Forschungsmethoden
Nachhaltige Auswirkungen des Tiefseebergbaus
- Manganknollenhabitate beherbergen eine sehr hohe Faunenvielfalt, die Faunengesellschaften sind zudem sehr variabel.
- Derzeit diskutierte Abbauverfahren entfernen die Meeresbodenoberfläche und seine Fauna. Sedimentpartikel und Erzmaterial werden aufgewirbelt und verdriftet.
- Auch nach Jahrzehnten sind die Spuren wissenschaftlicher Störungsexperimente deutlich zu erkennen. Die Produktivität der benthischen Mikroorganismen wie auch die Populationsdichten der Faunengemeinschaften sind stark reduziert.
In den letzten zehn Jahren hat das Interesse am Abbau mineralischer Ressourcen in der Tiefsee stark zugenommen, wie die gestiegene Zahl der durch die Internationale Meeresbodenbehörde (ISA, International Seabed Authority) vergebenen Explorationslizenzen und die im Rahmen der „Blue Growth“-Strategie der Europäischen Kommission geförderten Technologieprojekte „Blue Mining“ und „Blue Nodules“ zeigen.
Vor diesem Hintergrund entwickelt die ISA derzeit verbindliche Regularien für den industriellen Tiefseebergbau im „Gebiet“, d.h. dem Meeresboden außerhalb staatlicher Außenwirtschaftszonen. Eine Verabschiedung dieses „Mining Codes“ durch die Internationale Gemeinschaft ist für Sommer 2020 avisiert. Die ISA ist bei dieser Aufgabe auf fundierte wissenschaftliche Untersuchungen der zu erwartenden Umweltschäden durch den Tiefseebergbau angewiesen, um möglichst hohe Umweltstandards zu implementieren.
Die Erzvorkommen der polymetallischen Knollen in den Tiefseeebenen – den Kobalt-reichen Krusten auf untermeerischen Bergen und den Massivsulfiden – unterscheiden sich zwar in vielen Charakteristika, wie z.B. flächiger Ausdehnung, chemischer Zusammensetzung und assoziiertem biologischem Habitat. Dennoch lassen sich zwei grundlegende Umweltauswirkungen für die derzeit diskutierten Abbauverfahren definieren: einerseits die Entfernung der Meeresbodenoberfläche und seiner Fauna im Abbaugebiet; andrerseits die Aufwirbelung von Sedimentpartikeln und kleingeriebenem Erzmaterial, die durch Bodenströmungen auch außerhalb des Abbaugebiets verdriftet werden und sich dort auf dem Meeresboden und seiner Fauna ablagern.
Das Europäische JPI Oceans Verbundprojekt MiningImpact fokussiert sich auf die zu erwartenden längerfristigen Umweltauswirkungen, indem bis zu 40 Jahre alte Störungsspuren in mehreren Manganknollengebieten des äquatorialen Pazifiks untersucht werden. Diese Störungen sind zwar sehr klein (maximal nur wenige Quadratkilometer groß) im Vergleich zu den angedachten industriellen Abbauflächen von 200-300 km2 pro Jahr und Firma, jedoch lassen die Ergebnisse einige klare Rückschlüsse zu.
Auch nach Jahrzehnten sind die Spuren dieser wissenschaftlichen Störungsexperimente deutlich am Meeresboden zu erkennen. In ihnen sind auch nach Jahrzehnten sowohl die Ökosystemfunktionen, wie die Produktivität der benthischen Mikroorganismen und biogeochemische Remineralisierungsprozesse stark reduziert. Aber auch die Populationsdichten benthischer Faunengemeinschaften sind stark verringert und die Zusammensetzung der Faunengemeinschaften ist verändert. Die Veränderungen sind nachhaltig und betreffen alle Ökosystem-Kompartimente.
Untersuchung ökologischer Zeitserien und ihrer räumlichen Variabilitäten in der Tiefsee nötig
Zu den Umweltauswirkungen durch aufgewirbelte Sedimentwolken liegen aus den alten Störungsexperimenten nur unzureichende Erkenntnisse vor. Diese stützen sich derzeit vor allem auf numerische Simulationen und Experimente im Labor. MiningImpact wird daher im Frühjahr 2019 den ersten industriellen Knollenkollektortest im Manganknollenlizenzgebiet der Clarion-Clipperton Bruchzone begleiten, um eine unabhängige wissenschaftliche Untersuchung der zeitlichen und räumlichen Ausbreitung der aufgewirbelten Sedimentwolke sowie der daraus resultierenden Auswirkungen auf die abyssale Umwelt durchzuführen.
