Naturgefahren und Städte

Blitzfluten in Großstädten Afrikas und Südostasiens

Die Millionenstädte Afrikas und Südostasiens zeigen ein rasantes Wachstum. Doch mangelnde Stadtplanung und Infrastruktur erhöhen das Risiko schwerer Flutkatastrophen in Zeiten des Klimawandels.

Text: Prof. Dr. Andreas Fink

Karlsruher Institut für Technologie (KIT)

  • Es gibt plausible Annahmen, dass künftige Regenereignisse im Mittel weit mehr als 7 Prozent zusätzlichen Regen bringen.
  • In Westafrika zeigen Studien bereits jetzt eine Zunahme von Niederschlagsextremen.
  • Da künftig ein Großteil der Menschheit in den vom Monsun betroffenen Regionen und Städten lebt, werden dringend bessere Wettervorhersagen und Klimaprojektionen von Blitzfluten benötigt.

Der afrikanische Kontinent hat in den letzten Jahrzehnten einen rasanten Bevölkerungszuwachs verzeichnet, der sich besonders an der starken Ausdehnung städtischer Räume zeigt. Laut UN liegen 40 der am schnellsten wachsenden Städte in Asien, sechs in Afrika. In der Metropolregion Lagos leben mittlerweile knapp 18 Millionen Menschen. Das sind 15 Mal mehr Einwohner als vor 50 Jahren. Täglich kommen 2.000 neue Einwohner hinzu. Insgesamt gibt es derzeit rund 57 Millionenstädte in Afrika. Auch in den sich stark ökonomisch entwickelnden Staaten Südostasiens wachsen die Städte weiter, wenn auch weniger rasant als in Afrika. Beiden Regionen ist gemein, dass sie überwiegend in tropischen Klimaregionen liegen. Bedingt durch den hohen Feuchtegehalt der Luft können hier in kurzer Zeit extreme Niederschlagsmengen fallen – an einem einzigen Tag fast so viel Regen wie in Berlin in einem halben Jahr.

In Westafrika gab es in den letzten Jahren einige extreme Regenereignisse, die Großstädte betrafen und Menschenleben kosteten, aber auch großen Sachschaden anrichteten. Nicht lange zurückliegende, verheerende Beispiele sind die Überflutungen 2017 in Freetown (Sierra Leone), 2012 in Dakar (Senegal) und 2009 in Ouagadougou (Burkina Faso). Für Freetown, der Hauptstadt von Sierra Leone, gab der staatliche Wetterdienst im August 2017 keine besondere Warnung heraus. Doch Hangrutschungen und Schlammlawinen, ausgelöst durch die extremen Regenfälle, kosteten mehr als 450 Menschen das Leben.

Aber auch die 8-Millionen-Metropole Ho-Chi-Minh-Stadt in Vietnam erlebte im September 2016 das stärkste Regenereignis seit mindestens den 1960er Jahren. Zum Teil waren die genannten Regenfälle im meteorologischen Sinne Jahrhundertereignisse. Ihre Folgen wurden jedoch durch fehlende oder unzureichende Stadtplanung und Stadtentwässerungs-Infrastrukturen sowie Bodenversiegelung noch einmal deutlich verschärft. Zur Erhöhung der Resilienz (Widerstandsfähigkeit) gegen diese Art eines hydrometeorologischen Extremereignisses muss einerseits eine unkontrollierte Urbanisierung vermieden werden. Ein schwieriges Unterfangen angesichts der hohen Wachstumsraten. Andererseits müssen von meteorologischer Seite vertrauenswürdige Wettervorhersagen und Klimaprojektionen bereitgestellt werden. In Sierra Leone hätten die Menschen wesentlich besser gewarnt werden müssen.

Das Institut für Meteorologie und Klimaforschung (IMK) am Karlsruher Institut für Technologie erforscht deshalb mit Partnern vor Ort zum einen die meteorologischen Prozessketten, die zu diesen Extremereignissen führen. Zum anderen prüfen die Forscher die Vorhersagbarkeit dieser Extremereignisse unter Zuhilfenahme von numerischen und statistischen Wettervorhersagemodellen. Ergeben sich hierbei Unterschiede? Was ist erfolgsversprechender: ein Blick in die Vergangenheit oder die Anwendung von physikalischen Wettermodellen?

