Ökologische Folgen

Welche Auswirkungen hat Plastik auf einzelne Tier- und Pflanzenarten?

Plastikmüll kann Lebewesen im Meer oder in Gewässern ganz unterschiedlich treffen. In dieser ESKP-Bildergalerie werden für einige, funktional wichtige Tier- und Pflanzenarten die ökologischen Folgen beschrieben.

Systematisch untersuchen Forscher vor allem: Welche Folgen hat die Verstrickung von Lebewesen in Müll? Wie läuft die Besiedlung von Müll ab und welche Konsequenzen hat diese? In welchen Mengen und mit welchen Folgen wird Plastik verzehrt? Die Interaktionen zwischen Lebewesen, Organismen und Plastikmüll sind sehr vielfältig. Zahlreiche Vogel- und Haiarten testen Plastik auf Verzehrbarkeit. Manche Arten verwechseln Nahrung und Plastik und das Plastik gelangt unbeabsichtigt in ihre Mägen. Forschungen zeigen, dass im Meer treibender Müll den Geruch von Algen annimmt. Dieser Geruch animiert Seevögel zum Verzehr. Auch Fische, Meeressäuger, Schildkröten und Wirbellose nehmen Plastik auf. Mechanisch und enzymatisch kann es in den Mägen in kleinere Fragmente zerteilt werden. Einige Tiere wie Asseln oder die Große Strandschnecke haben Filter in ihren Verdauungsapparaten und scheiden Plastik zum Teil wieder aus.

Ein mikro- oder makrobieller Aufwuchs verändert die Eigenschaften des Plastikmülls, er wird schwerer. Durch das veränderte Gewicht kann Plastik irgendwann zu Boden sinken, wo es die Sauerstoff- und Nahrungszufuhr zu den Sedimenten verringert. Dies könnte zu Änderungen in der Biodiversität der vielen Sedimentbewohner führen. Es passiert auch, dass sich Lebewesen dauerhaft mit einem Teil ihres Körpers im Müll verfangen. Durch den Aufwuchs werden sie allmählich in ihrer Schwimmfähigkeit beeinträchtigt. Aufwuchs hat aber auch positive Folgen. Besiedeln beispielsweise Algen verloren gegangene Fischernetze, werden diese für andere Lebewesen optisch wieder besser wahrnehmbar. Darüber hinaus gibt es Fischarten, die ganz aktiv im marinen Müll Schutz suchen. Dies zieht wiederum Beutetiere an, die Gefahr laufen, selbst Opfer der Abfälle zu werden.

Wie viele Individuen einer Population tatsächlich vom Plastikmüll betroffen sind, ist schwer zu beziffern. Es gibt punktuelle Untersuchungen an manchen großen Meeressäugern wie dem Atlantischen Nordkaper (Eubalaena glacialis), einem bis zu 18 Meter großen Glattwal. 626 Individuen dieser Art wurde mit Hilfe von Unterwasser-Fotos über die Jahre identifiziert. Am Körper von 83 Prozent aller Nordkaper waren Spuren der Verstrickung in Netzen zu erkennen. Im Schnitt zeigte ein Viertel aller Tiere jedes Jahr neue Narben.

Während viele Arten im Meer mobil sind oder mit der Strömung passiv verfrachtet werden, können vor allem festsitzende Organismen, so z.B. Korallen sowie Seegras oder Mangrovensetzlinge schlichtweg vom Müll begraben werden („Smothering“). Kleine Mangrovenpflanzen kämpfen generell mit harschen Bedingungen in der Gezeitenzone. Zusätzliche Belastungen, wie Lichtmangel durch den angeschwemmten Müll, bedrohen das Wachstum dieser für das Ökosystem wichtigen, strukturbildenden Arten.

