Naturgefahren und Städte
Hochwasserrisiko von Städten und Klimawandel hängen zusammen
- Hochwasser treten heute mancherorts deutlich früher auf, in anderen Regionen Europas hingegen später.
- Weltweit hat der Klimawandel die Hochwassergefahr in vielen Regionen erheblich verschärft.
- Neben Regionen mit häufigeren und schwereren Flusshochwassern finden sich auch Regionen mit einem Rückgang der Hochwasserabflüsse.
Herr Merz, im vergangenen Jahr haben Sie eine Studie veröffentlicht, in der Sie nachgewiesen haben, dass es in Europa einen erkennbaren Zusammenhang zwischen Klimawandel und auftretenden Hochwassern gibt. Demnach hat sich das Auftreten von Flusshochwassern über die Jahre hinweg zeitlich verschoben. Hochwasser treten heute mancherorts deutlich früher auf, in anderen Regionen Europas hingegen später. Inwieweit ist die Erkenntnis wichtig für die Hochwasservorsorge?
Prof. Merz: In vielen Regionen zeigt das Auftreten von Flusshochwassern eine ausgeprägte Saisonalität. Beispielsweise haben wir im Westen Deutschlands Hochwasserereignisse im Winter, während die Hochwasser der alpin beeinflussten Gebiete im Süden Deutschlands typischerweise im Frühsommer auftreten. Viele Akteure des Risikomanagements, zum Beispiel die Betreiber von Talsperren, haben sich auf diese Saisonalität eingestellt, und ein Auftreten von extremen Abflüssen außerhalb der gewohnten Saison kann zu Überraschungen führen. Des Weiteren könnte ein veränderter Zeitpunkt Auswirkungen auf die Magnitude haben. Beispielsweise traten die Hochwasserwellen in der Vergangenheit im Oberrhein im Frühsommer auf, und die Wellen aus den unterliegenden Gebieten des Rheins im Winter. Kommen die Wellen aus dem Oberlauf aufgrund des Klimawandels deutlich früher, so könnten sich diese mit den Hochwasserwellen der unterliegenden Gebiete überlagern mit negativen Konsequenzen für große Gebiete entlang des Rheins.
Das Problem ist, dass Gesellschaften erst dann aktiv werden, wenn ein Schadenereignis in der Region tatsächlich stattgefunden hat.
Eine aktuelle Studie des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) zeigt, dass sich infolge veränderter Regenfälle das Risiko von Hochwassern weltweit erhöht hat, von Indien über Südamerika, den USA bis Afrika, aber auch hier in Mitteldeutschland. Teilen Sie diese Einschätzung?
Prof. Merz: Der Klimawandel hat sicherlich die Hochwassergefahr in vielen Regionen erheblich verschärft, allerdings zeigt die Zusammenstellung der unterschiedlichen Studien zu den Veränderungen der letzten Dekaden kein einheitliches Bild. Neben Regionen mit häufigeren und schwereren Flusshochwassern finden sich auch Regionen mit einem Rückgang der Hochwasserabflüsse. Hinsichtlich der Ursachen für die zunehmenden Hochwasserschäden der letzten Dekaden besteht jedoch Konsens: Die dominante Komponente ist die Zunahme der Bevölkerung und ihrer Werte und Infrastruktur. Diese Komponente hat einen deutlich größeren Teil als der Klimawandel beigetragen.
Gerade Städte und urbane Gebiete Asien oder Afrika, in denen das Risiko schwerer Überschwemmung besonders hoch ist, werden in naher Zukunft rasant anwachsen. Was können diese Großstädte, die morgen vielleicht schon Mega-Cities sind, tun, um sich vor solchen großen Überschwemmungen zu schützen?
Prof. Merz: Eine Komponente des Risikos, die bisher wenig analysiert wurde, und die schwierig zu quantifizieren ist, ist die Vulnerabilität oder Anfälligkeit. Sie bestimmt, wie groß die Verluste der betroffenen Menschen, Städten und Regionen sind, falls sie ein Hochwasser trifft. In einer Studie mit einem internationalen Forscherteam haben wir kürzlich die Gründe für acht Fallbeispiele auf verschiedenen Kontinenten untersucht. In allen Fällen traten zwei Hochwasser mit einer ähnlichen hydro-meteorologischen Situation in derselben Region auf, wobei die Schäden beim zweiten Hochwasser deutlich geringer waren. In allen Fällen haben die Menschen aus dem ersten Ereignis gelernt und ihre Anfälligkeit substantiell reduziert. Diese Studie zeigte das enorme Potential von hochwassergefährdeten Städten und Regionen das Risiko durch eine Verringerung ihrer Vulnerabilität zu reduzieren.
