Schadstoffe auf und haben zudem eine größere Kühlungswirkung, wodurch die Emission von BVOCs reduziert wird. Die Kühlung hängt wiederum stark von der Wasserverfügbarkeit und damit von den Niederschlägen, aber auch dem Standraum eines Baumes ab. Für eine Beurteilung von Pflanzeneinflüssen unter zukünftigen klimatischen Verhältnissen ist es daher wichtig, Wechselwirkungen mit dem Boden, aber auch mit Luftschadstoffen zu berücksichtigen, die den zeitlichen Verlauf, die Intensität und die Zusammensetzung der Emissionen beeinflussen können (Ghirardo et al. 2016).
Aus den genannten Zusammenhängen ergeben sich für die Grünflächenbewirtschaftung, dass bei Neuanpflanzungen die Emissionseigenschaften der Arten mit zu berücksichtigen sind. Dies ist umso wichtiger, da Arten wie die Robinie, die sich auf Grund ihrer Trockentoleranz bei steigenden Temperaturen anbietet, häufig größere Mengen BVOC emittieren. Außerdem sollte bei der Pflanzung von Bäumen auf ausreichende Wasserverfügbarkeit und einen möglichst freien Luftaustausch geachtet werden, insbesondere in Häuserschluchten.
Ausreichende Luftzirkulation – Wie in Straßenschluchten pflanzen?
Je weniger Bäume desto besser die Luftqualität. Diese Aussage erscheint zunächst paradox. Doch an viel befahrenen Straßen in Häuserschluchten sind Baumalleen häufig Hindernisse für die Luftzirkulation. Eine verminderte lokale Luftqualität lässt sich dort gut belegen. Je tiefer die Straßenschlucht desto negativer die Auswirkung von Straßenbäumen. Nur im Falle eines nahezu undurchlässigen, mindestens vier Meter hohen Pflanzengeflechts (Hecke) lässt sich ein positiver Effekt der Begrünung an viel befahrenen Straßen nachweisen (Vos et al. 2013). Dies bei kleinräumiger Betrachtung, denn die Hecken können vorrangig die Fußwege vor den Schadstoffemissionen des Kraftverkehrs schützen. Es gibt weitere Hinweise, wie die Luftqualität in Häuserschluchten mit viel motorisiertem Verkehr verbessert werden kann: Begrünte Mauern erwiesen sich in Londons Straßenschluchten als wesentlich effektiverer Beitrag zur Verbesserung der Luftqualität als begrünte Dächer. Der Effekt urbaner Wälder hingegen ist nicht atemberaubend. Magere 1 bis 2 Prozent Verbesserung der durchschnittlichen Luftqualität konstatierten Forscher in Studien (Tallis et al. 2015). Es ist deshalb ganz entscheidend, klug zu pflanzen, um all die positiven Effekte des Stadtgrüns auszuschöpfen. Auf eine gute Wahl der Baumart wie auch deren Standort kommt es an.
Beitrag erstellt am 9. Mai 2018
Quellen
- Bonn, B., Schneidemesser, E.v., Butler, T., Churkina, G., Ehlers, C., Grote, R., ... Lawrence, M. G. (2018). Impact of vegetative emissions on urban ozone and biogenic secondary organic aerosol: Box model study for Berlin, Germany. Journal of Cleaner Production, 176, 827-841. doi:10.1016/j.jclepro.2017.12.164
- Churkina, G., Kuik, F., Bonn, B., Lauer, A., Grote, R., Tomiak, K. & Butler, T. (2017). Effect of VOC emissions from vegetation on air quality in Berlin during a heatwave. Environmental Science & Technology, 51(11), 6120-6130. doi:10.1021/acs.est.6b06514
- Ghirardo, A., Xie, J., Zheng, X., Wang, Y., Grote, R., Block, K., Wildt, J., Mentel, T., Kiendler-Scharr, A., Hallquist, M., Butterbach-Bahl, K. & Schnitzler, J. P. (2016). Urban stress-induced biogenic VOC emissions and SOA-forming potentials in Beijing. Atmospheric Chemistry and Physics, 16(5), 2901-2920. doi:10.5194/acp-16-2901-2016
- Gromke, C. & Blocken, B. (2015). Influence of avenue-trees on air quality at the urban neighborhood scale. Part II: Traffic pollutant concentrations at pedestrian level. Environmental Pollution, 196, 176-184. doi:10.1016/j.envpol.2014.10.015
- Grote, R., Samson, R., Alonso, R., Amorim, J. H., Cariñanos, P., Churkina, G., ... Calfapietra, C. (2016). Functional traits of urban trees in relation to their air pollution mitigation potential: A holistic discussion. Frontiers in Ecology and the Environment, 14(10), 543-550. doi:10.1002/fee.1426
- Thallis, M. J., Amorim, J. H., Calfapietra, C., Freer-Smith, P., Grimmond, S. & Kotthaus, S. (2015). The impacts of green infrastructure on air quality and temperature. In D. Sinnett, N. Smith & S. Burgess (Hrsg.), Handbook on Green Infrastructure – Planning, Design and Implementation (S. 30-49). Cheltenham, UK: Edward Elgar. doi:10.4337/9781783474004.00008
- Vos, P. E. J., Maiheu, B., Vankerkom, J. & Janssen, S. (2013). Improving local air quality in cities: To tree or not to tree? Environmental Pollution, 183, 113-122. doi:10.1016/j.envpol.2012.10.021
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