Handlungsoptionen: Vor Naturgefahren schützen

Schwammstädte helfen bei Starkregen – die durchlässige Sponge City wird zum Vorbild

Die großräumige Versiegelung von Städten verändert den natürlichen Wasserhaushalt. Mit der Idee der "Schwammstadt" will man dem sinkenden Grundwasserspiegel begegnen. Positive Effekte gibt es auch beim Hochwasser und Stadtklima.

Text: ESKP-Redaktion (Oliver Jorzik)

Fachliche Durchsicht: Apl.-Prof. Dr. Steffen Bender
CLIMATE SERVICE CENTER GERMANY (GERICS)

  • Städte haben zunehmend mit extremen Wetterverhältnissen wie Starkregen zu kämpfen.
  • Schwammstädte sind ein integrierter Ansatz der Stadtplanung, um das Regenwasser nicht ungenutzt aus den Städten abfließen zu lassen.
  • Bei der Stadtumgestaltung kommen innovative Maßnahmen wie bepflanzte Baum-Rigolen und Bioswales zum Einsatz.

Die großräumige Versiegelung von Städten führt zu deutlichen Veränderungen des natürlichen Wasserhaushalts. Das Problem: In versiegelten Städten fließen Niederschläge vermehrt an der Oberfläche ab und immer geringere Mengen Wasser können versickern. Dadurch führen höhere Niederschlagsmengen immer wieder zu Überlastung des Abwassersystems. Wenn das passiert, staut sich das Regenwasser auf Straßen und Plätzen an. Dies kann schnell zu großflächigen Überflutungen im Stadtgebiet führen. Was weniger bekannt ist: Die Flächenversiegelung beeinflusst auch das natürliche Grundwassersystem unter der Stadt. In dicht bebauten Städten gelangen große Teile des Regenwassers nicht in die tieferen Erdschichten. Die Folge: Der Grundwasserspeicher kann sich nicht wieder auffüllen und der Grundwasserspiegel sinkt in diesen Städten zum Teil dramatisch. Im Extremfall kann dies wie in Bangkok oder Jakarta zu Bodensenkungen führen und der lokale Wasserhaushalt gerät in Schieflage.

Es ist eigentlich absurd. Viele Städte – beispielsweise in China – sind von Überschwemmungen aufgrund von Starkregen betroffen, gleichzeitig leiden sie unter Wassermangel. Die Starkregenvorsorge ist auch durch den Klimawandel in vielen Regionen der Welt zu einem Top-Thema geworden, da extreme Wettereignisse signifikant zugenommen haben. Häufig sind die vorhandenen Abwassersysteme nicht für solche Regenmengen konzipiert. Aber eine größere Dimensionierung der Abwassersysteme stellt nicht wirklich eine sinnvolle Option dar, denn solche massiven Eingriffe in die Infrastruktur wären mit enormen Kosten verbunden. Das Abwasser muss also deutlich reduziert werden – gerade dann, wenn es stark regnet. Doch wie kann das gehen?

Aus Asien und den USA ist die Idee von „Sponge Cities“ – sogenannten Schwammstädten – auch nach Europa gelangt. Dabei ist der Name Programm. Schwammstädte nehmen das Regenwasser wie Schwämme auf und geben es peu à peu zeitverzögert wieder ab, das Regenwasser bleibt in der Stadt. Regenwasser wird im Konzept der Sponge City nicht als ein lästiges Übel betrachtet, sondern als eine wertvolle Ressource, die man weiterverwenden sollte – beispielsweise als aufbereitetes Brauchwasser oder sogar als Trinkwasser. Zwischengespeichertes Wasser kann im Sommer zur Bewässerung des Stadtgrüns verwendet werden. Gleichzeitig weist die Verdunstung von im Boden gespeichertem Wasser eine kühlende Wirkung auf. Beides kann dazu beitragen, die Gefahr von Hitzeinseln in der Stadt zu verringern. Damit leisten die natürliche Überflutungs- und Sickerflächen in der Schwammstadt einen vielfältigen Beitrag für ein gesünderes Stadtklima und steigern die Aufenthalts- und Lebensqualität in den Stadtquartieren. Speicherung von überschüssigem Wasser, Minderung städtischer Überflutungen und Verwendung des gespeicherten Wassers in Zeiten von Wasserknappheit sind die wesentlichen Elemente von Schwammstädten.

