Handlungsoptionen: Stadtklima verbessern

Lateinamerika: Wie sich Städte an den Klimawandel anpassen

Auch Städte in Lateinamerika sind von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen. Das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) hat insbesondere die Situation in Santiago de Chile analysiert und einen Lernprozess mit anderen Städten in der Region angestoßen. 

Text: Dr. Kerstin Krellenberg (UFZ)

Urbanisierung und Klimawandel sind zwei der großen Herausforderungen der globalen Veränderungen des 21. Jahrhunderts. Beide Phänomene sind durch eine Vielzahl von komplexen, miteinander verbundenen und sich zum Teil gegenseitig verstärkenden Prozessen charakterisiert, die parallel zueinander verlaufen. Dabei gehört Lateinamerika zu den weltweit am stärksten urbanisierten Regionen und ist bereits heute stark vom Klimawandel betroffen.

Die Auswirkungen des Klimawandels zeigen sich in Städten in unterschiedlicher Form und Intensität. Aber auch innerhalb einer Stadt können die Folgen und Risiken stark variieren. Aufgrund dieser unterschiedlichen Gegebenheiten vor Ort sind lokale urbane Anpassungsstrategien zum Umgang mit den jeweiligen Auswirkungen des Klimawandels erforderlich. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Städte durch Veränderungen in der Landnutzung sowie die hohe Intensität von Treibhausgasemissionen, insbesondere im Bereich der Energieversorgung und im Transportsektor, auch in besonderem Maße zum Klimawandel beitragen. Das heißt, dass Maßnahmen zur aktiven Verringerung bzw. Vermeidung von Treibhausgasen (Mitigation) und zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels sinnvoll miteinander verknüpft werden müssen.

  • Die Auswirkungen des Klimawandels zeigen sich in Städten in unterschiedlicher Form und Intensität.
  • Daher sind lokale urbane Anpassungsstrategien zum Umgang mit den jeweiligen Auswirkungen des Klimawandels erforderlich.
  • Forschungsprojekte zeigen, dass in lateinamerikanischen Großstädten insbesondere die Gefahr von Überflutungen durch Starkregenereignisse, von Hitzewellen sowie von Wasserknappheit besteht.

Am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) haben Forscher im Rahmen mehrerer Projekte (CAS, CLAVE, CLIMP) einen integrierten inter- und transdisziplinären (IIT) Forschungsansatz entwickelt und umgesetzt, um Lösungen für diese vielschichtigen Probleme zu erarbeiten. Dabei wurde untersucht, wie ausgewählte lateinamerikanische Großstädte vom Klimawandel betroffen sind. Dies betrifft auch die Frage, über welche Kapazitäten diese Städte verfügen, um den Herausforderungen zu begegnen, die sich durch das Wachstum der Städte und den Klimawandel ergeben. In einem nächsten Schritt ging es darum, mit den Städten geeignete Strategien und Maßnahmen zu entwickeln, um sich an die Herausforderungen (noch besser) anzupassen.

Der IIT-Ansatz beinhaltet die Anwendung und Kombination verschiedener natur- und sozialwissenschaftlicher Erhebungs- und Analysemethoden. Dazu zählt die Abschätzung regionaler Klimaänderungen auf der Basis globaler Modelle und lokaler Messwerte. Auf dieser Basis können unter anderem die Auswirkungen auf die Energie- und Wasserversorgung sowie die Betroffenheit der Bevölkerung abgeschätzt werden. Dies erfolgt über Szenarien, die sich aus den vorhandenen Gegebenheiten ableiten und darauf basierend Wahrscheinlichkeiten für zukünftige mögliche Entwicklungen formulieren (sogenannte explorative Szenarien). Eine detaillierte Analyse der Betroffenheit der Menschen erfolgt unter anderem durch Haushaltsbefragungen und Kartierungen. Zusätzlich wird mittels Experteninterviews untersucht, welche Potentiale oder auch Schwierigkeiten es bei den örtlichen Institutionen – Behörden, Verwaltungen, politischen Entscheidungsträgern – gibt, um Veränderungen einzuleiten, zu begleiten und langfristig sicherzustellen. Der transdisziplinäre Teil der Forschung beinhaltet die Durchführung von Workshops, Runden Tischen, Podiumsdiskussionen und Klimaaktionstagen sowie die Erstellung verschiedener adressatengerecht aufbereiteter Informationsmaterialien, Spiele etc.