Mit Blick auf die Vorhersagbarkeit für wenige Tage zeigen sich dabei zum Teil ernüchternde Resultate: In einer jüngst veröffentlichten Studie für Westafrika konnte festgestellt werden, dass weder einzelne noch die Gesamtheit von neun globalen Wettervorhersagemodellen mehr Vorhersagequalität besitzt als eine aus vergangenen Beobachtungen abgeleitete Vorhersage. Für das Ereignis in Ho-Chi-Minh-Stadt ist es bisher selbst mit hochaufgelösten Modellen nicht gelungen, den extremen Regen für den nächsten Tag vorherzusagen. Erstaunlich ist in diesem Zusammenhang, dass das Extremereignis im August 2015, welches die Küste Nordostvietnams heimsuchte, wiederum schon drei Tage vorher recht gut vorhersagbar war.

In welchen Wettersituationen sind jedoch ausreichende Vorwarnzeiten von etwa drei Tagen gegeben? Gibt es eventuell alternative Methoden zur Vorhersage mit physikalischen Modellen? Das sind wichtige Ziele der Forschungen am IMK, welche teilweise in den von der Deutschen Forschungsgesellschaft geförderten Transregio Waves2Weather eingebettet sind.

In Westafrika zeigen Studien bereits jetzt eine Zunahme von Niederschlagsextremen. Die beobachtete Erwärmung in der Troposphäre ermöglicht über die sogenannte „Clausius-Clapeyron-Beziehung“ einen exponentiell ansteigenden, maximalen Wasserdampfgehalt. Durch diesen als „Clausius-Clapeyron Scaling“ bezeichneten Effekt nimmt der mittlere Niederschlag pro Grad globaler Erwärmung um 7 Prozent zu. Aber gilt dies auch für Extremereignisse? Vermutlich nicht. Für das Jahrtausendereignis in Ouagadougou (vgl. ESKP-Beitrag) konnte gezeigt werden, dass eine extrem mit Feuchte angereicherte Wellenstörung in der mittleren Atmosphäre das Entstehen von zwei Schwergewitterzonen möglich machte, die innerhalb von sechs Stunden Ouagadougou überquerten. Dies ist bisher ein extrem seltenes Ereignis.

Generell gibt es gute physikalische Gründe anzunehmen, dass die Dynamik von Extremereignissen dazu führt, dass zukünftige Regenereignisse im Mittel weit mehr als 7 Prozent mehr Regen bringen. Dieser als „Super-Clausius-Clapeyron Scaling“ bezeichnete Effekt lässt sich mit den derzeitigen Klimamodellen nicht untersuchen, da diese die individuellen Gewitterzellen nicht auflösen können.

Vor dem Hintergrund, dass ein Großteil der Menschheit in den vom Monsun betroffenen Regionen Afrikas und Asiens und hier zunehmend in Städten leben wird, sind sowohl bessere Wettervorhersagen als auch Klimaprojektionen von Blitzfluten dringend geboten. Zu diesem übergeordneten Ziel tragen Forscher des IMK bei. Sie werden meteorologische Prozessketten besser verstehen und Wetter- und Klimamodelle kontinuierlich verbessern. Um die Auswirkungen extremen Regenereignissen zu begrenzen, müssen diese Verbesserungen rasch an Stadt- und Notfallplaner sowie Wasserbauingenieure weitergegeben werden.

Beitrag erstellt am 8. Mai 2018

Darstellung der Bevölkerungsentwicklung: Die Karte zeigt den Anteil der städtischen Bevölkerung in % (rote Kreise) sowie das natürliche Bevölkerungswachstum (Graustufen) in 2014. (Die natürliche Wachstumsrate umfasst die Geburten und Todesfälle ohne Migration.)

Grafik: Wissensplattform Erde und Umwelt, eskp.de / CC BY 4.0

Quellen

  • Morgan, R.W. & Kannisto, V. (1973). Lagos: A population dynamics survey, Nigeria. Social Science & Medicine (1967), 7(1), 1-30. doi:10.1016/0037-7856(73)90133-9
  • United Nations Department of Economic and Social Affairs, Population Division (2016). The World’s Cities in 2016 – Data Booklet (ST/ESA/ SER.A/392). doi:10.18356/8519891f-e
  • Vogel, P., Knippertz, P., Fink, A. H., Schlueter, A. & Gneiting, T. (2017). Skill of Global Raw and Postprocessed Ensemble Predictions of Rainfall over Northern Tropical Africa. Weather and Forecasting, 33, 369-388. doi:10.1175/WAF-D-17-0127.1

Weiterführende Inforamtionen

  • Obioma, C. (2016, 22. Februar). Lagos is set to double in size in 15 years. Will it 'spoil'? The Guardian [www.theguardian.com]. Abgerufen am 12.11.2019.