Wenn der Klimawandel weiter voranschreitet, gibt es aus Ihrer Sicht Grenzen für die Anpassung, die heute schon erkennbar sind? Gibt es vielleicht sogar Hochrisiko-Regionen, die angesichts der zu erwartenden Kosten für die Besiedlung aufgegeben werden müssen oder lässt sich das alles noch managen?
Prof. Merz: Große Probleme können sich in Zukunft vor allem in Küstenzonen ergeben. Beispielsweise werden für das Delta des Mekongflusses in Vietnam große Umwälzungen erwartet. Hier kommen vielfältige Einflüsse zusammen: Der Klimawandel verändert den Abfluss des Mekongs und lässt den Meeresspiegel steigen. Damit steigt die Gefahr, dass sich Überschwemmungen aus Flusshochwasser und Sturmfluten überlagern. Gleichzeitig reduziert der massive Ausbau der Wasserkraft im Einzugsgebiet die Sedimentmenge, die dem Delta während der Hochwassersaison zugeführt wird. Dieses Sediment ist jedoch wichtig, um dem Absinken des Deltas entgegenzuwirken. Es sind insbesondere solche Regionen, in denen mehrere Einflüsse zusammenspielen, die zukünftig schwierig zu managen sind.
Was kann die Politik – auch mit Unterstützung der Wissenschaft hierzulande tun, damit sich dicht besiedelte Hochrisikoregionen in ärmeren Regionen der Welt besser vor den Auswirkungen von Überschwemmungen schützen können? Was würden Sie einem Politiker im Deutschen Bundestag empfehlen, der sich im Rahmen der internationalen Zusammenarbeit mit diesem Thema beschäftigt?
Prof. Merz: Wichtig erscheint mir, die Expertise zu den vielfältigen Möglichkeiten des Risikomanagements in Hochrisikogebieten zu stärken. Neben strukturellen Maßnahmen wie Schutzdeichen oder Hochwasserrückhaltebecken spielen nicht-strukturelle Maßnahmen eine herausragende Rolle. Vorsorge, Vorhersage- und Frühwarnsystem, aber auch Notfallpläne können die negativen Folgen von Überschwemmungen substantiell reduzieren. Das Problem ist, dass Gesellschaften erst dann aktiv werden, wenn ein Schadenereignis in der Region tatsächlich stattgefunden hat. Es sind Mechanismen einzuführen, die das Bewusstsein über Hochwassergefahren und die Möglichkeiten, das Risiko zu beherrschen, deutlich machen, ohne dass die Region vorher durch ein tatsächliches Ereignis empfindlich verletzt wird.
Vielen Dank für das Gespräch.
Die Fragen stellte Oliver Jorzik (ESKP).
April 2018
Hintergrundinformationen zu Vietnam
Nach Angaben des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) sind die Küstenstädte Vietnams besonders Klimawandel bedroht. Hier sind insbesondere Extremwettereignisse und der steigende Meeresspiegel relevant. Mit Hinweis auf Zahlen des Aqueduct Gobal Flood Analyzer müsse man von 2,6 Milliarden US Dollar an zu erwartenden jährlichen Hochwasserschäden in städtischen Gebieten Vietnams ausgehen. Dies entsprach im Jahr 2014 ca. 1,4 Prozent des Brutto-Inlandsprodukts (BIP).
Den Prognosen des BMZ zufolge wird sich die Gefährlichkeit von Hochwasserereignissen durch die zunehmende Verstädterung verschärfen. Daher komme es nun darauf an, das Hochwasserrisiko zu senken und das richtige Instrumentarium für rechtzeitige Warnungen und Evakuierungen aufzubauen. Zudem müsste eine Sensibilisierung und Stärkung der städtischen Behörden und Bevölkerung im Hinblick auf Anpassungen an die Folgen des Klimawandel erfolgen.
Auf Basis der Analysen wurde bereits gemeinsam mit der vietnamesischen Regierung eine Strategie für verbesserten Hochwasserschutz entwickelt und einzelne Städte arbeiten bereits daran, den Hochwasserschutz zum Beispiel durch bauliche Maßnahmen nachhaltig zu verbessern. Auch die Intensität an Schulungen und Aufklärung hat daraufhin zugenommen, damit die Menschen vor Ort wissen, was im Falle eines Hochwassers zu tun ist.
Quellen
- Kreibich, H., Di Baldassarre, G., Vorogushyn, S., Aerts, J. C. J. H., Apel, H., Aronica, G. T., ... Merz, B. (2017). Adaptation to flood risk: Results of international paired flood event studies. Earth's Future, 5(10), 953-965. doi:10.1002/2017EF000606