Handlungsoptionen: Stadtklima verbessern
Die Aufwärmung von Städten begrenzen
- Windtürme, begrünte Flächen sowie Wasser wirken positiv auf die Luftqualität.
- Wärmegetriebene Zirkulationssysteme führen Schadstoffe aus der Umgebung und der Stadt zusammen.
- Entwicklung eines Smart Air Quality Network mit preiswerten Sensoren für Luftqualität in Städten.
Sie kennen das: Sie haben einen Sommertag im Grünen oder am Wasser verbracht. Gegen Abend, wenn es kühler wird, kehren Sie in die Stadt zurück. Kaum haben Sie jedoch die Innenstadt erreicht, spüren Sie die stickige Wärme, die dort wie Blei lagert. Die Wohnung ist ebenfalls stickig und Lüften hilft gar nichts. Mit Schrecken denken Sie an die bevorstehende Nacht: An erholsamen Schlaf ist bei diesen Verhältnissen kaum zu denken.
Eine Klimaanlage könnte vielleicht helfen. Aber wenn das alle so machten, würde das nicht nur einen enormen Energieverbrauch bedeuten. Der Lärm und die Abwärme dieser Anlagen würde das Leben in der Stadt letztlich noch unerträglicher machen. Es muss andere Lösungen geben, um das Leben der Stadtbewohner bei solchen Verhältnissen angenehmer zu machen. Schließlich lebt mittlerweile mehr als die Hälfte der Menschheit in Städten, die zunehmend unter Hitzestress leiden. An Lösungen zu diesen Problemen forscht das Department für Atmosphärische Umweltforschung des Instituts für Meteorologie und Klimaforschung (IMK-IFU) des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) in Garmisch-Partenkirchen mit modernen Beobachtungstechniken und Computer-Simulationsmodellen.
Das System „Stadtatmosphäre“ ist ein sehr spezielles Gebilde, das man in mancherlei Hinsicht mit einem chemischen Reaktionsgefäß vergleichen kann (Abbildung 1). In der Stadt herrschen höhere Temperaturen, die atmosphärische Feuchte ist aufgrund der versiegelten Oberflächen geringer und die mittlere Windgeschwindigkeit schwächer als im Umland. In dieses städtische System werden über die Flurwinde von den Seiten her biogene Emissionen aus dem Umland hineintransportiert. Diese sogenannten BVOC (Biogenic Volatile Organic Compounds) treffen dort auf die hohen anthropogenen Emissionen (Flüchtige organische Substanzen/ VOC sowie Stickoxide/ NOX).
Bleiben wir beim Bild des Reaktionsgefäßes: Darin werden nun auch sekundäre Luftschadstoffe wie das giftige Ozon (O3) und viele Aerosolpartikel gebildet, die dann mit den aufsteigenden warmen Luftmassen nach oben exportiert werden, in die Umgebung verteilt werden und sogar die Wolkenbildung beeinflussen. Über dieses wärmegetriebene Zirkulationssystem stehen Städte mit ihrer Umgebung in ständigem Austausch und beeinflussen auch diese negativ.
Das Kühlen der Städte kann auch Nachteile haben
Aber auch verblüffende technische Lösungen sind schon vor mehr als tausend Jahren in Arabien und Persien erfunden worden: die Windtürme. Dabei handelt es sich um hohe Türme in der Stadt, die mit ihren Öffnungen so konstruiert sind, dass der an ihnen vorbeiwehende Wind tagsüber Luft aus ihnen und den mit ihnen verbundenen Häusern heraussaugt. Die abgesaugte Luft wird durch kühlere, befeuchtete Luft ersetzt, die über unterirdische wasserführende Kanäle von unten in die Stadt nachgeliefert wird. Nachts werden die Öffnungen so verändert, dass der kühle nächtliche Wind durch die Türme von oben her in die Stadt geleitet wird.
Aber das Kühlen der Städte kann mit einem deutlichen Nachteil verbunden sein, zumindest solange unsere städtische Technik, Energieversorgung und der Verkehr auf Verbrennungsmotoren beruht. Denn kühlere Temperaturen in Bodennähe bedeuten eine stabilere thermische Schichtung der Luft und damit einen geringeren vertikalen turbulenten Luftaustausch. Die Verbrennungsabgase sammeln sich in Bodennähe an und können für die Lebewesen – Menschen, Tiere und Pflanzen – schädliche Konzentrationen erreichen. Neben der globalen Erwärmung des Erdklimas ist dies ein zweites wichtiges Argument für eine Umstellung unserer Energieversorgung auf erneuerbare Energien.