Die Idee der Schwammstadt ist auch für bundesdeutsche Großstädte interessant. Wie das Umweltbundesamt berichtet, lag die Zahl der Tage mit Großwetterlagen in den vergangenen 30 Jahren um das 2- bis 3-fache über den Werten zu Beginn des 20sten Jahrhunderts. Dementsprechend gestiegen sind auch die Schäden, die starke Gewitter in den Städten hervorrufen. Ein größerer Anteil an Grünflächen kann den auch Städten hierzulande helfen, die Folgen von Starkregen besser zu bewältigen. Und das Bestechende dieser Idee: „Solche Maßnahmen können von vornherein und relativ einfach in der Stadtplanung bedacht werden“, sagt Daniela Jacob, Leiterin des Climate Service Center Germany (GERICS) vom Helmholtz-Zentrum Geesthacht in einem Beitrag für helmholtz.de.

Innovativer Einsatz von Instrumenten

Ein aktuelles Beispiel, wie Städte zu Schwammstädten umgestaltet werden können, war auf der Internationalen Gartenausstellung 2017 in Berlin (IGA) zu sehen. Dort wurde mit sogenannten Baum-Rigolen gearbeitet, die Versickerungsanlagen mit Baumpflanzungen kombinieren. Dabei handelt es sich um ein dezentrales System der Regenwasserversickerung. Hierzu wird ein Graben oder ein oder eine größere Mulde ausgehoben, in die das anfallende Regenwasser aus der Umgebung abgeleitet wird.

Auf der IGA wurde diese Regenwasserfläche nun mit Sumpfeichen bepflanzt. Neu hieran ist nicht die Rigole an sich, sondern die Idee, Stadtbegrünung gezielt mit Regenwasserversickerung zu koppeln und Rigolen quasi unter den Stadtbäumen anzulegen. Dies ist natürlich nur möglich mit Baumarten wie der Sumpfeiche, die Staunässe vertragen, welche also auch mit größeren Wassermengen über längere Zeiträume gut klarkommen. Die Baum-Rigole konnte auf der IGA ihre Leistungsfähigkeit tatsächlich live unter Beweis stellen, als es Anfang Juni 2017 zu einem Starkregenereignis in Berlin kam. Die Rigole schaffte es, das Wasser vollständig aufzunehmen, während Platzflächen in der Nachbarschafft zeitweise unter Wasser standen und nicht mehr passierbar waren.

Wie verändern sich die Verdunstung und die Hitzentwicklung, wenn Flächen versiegelt sind? In der Schwammstadt zeigen sich die Vorteile von mehr Stadtgrün. Der Boden kann bei Regen Wasser aufnehmen. Das Wasser verdunstet zeitverzögert und wirkt so kühlend auf die städtische Umgebung. Grafik: Wissensplattform Erde und Umwelt/CC BY 4.0

Weitere Maßnahmen, um Städte in Sponge Cities umzuwandeln, sind Klassiker der Stadtbegrünung wie Straßenrandbegrünung, Alleen, Dachbegrünungen oder Grünfassaden. Integrale Bestandteile sind zudem Flächenentsiegelungen, aber auch Rückhaltespeicher über und unter der Erde, in die Regenwasser abfließen kann und dort gespeichert wird, wo es anfällt. Gerade in Trockenzonen sind Regenwasserspeicher ein wichtiges Werkzeug, um die Wasserversorgung von Haushalten zu sichern oder Gärten und landwirtschaftliche Flächen zu bewässern. In China ist in der Stadt Wu-Han sogar geplant, das Regenwasser aus großen Speicheranlagen zu nutzen, um den Wasserspiegel von Seen in der Nähe der Großstadt wieder zu erhöhen.

Das Video zeigt, wie Berlin sich in eine Sponge City umwandeln will.

Schwammstädte, eine internationale Idee gewinnt an Fahrt

Sponge Cities haben sich mittlerweile zu einer internationale Bewegung entwickelt, mit der die Idee des Aufbaus dezentraler Regenwasser-Speichersysteme verfolgt wird. Im Jahr 2015 startete in China eine der größten Sponge-City-Initiativen weltweit. Das Ziel: Bis 2020 sollen in 80 Prozent der urbanen Gebiete mindestens 70 Prozent des Regenwassers absorbiert oder wiederverwendet werden. Das Investitionsvolumen für die großräumigen Anpassungsmaßnahmen beträgt umgerechnet 12 Milliarden US-Dollar. Im Zuge der Stadtumgestaltung plant beispielsweise Shanghai die Begrünung von 400.000 Quadratmetern Dachflächen. Es wurden im Rahmen des Großprogramms bereits mehrere hunderttausend Quadratmeter Straßenpflaster durch wasserdurchlässige Bodenbeläge ersetzt. Neu ist auch der Bau von sogenannten „Bioswales“. Dabei handelt es sich um begrünte Flutgräben entlang von Straßenverläufen oder auf Plätzen, die größere Mengen Wasser aufnehmen können und durch Pflanzen als biologische Filter reinigen sollen.