Für 2249 (Stand September 2019) ist bisher wissenschaftlich nachgewiesen, dass sie vom Müll im Meer betroffen sind. Plastik macht einen großen Teil des gefundenen Mülls aus: 73 Prozent sind es laut der Litterbase des Alfred-Wegener-Instituts, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung. Die Auswirkungen des Plastiks auf einen Organismus hängen unter anderem von der Fresstechnik der Tiere, der inneren Anatomie sowie dem Lebensraum ab. Bei den physischen Effekten steht die Forschung noch relativ am Anfang. Ziel der Biologen und Ökotoxikologen ist es unter anderem, eine Gefährdungsmatrix für den Organismus der Lebewesen zu entwickeln. Mehr zu den ökologischen Folgen im Themenspezial-Beitrag: „Hinweise auf Mikroplastik in Speisefischen und Meeresfrüchten?

Forscher der Universität Newcastle haben an sechs der tiefsten Stellen in den Ozeanen 90 Organismen eingesammelt. In fast allen konnten Kunststoffpartikel nachgewiesen werden, selbst in Proben vom tiefsten Punkt der Erde, dem 11.000 Meter tiefen Challengertief im pazifischen Ozean. Sie schließen daraus, dass es mit hoher Wahrscheinlichkeit kein marines Ökosystem mehr auf der Erde gibt, das nicht von Plastikmüll betroffen ist.

Beitrag aktualisiert am 13. Dezember 2017

Das Buch "Marine Anthropogenic Litter" beschreibt umfassend, wie sich künstlich hergestellter Abfall, vor allem Plastik, in die entferntesten Bereiche der Ozeane verbreitet. Es zeigt alle Aspekte dieses Verschmutzungsproblems auf, von den Auswirkungen auf Flora und Fauna und die menschliche Gesundheit bis hin zu sozioökonomischen und politischen Fragen.
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Das Forschungs- und Trainingsprogramm GAME (Globaler Ansatz durch Modulare Experimente) des GEOMAR vernetzt junge Meereswissenschaftler weltweit. Im Programm führen sie identische Experimente in den verschiedenen Ländern durch. Bisher kooperiert GAME mit 35 Meeresforschungsinstituten auf fünf Kontinenten in 26 Ländern. Wissenschaftlicher Koordinator ist Dr. Mark Lenz. Im Jahr 2016 beispielsweise untersuchten die jungen Forscher wie Mikroplastik (1-50 µm) in Verbindung mit hohen Temperaturen, filtrierende Organismen wie Austern oder Muscheln beeinflusst. GAME hat sich im Rahmen von drei Projekten mit den Auswirkungen von Mikroplastik auf marine Benthosorganismen wie Muscheln und Würmern beschäftigt. Diese Tiere stehen an der Basis von Nahrungsnetzen und erfüllen wichtige Ökosystemfunktionen. Aus dem Wissen um die möglichen Folgen lässt sich dann auch ableiten, inwieweit marines Mikroplastik als Umweltproblem Monitoring- und Managementmaßnahmen erfordert.

Quellen

  • Knowlton, A. R., Hamilton, P. K., Marx, M. K., Pettis, H. M. & Kraus, S. D. (2012). Monitoring North Atlantic right whale Eubalaena glacialis entanglement rates: a 30 year retrospective. Marine Ecology Progress Series, 466, 293-302. doi:10.3354/meps09923
  • Rist, S., Assidqi, K., Zamani, N., Appel, D., Perschke, M., Huhn, M. & Lenz, M. (2016). Suspended micro-sized PVC particles impair the performance and decrease survival in the Asian green mussel Perna viridisMarine Pollution Bulletin, 111(1-2), 213-220. doi:10.1016/j.marpolbul.2016.07.006
  • Savoca M. S., Slager, C. J. (2017). Odours from marine plastic debris induce food search behaviours in a forage fish. Proceedings of the Royal Society B, 284(1860):20171000. doi:10.1098/rspb.2017.1000
  • Savoca M. S., Wohlfeil, M. E., Ebeler, S. E. & Nevitt, G. A. (2016). Marine plastic debris emits a keystone infochemical for olfactory foraging seabirds. Vol. 2, no. 11. Science Advances, 2(11):e1600395. doi:10.1126/sciadv.1600395

Weiterführende Informationen

Mikroplastik könnte an der Basis der Nahrungskette ansetzen: Wie gut sind die Nachweismethoden und wie relevant die ökologischen Folgen für Tiere und Pflanzen?

Interview mit Dr. Mark Lenz zu den ökologischen Folgen.

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