Im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) finanzierten Verbundvorhabens „Stadtklima im Wandel“ misst das IMK-IFU mit bodengestützten Fernmessverfahren die vertikale Struktur der Stadtatmosphäre über Stuttgart und verfolgt damit das wärmegetriebene Zirkulationssystem, dass die Schadstoffe transportiert. Gleichzeitig ist das Institut an einem weiteren Teil des Verbundvorhabens beteiligt, in dem ein neues, viele räumliche Größenordnungen von der Straßenschlucht bis zum weiteren Umland umfassendes numerisches Stadtklimamodell geschaffen wird, das auch die Luftqualität berechnen kann. In einem weiteren Verbundvorhaben untersucht das IMK-IFU zusammen mit anderen Einrichtungen und Messgeräteherstellern die Möglichkeit, mit vielen, räumlich verteilten, sehr preiswerten Sensoren die Luftqualität in Städten flächendeckend und zeitlich hochauflösend zu erfassen.
Der zuvor erwähnte Zusammenhang zwischen städtischer Wärmeinsel und Luftqualität zeigt, dass urbane Forschung sich nicht nur auf Einzelaspekte wie die städtische Wärmeinsel beschränken darf, sondern mögliche Abhängigkeiten und Nebenwirkungen mit bedenken muss. Die Stadtplanung bedarf holistischer Ansätze, so wie sie auch in den beiden vorgestellten Projektverbünden angestrebt werden, die das Ganze im Blick behalten und den Planern und Entscheidungsträgern somit eine umfassende abgewogene Entscheidungsgrundlage bereitstellen.
Die erste künstliche Waldstadt entsteht in China
Chinas Regierung hat massiv mit der städtischen Luftverschmutzung zu kämpfen und lässt nun mit Lizhou eine Blaupause für andere Städte aus dem Boden stampfen. Liuzhou soll als real gewordene Zukunftsvision für China und Städte auf der ganzen Welt dienen. Grüner kann Beton kaum sein. Jedes einzelne Gebäude der Stadt wird unter einem grünen Mantel verschwinden. Noch vor dem Jahr 2021 soll die Stadt fertiggestellt werden. Erbauer ist der Architekt, der die inzwischen berühmt gewordenen Mailänder Hochhäuser mit fast völliger Begrünung, die beschönigend auch als vertikaler Wald bezeichnet werden („Bosco Verticale“), geschaffen hat.
Der Architekt Stefano Boeri hat die Stadt für 30.000 Menschen im Süden Chinas in der Guangxi-Region geplant. Fassaden, Dächer, Straßenzüge – kaum ein Quadratmeter soll unbegrünt bleiben. Es wird definitiv mehr Bäume als Menschen in der Stadt geben. Bis zu 10.000 Tonnen klimaschädliches Kohlendioxid werden so vorübergehend im Pflanzenmaterial fixiert. Eine Millionen Pflanzen und mehr als 100 verschiedene Arten werden in die Erde, Balkone, Fassaden oder auf Dächer gebracht. Auf diese Weise könnten bis zu 57 Tonnen Feinstaub pro Jahr über die Blattoberflächen aus dem Stadtgebiet entfernt werden. Selbst energetisch wird die Stadt komplett autark sein. Wärme aus dem Erdinneren wird Gebäude heizen, und Solaranlagen werden die Stadt mit Elektrizität versorgen. Ob die Stadtutopie hält, was sie verspricht, wird sich zeigen müssen.
Beitrag erstellt am 9. Mai 2018
Quellen
- Projekt Stadtklima im Wandel: Erforschung der vertikalen Struktur der Stadtatmosphäre über Stuttgart mit bodengestützten Fernmessverfahren, IMK-IFU des KIT, finanziert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), Laufzeit 2016-2019 / FKZ 01LP1602G. Link
- Projekt Stadtklima im Wandel: Urbane Chemie und Luftreinhaltung, IMK-IFU des KIT, finanziert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), Laufzeit 2016-2019 / FKZ 01LP1601D Link
- Smart Air Quality Network, finanziert vom Bundesministerium für Verkehr und Infrastruktur (BMVI), Laufzeit 2017-2020 / FKZ 19F2003B. Link