Die bisherigen Erfahrungen in China zeigen, dass es bei der Konfiguration von Maßnahmen sehr stark auf die klimatischen Bedingungen in den jeweiligen Städten ankommt. In einigen Regionen Chinas ist der Boden halbjährlich gefroren ist oder die Städte liegen sogar im Permafrost-Bereich. Hierdurch verringert sich Fähigkeit der Böden deutlich, Wasser aufzunehmen. Auch die Bodenbeschaffenheit spielt eine wesentliche Rolle. So wirken Maßnahmen auf einem sandigen Untergrund anders als beispielsweise auf Ton oder Lehm. Auch muss man darauf achten, dass die Entwässerung nicht in kontaminierte Böden erfolgt oder in Hanggebieten, in denen es eine erhöhte Gefahr von Erdrutschen gibt. Eine Maßnahme übertragen auf alle Städte, das wird so nicht funktionieren. Vielmehr muss man sich die jeweiligen Bedingungen vor Ort genau anschauen.

Beispiel für ein Bioswale in Indianapolis – eine innerstädtische Überflutungs- und Wasserspeicherfläche, in die das Regenwasser aus den umliegenden Straßenflächen abgeleitet wird.

Auch Berlin möchte zu einer Sponge-Stadt werden. Eindrucksvoll ist hier das Beispiel einer neuen Wohnanlage in der Rummelsburger Bucht im Herzen der Stadt. Die Dächer dort sind fast vollständig begrünt. Das abfließende Regenwasser wird in einer Deckschicht von 80 Zentimetern über den Tiefgaragen der Anlage gespeichert. Das gespeicherte Wasser wirkt an heißen Tagen wie eine natürliche Klimaanlage, mit messbarem Erfolg: Die Temperatur in der Wohnanlage ist niedriger als in der umliegenden Stadt.

Bei der Umwandlung in eine Schwammstadt können auch Privatgärten einbezogen werden. So wurde in der Region um Seattle eine Kampagne gestartet, um 12.000 sogenannte „Rain Gardens“ – Regengärten – entstehen zu lassen. Auch hier ist die Idee eigentlich ziemlich simpel und kann von jedem Grundstücksbesitzer relativ leicht umgesetzt werden. Und zwar gibt es auf jedem Grundstück einen oder mehrere speziell gestaltete Bereiche, in denen sich das Niederschlagswasser sammeln und vorübergehend aufstauen kann. Dazu werden flache Senken und kleine Teiche angelegt. Die Bodenflächen dort sind so gestaltet, dass das Wasser schnell versickern kann. Zu berücksichtigen sind bei der Planung unter anderem die Bodenbeschaffenheiten vor Ort, das heißt, wie gut Wasser in den Untergrund gelangen kann. Aber auch der jeweilige Grundwasserstand spielt eine wichtige Rolle. So sollten die Regengärten nicht unbedingt dort gebaut werden, wo das Grundwasser schon sehr nahe an der Oberfläche steht.

Beitrag erstellt am 9. Mai 2018

Quellen

  • Li, H., Ding, L., Ren, M., Li, C. & H. Wang (2017). Sponge City Construction in China: A Survey of the Challenges and Opportunities. Water, 9(9):594. doi:10.3390/w9090594
  • Li, X., Fang, X., Li, J., Wang, W. & Gong, Y. (2016). Case Studies of the Sponge City Program in China [World Environmental and Water Resources Congress 2016: Watershed Management, Irrigation and Drainage, and Water Resources Planning and Management].

Weiterführende Informationen

  • Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) (2015). Überflutungs- und Hitzevorsorge durch die Stadtentwicklung, Strategien und Maßnahmen zum Regenwassermanagement gegen urbane Sturzfluten und überhitzte Städte. Link
  • Interview mit Prof. Dr. Dietrich Borchardt, Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ: „Wir müssen das Wasser in den Städten halten“ auf www.helmholtz.de (2018). Link
  • Kristine August auf www.helmholtz.de (2017): Stadt, Land, Fluss! Link
  • Was macht GERICS? – Erklärfilm