Aufgrund der zu erwartenden nachhaltigen Zerstörung des Meeresbodens in den Abbaugebieten sowie deren Umgebung, müssen für die internationalen Regularien ebenfalls Konzepte zum Umweltmanagement und zur adaptiven Raumplanung entwickelt werden. Dies stellt eine große Herausforderung dar, weil die Tiefsee-Ökosysteme und insbesondere die Manganknollenhabitate eine sehr hohe Faunenvielfalt beherbergen. Zudem sind die Faunengesellschaften sehr variabel, und zwar auch auf kurzen Distanzen. Auch die Modalität ihrer Verbindungen über große Distanzen, z.B. zwischen West- und Ost-Pazifik, ist noch nicht verstanden. Die Klärung dieser Unsicherheiten erfordert unter anderem die Untersuchung ökologischer Zeitserien und ihrer räumlichen Variabilitäten in der Tiefsee.
Schutzgebiete müssen die Habitat‐Charakteristika der Abbaugebiete besitzen
Die Technologie für ein umfassendes Umweltmonitoring in der Tiefsee ist vorhanden und MiningImpact wird sie einsetzen, um Standards und Protokolle zur quantitativen Bewertung der Umweltauswirkungen von Tiefseebergbau zu entwickeln. Dazu zählen Indikatoren für einen guten Umweltzustand und Grenzwerte zur Verhinderung von Umweltschäden. Zusammenfassend hat MiningImpact der ISA die folgenden Vorschläge für den Mining Code unterbreitet:
- Schutzgebiete müssen die Habitat‐Charakteristika der Abbaugebiete besitzen (z.B. Ozeanproduktivität, Knollenbelegungsdichte, Faunengemeinschaft), um die Biodiversität in der Tiefsee zu erhalten sowie sensible und essentielle Ökosysteme zu bewahren.
- Tiefseeberge und Schutzgebiete (APEIs - Areas of Particular Environmental Interest) alleine können den Verlust von Biodiversität und Ökosystemleistungen durch Tiefseebergbau nicht kompensieren: zusätzliche Meeresschutzgebiete sind erforderlich.
- ISBA‐Dokumente zu Methoden und Parametern von Hintergrundstudien sowie Umweltüberwachung müssen in transparenter Art und Weise auf den aktuellen Stand der Wissenschaft gebracht werden.
- Die Minimierung weitreichender Umweltauswirkungen erfordert eine sorgsame und adaptive Raumplanung des Tiefseebergbaus, die Einrichtung eines Netzwerks repräsentativer Schutzgebiete sowie die Entwicklung minimal-invasiver Geräte
- Umweltmanagementpläne sollten für jedes Abbaugebiet mehrere Referenzgebiete (IRZs & PRZs) definieren, um Unsicherheiten der Ausbreitung der Sedimentwolken und die natürliche Variabilität in der Tiefsee zu berücksichtigen und eine effiziente Umweltüberwachung und adaptives Management zu ermöglichen.
- Eine transparente und unabhängige wissenschaftliche Bewertung der Umweltauswirkungen sowie eine transparente Datenrichtlinie müssen sichergestellt werden.
Referenzen
- Boetius, A. & Haeckel, M. (2018). Mind the seafloor. Science, 359(6371), 34-36. doi:10.1126/science.aap7301
- Joint Programming Initiative Healthy and Productive Seas and Oceans – JPI Oceans. (2017). Long-term Impacts of Deep-Sea Mining. Results of the MiningImpact project [Project-Überblick, Schlüsselergebnisse, politische Empfehlungen, miningimpact.geomar.de]. Aufgerufen am 09.11.2018.
- Joint Programming Initiative Healthy and Productive Seas and Oceans – JPI Oceans. (2018). MiningImpact [Projektwebseite, miningimpact.geomar.de]. Aufgerufen am 09.11.2018.
Weiterführende Informationen
- Die Tiefsee als Schatzkammer der Menschheit. (2016, 18. Oktober). [Mediathek des vom BMBF geförderten Rahmenprogramms Forschung für Nachhaltige Entwicklung (FONA), www.fona.de/de/service/mediathek]. Aufgerufen am 09.11.2018
- Folgen des Tiefsee-Bergbaus wären irreversibel. (2017, 27. Juni.). [scinexx das wissensmagazin, www.scinexx.de]. Aufgerufen am 09.11.2018.
- Schmid, A. (2018, 9. Oktober). Mangan: Welche Folgen der Tiefsee-Abbau von Rohstoffen hat. Edison [edison.media]. Aufgerufen am 09.11.2018.
- Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung. (2018, 7. September). Tiefseebergbau hinterlässt tiefe Narben [Pressemitteilung, www.senckenberg.de]. Aufgerufen am 09.11.2018
DOI
https://doi.org/10.2312/eskp.2018.2.3.1
Zitiervorschlag: Haeckel, M. (2018). Nachhaltige Auswirkungen des Tiefseebergbaus. In O. Jorzik, J. Kandarr & P. Klinghammer (Hrsg.), ESKP-Themenspezial Rohstoffe in der Tiefsee. Metalle aus dem Meer für unsere High-Tech-Gesellschaft (S. 42-44). Potsdam: Helmholtz-Zentrum Potsdam, Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ. doi:10.2312/eskp.2018.2.3.1