Buchtipp: Climate Adaptation Santiago beschäftigt sich mit der Komplexität von Auswirkungen des Klimawandels für die Metropolregion Santiago de Chile. Möglichkeiten zur Anpassung werden aufgezeigt. Link

Durch die Kombination verschiedener Forschungsansätze konnte vor Ort für die Thematik sensibilisiert und über die Problematik informiert werden sowie ein effektiver Wissenstransfer erfolgen. Dabei stand insbesondere die Metropolregion Santiago de Chile im Fokus der Betrachtung. Darüber hinaus wurde ein regionales Lernnetzwerk mit den Städten Buenos Aires, São Paulo, Mexiko-Stadt, Bogotá und Lima aufgebaut, um Informationen zum Klimawandel sowie zur Vulnerabilität (Verwundbarkeit) und zu Anpassungsstrategien zusammenzutragen und das gegenseitige Lernen zwischen den Städten Lateinamerikas zu befördern (Krellenberg et al. 2014). Als ein zentrales Ergebnis der Forschungsprojekte liegt heute eine umfassende Daten- und Wissensbasis vor. Für die Metropolregion Santiago de Chile wurde ein Anpassungsplan an den Klimawandel erarbeitet, der 14 konkrete Maßnahmen enthält; die Umsetzung des Plans und der Maßnahmen auf regionaler und kommunaler Ebene wurde durch ein extra entwickeltes Handbuch (Manual) sowie die offizielle Übergabe des Plans an die Regionalregierung und das Umweltministerium der Metropolregion vorbereitet.

Nicht alle Bewohner sind gleichermaßen gefährdet

Die verschiedenen Forschungsprojekte haben gezeigt, dass in lateinamerikanischen Großstädten insbesondere die Gefahr von Überflutungen durch Starkregenereignisse, Hitzewellen sowie Wasserknappheit besteht. Oft fehlt es in den großen Städten an natürlichen Überflutungsflächen oder an kühlenden Grünflächen. Hinzu kommt, dass die Folgen des Klimawandels innerhalb der Städte sozial und räumlich in der Regel recht ungleich verteilt sind. Dies wird oftmals durch die in lateinamerikanischen Städten traditionell charakteristische Segregation befördert, die eine räumliche Konzentration verschiedener Bevölkerungsgruppen innerhalb des Stadtgebietes nach ihrem sozio-ökonomischen Status zur Folge hat. Die ungleiche Verteilung trifft oftmals auch auf den Zugang zu natürlichen Ressourcen, Informationen und Infrastrukturen zu. Daher müssen, um die Bevölkerung vor den Gefahren zu schützen, spezifische Anpassungsmaßnahmen für einzelne Gebiete in der Stadt umgesetzt werden.

Durch eine neue Definition und einen neuen Ansatz zur Analyse urbaner Verwundbarkeit konnte gezeigt werden, dass es sinnvoll ist, diese sozial-ökologischen Fragmentierungsmuster herauszuarbeiten. Darauf aufbauend lassen sich dann detaillierte Vulnerabilitätsanalysen für einzelne Gebiete innerhalb der Stadt erstellen (Krellenberg et al. 2017a). Gleichzeitig konnte für Santiago de Chile die oftmals vorherrschende Annahme entkräftet werden, dass ärmere Bevölkerungsgruppen per se stärker vom Klimawandel betroffen sind. Vielmehr kommt es auf die Kapazitäten der betroffenen Menschen an, um die Folgen des Klimawandels zu bewältigen. Dies wurde durch die Anwendung von Indizes aller drei Dimensionen von Vulnerabilität nachgewiesen: Die Beschaffenheit der Wohngebäude (Exposition), die Anfälligkeit aufgrund beispielweise des sozio-ökonomischen Status sowie die Bewältigungskapazität (Krellenberg & Welz 2017). Die Anwendung auf konkrete, als Hotspots identifizierte Gebiete erlaubt eine Visualisierung der Vulnerabilität in Form von speziellen Vulnerabilitätskarten. Diese Karten stellen eine gute Basis dar, um die Herausforderungen mit Planungsakteuren zu diskutieren und Handlungsoptionen zu erarbeiten (Krellenberg et al. 2017b).

