Giftigkeit und Verwitterung

Schadstoffmagnet Mikroplastik

Verwitterungsprozesse zu verstehen ist auch deshalb entscheidend, weil sich die Oberfläche der gleichen Masse an Partikeln um ein Vielfaches vergrößert, je kleiner die Partikel sind. Das hat zur Folge: Je größer die Oberfläche, desto mehr Schadstoffe können sich prinzipiell daran anlagern.

  • Je größer die Oberfläche des Plastik desto mehr Schadstoffe können sich potentiell daran anlagern
  • Beim Zerfall von Plastik werden die enthaltenen Chemikalien aber gleichzeitig auch freigesetzt
  • Natürlich verwittertes Polyethylen ist stärker hormonell wirksam als der 'reine' Kunststoff

Zerfällt Plastik zu Mikroplastik (per Definition < 5mm) kann es Schadstoffe aus dem Wasser, zum Beispiel aus Ölrückständen um ein Vielfaches anreichern. Es wirkt dann sozusagen wie ein Passiv-Sammler. Doch auch Sedimente und Schwebstoffe sind solche Passiv-Sammler. Mikroplastik steht demnach in Konkurrenz zum darunter liegenden Sediment und im Wasser suspendierten Schwebstoffen, die allein mengenmäßig eine viel höhere Kapazität zur Schadstoffaufnahme haben. Mikroplastik ist im reinen Zustand wie viele andere Kunststoffe hydrophob, d.h. wasserabweisend. Durch den wasserabweisenden Charakter und die geringe Größe (= große Oberfläche) können die Kunststoffpartikel als Schadstoffmagnete (Adsorbentien) wirken.

Die Eigenschaft vor allem andere Substanzen oder Materialien, die sich auch nicht leicht in Wasser lösen, anzuziehen, dürfte in der Natur jedoch durch die Bildung von Biofilmen, d.h. mikrobiellem und pflanzlichem Aufwuchs, stark verändert werden. Dieser Aufwuchs aus Bakterien, Algen und Pilzen kann sich auf Mikroplastik, so wie auch auf jeder anderen Oberfläche in der Natur, schnell bilden. Durch die im Biofilm enthaltenen eher polaren extrazellulären polymeren Substanzen (EPS) kann es auch dazu kommen, dass Substanzen, wie zum Beispiel Antibiotika, die sich ansonsten tendenziell eher im Wasser lösen und verteilen würden, also hydrophil sind, nun an Mikroplastik angereichert werden.

Untersuchungen an Fischen in San Diego Bay zeigten bereits, dass natürlich verwittertes Plastik (PE) stärker hormonell wirksam (endokrine Disruptoren) ist als das industrielle Polyethylen (PE). PE und Polypropylen, wie man sie beispielsweise in Trinkhalmen, der Innenausstattung von Autos, Teppichfasern und Textilien findet, erwiesen sich in Untersuchungen als deutlich stärkere Adsorbentien für PCB und PAKs als PET und PVC. Beim Zerfall von Plastik werden im Plastik enthaltene Chemikalien aber auch gleichzeitig freigesetzt.

Bisherige Modellierungen zeigen jedoch, dass die Aufnahme von Schadstoffen über Plastik und deren Anreicherung im Körper wahrscheinlich im Vergleich zu anderen Aufnahmewegen (in der Nahrung, in Sedimenten, im Wasser) eine untergeordnete Rolle spielt. Letztlich ist die Gesamtmenge der bioverfügbaren Schadstoffe im Meer entscheidend.

Ein etwa 1 cm3 großes Stück zerfällt in rund 1.000 Fragmente von 1 mm3, diese wiederum in 1 Mio. Partikel von nur 100 μm3 Größe usw., bis der ursprüngliche Kunststoff für das menschliche Auge unsichtbar geworden ist. Je kleiner die Partikel, um so größer ist die Oberfläche an der sich Schadstoffe anlagern können.

Quellen

  • United States Environmental Protection Agency – EPS (2016). Fact Sheet: A Summary of the Literature on the Chemical Toxicity of Plastics Pollution on Aquatic Life and Aquatic-Dependent Wildlife [www.epa.gov]. Aufgerufen am 8. November 2017.

Weiterführende Informationen