Betrachtet man die institutionelle Anpassungskapazität einzelner Gemeinden innerhalb der Metropolregion Santiago de Chile, so wird deutlich, dass diese bisher insbesondere aufgrund der bestehenden institutionellen Strukturen nicht die nötigen Kapazitäten besitzen (Krellenberg et al. 2017b). Aus einer Evaluierung des Gesamtprozesses des vom UFZ entwickelten integrierten inter- und transdisziplinären Forschungsansatzes zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels (Krellenberg & Hansjürgens, 2014; Krellenberg & Barth, 2014) geht hervor, dass ein hohes Potential besteht, derartige Forschung weiterzuführen. Dies erfordert insbesondere ein Verständnis von Forschung und Kommunikation, das es erlaubt, gemeinsam mit Politik, Verwaltung, Planung sowie der Privatwirtschaft und Zivilgesellschaft Anpassungsstrategien zu entwickeln und umzusetzen (Barton et al. 2015).

Beitrag erstellt am 9. Mai 2018

Quellen

  • Barton, J. R., Krellenberg, K. und J.M. Harris (2015): Collaborative governance and the challenges of participatory climate change adaptation planning in Santiago de Chile. Climate and Development 7 (2), 175-184. Link
  • Krellenberg, K. und K. Barth (2014): Inter- and transdisciplinary research for planning climate change adaptation responses - the example of Santiago de Chile. Interdiscip. Sci. Rev. 39 (4), Special Issue, 360-375. Link
  • Krellenberg, K. und B. Hansjürgens (Hrsg.) (2014): Climate Adaptation Santiago. Springer, Heidelberg. Link
  • Krellenberg, K. und J. Welz (2017): Assessing urban vulnerability in the context of flood and heat hazard: pathways and challenges for indicator-based analysis. Soc. Indic. Res. 132 (2), 709-731. Link
  • Krellenberg, K., Welz, J., Link, F. und K. Barth (2017a): Urban vulnerability and the contribution of socio-environmental fragmentation: Theoretical and methodological pathways. Prog. Hum. Geogr. 41 (4), 408-431. Link
  • Krellenberg, K., Welz, J. und F. Link (Hrsg.) (2017b): Cambio climático, vulnerabilidad urbana y adaptación a nivel municipal Santiago de Chile y otras ciudades de América Latina. [Klimawandel, urbane Vulnerabilität und Anpassung auf Gemeindeebene in Santiago de Chile und anderen Städten in Lateinamerika]. RiL Editorial, Chile. Link
  • Krellenberg, K., Jordán, R., Rehner, J., Schwarz, A., Infante, B., Barth, K. und A. Pérez (Hrsg.) (2014): Adaptation to climate change in megacities of Latin America: Regional Learning Network of the research project ClimateAdaptationSantiago (CAS). United Nations Economic Commission for Latin America and the Caribbean (ECLAC), Santiago de Chile, 99 S. Link

Lesetipps

  • Kabisch, S. et al. (Hrsg) (2018): Urban Transformations. Sustainable Urban Development Through Resource Efficiency, Quality of Life and Resilience, Springer Verlag, 384 S., DOI 10.1007/978-3-319-59324-1. Link
  • Krellenberg, K., Welz J. und F. Link (2017): Cambio climático, vulnerabilidad urbana y adaptación a nivel municipal: Santiago de Chile y otras ciudades de América Latina, 344 p., Ril Editores. ISBN: 978-956-01-0412-0. Link