Forschungsbedarf

Was muss im Meeresbodenbergbau noch weiter erkundet werden?

Es gibt noch viele offene Fragen, wenn es um die Folgen des Meeresbodenbergbaus für die dortigen Ökosysteme geht. Bis es zur wirtschaftlichen Nutzung mariner mineralischer Rohstoffe der Tiefsee kommt, kann die Forschung Grundlagen für eine Risikoabschätzung erarbeiten. Es müssen aber auch völlig neue Technologien entwickelt werden, um ein verlässliches Umweltmonitoring in der Tiefsee zu gewährleisten.

Text: Mitglieder der Strategiegruppe Marine Mineralische Ressourcen des Konsortiums Deutsche Meeresforschung (KDM)

  • Wir wissen noch wenig über Tiefseeökosysteme, beispielsweise ihre Fähigkeit, sich nach Störungen durch Tiefseebergbau wieder zu regenerieren.
  • Durch neue Forschungsansätze müssen Grundlagen für Risikoabschätzungen eines Tiefseebergbaus gelegt werden.
  • Im Mittelpunkt dabei stehen verschiedene Aspekte wie z.B. Umweltverträglichkeit oder die Entwicklung von Geräten zum Umweltmonitoring.

Durch die Einführung neuer Technologie wie der Elektromobilität und den weiteren Ausbau Erneuerbarer Energien werden in den kommenden 20 Jahren deutliche Zunahmen beim Verbrauch von Metallrohstoffen, beispielsweise bei Nickel, Kupfer, Lithium, Kobalt und den sogenannten Seltenen Erden, erwartet. Auch der globale Bevölkerungsanstieg, gekoppelt mit einem steigenden Lebensstandard, wird den Verbrauch massiv steigern. Auch wenn das Recycling einen zunehmenden Anteil dieses Mehrbedarfs decken kann, wird die bergbauliche Gewinnung von mineralischen Rohstoffen an Land noch über Jahrzehnte die Grundlage der globalen Rohstoffversorgung bilden. Mineralische Rohstoffe aus der Tiefsee können einen Beitrag zur Deckung dieses Mehrbedarfs leisten.

Erste Abbautests mariner mineralischer Rohstoffe im Pilotmaßstab wurden innerhalb von ausschließlichen Wirtschaftszonen bereits durchgeführt (beispielsweise auf Massivsulfide in Japan), während Abbauregularien für internationale Gewässer derzeit durch die Internationale Meeresbodenbehörde erst erarbeitet werden. Die Herausforderungen zur Entwicklung von Technologie zur Erkundung, zum Abbau und zum Monitoring in der Tiefsee sowie zur Verhüttung sind groß. Wir wissen zudem noch wenig über die Fähigkeit der sensiblen Tiefseeökosysteme, etwa bei Fragen der Kompensation von Störungen durch einen Tiefseebergbau und der anschließenden Regeneration.

Die gesellschaftspolitische Diskussion zur Erschließung von Rohstoffvorkommen in der Tiefsee wird kontrovers geführt, da mögliche Auswirkungen auf Umwelt und Gesellschaft sowie Fragen der gesellschaftlichen Akzeptanz wissenschaftlich noch nicht ausreichend untersucht und beantwortet worden sind. Ein wesentlicher Aspekt betrifft dabei das Ausmaß von Schädigungen der Tiefseeökosysteme: Was ist hier vertretbar, welche sozio-ökologischen Szenarien sind zu erwarten und wie sind diese im Vergleich mit Szenarien im Landbergbau zu bewerten?

Durch neue Forschungsansätze müssen Grundlagen für Risikoabschätzungen eines Tiefseebergbaus gelegt werden. Langfristige und kumulative Effekte für die marine Umwelt müssen identifiziert und die Entwicklung multifaktorieller Managementkonzepte vorangetrieben werden. Bis zum Beginn der wirtschaftlichen Nutzung mariner mineralischer Rohstoffe der Tiefsee kann die Forschung Grundlagen erarbeiten, auf denen eine Risikoabschätzung, gesellschaftlich akzeptable Handlungsszenarien und rechtlich verbindliche Vorschriften zum Umweltschutz entwickelt werden können. Beispiele für konkrete Forschungsansätze sind:

  • Forschung zu Entstehungsprozessen und Bildungsbedingungen. Dazu gehört beispielsweise die Bestimmung von Material- und Energieflüssen (z. B. von Spurenmetallen in der benthischen Zone) und von den zugrundeliegenden biogeochemischen Prozessen, die zu lagerstättenrelevanten Anreicherungen sowie ggf. zu Umweltauswirkungen bei einem Abbau führen. Diese Untersuchungen sind eine wichtige Grundlage für die belastbare Bewertung der Potentiale dieser Rohstoffvorkommen.  
  • Forschung zur globalen Verteilung mariner mineralischer Rohstoffe. Derzeitige Aussagen bezüglich des globalen Rohstoffpotentials mariner mineralischer Rohstoffe beruhen auch auf unzureichenden Daten zu ihrer Verteilung. Insbesondere für die Massivsulfide liegen hier nur unzureichende Angaben vor. Jüngere Forschungsergebnisse im Atlantik und im westlichen Pazifik haben aber auch gezeigt, dass die Verteilung wirtschaftlich interessanter Vorkommen von Manganknollen und -krusten bei Weitem nicht vollständig erfasst sind. Für diesen Forschungsschwerpunkt ist neben einer internationalen Kooperation auch eine freie Verfügbarkeit von Forschungsdaten erforderlich.
  • Erforschung der Umweltverträglichkeit von Tiefseebergbau. Dazu gehören Untersuchungen der Biodiversität und der Ausbreitungsareale von Fauna und Mikroorganismen, ebenso wie die Erforschung der Resilienz von Tiefseeorganismen gegenüber mechanischen Störungen, dem Freisetzen toxischer Metalle und der Rückkopplungen zwischen biogeochemischen Prozessen, Ökosystemfunktionen und Faunengemeinschaften. Kenntnisse über großräumige genetische Verbundenheit von Populationen sind nötig, die potentiell das Überleben von Arten sichern. Weiterhin müssen Rückkopplungseffekte mit anderen marinen und küstennahen Ökosystemen untersucht werden, beispielsweise durch verdriftende Partikelwolken, die eutrophierende oder hemmende Wirkung für die biologische Produktion haben können.
  • Entwicklung von Geräten zum Umweltmonitoring in ungestörten Gebieten, bei Abbautests bzw. für einen zukünftigen kommerziellen Tiefseebergbau. Dazu gehört die Entwicklung von Geräten und Konzepten für ein zeitlich und räumlich hoch aufgelöstes Monitoring (Baseline und Langzeitbeobachtungen), beispielsweise durch die Entwicklung von Sensoren oder autonomen Systemen, ebenso wie die Bestimmung von Grenzwerten für die Umweltbelastung.
  • Entwicklung von Geräten zur Erkundung mineralischer Vorkommen. Hier werden beispielsweise kostengünstige und schnelle Erkundungstechnologien benötigt. Für die Massivsulfide werden Technologien zur Erfassung der Tiefenerstreckung der Lagerstätte und deren Metallgehalt, beispielsweise im Bereich der Bohrtechnik oder der Geophysik, benötigt. Für die Manganknollen sind beispielsweise Vermessungsgeräte zur detaillierten Kartierung der Befahrbarkeit des Meeresbodens zu entwickeln.
  • Forschung und Entwicklung zur Verhüttung. Insbesondere für die metallurgische Verarbeitung von Manganknollen stehen keine etablierten Verfahren zur Verfügung, die neben Kupfer, Kobalt, Nickel und Mangan auch die wertvollen Nebenmetalle wie z. B. Seltene Erden effizient extrahieren können. Aus Gründen des Umweltschutzes und einer nachhaltigen Nutzung sollten Verfahren entwickelt werden, die das gewonnene Erz vollständig verwerten, ohne Reststoffe zu erzeugen. Neben pyrometallurgischen Verfahren bieten auch andere Ansätze, wie beispielsweise die Biolaugung, weitere Potentiale.
  • Erforschung der gesellschaftlichen Folgen von Tiefseebergbau in Form von sozio-ökonomischen Betroffenheitsstudien, z. B. zur Beeinträchtigung des Fischfangs, und Konzeptentwicklungen für gesellschaftlich akzeptable, ökonomisch und ökologisch nachhaltige Nutzungsszenarien mariner mineralischer Rohstoffe. Hierbei müssen auch die besonderen wirtschaftlichen, kulturellen und gesellschaftlichen Situationen der Bewohner pazifischer Inselstaaten sowie die sozio-ökonomischen Auswirkungen von Tiefseebergbau auf Staaten mit Landbergbau (z. B. in Afrika) berücksichtigt werden.

Beitrag erstellt am 6. Dezember 2018

Referenzen

  • Konsortium Deutsche Meeresforschung – KDM. (o.D.). Strategiegruppe Mineralische Ressourcen [Webseite, www.deutsche-meeresforschung.de]. Aufgerufen am 08.11.2018.

DOI
https://doi.org/10.2312/eskp.2018.2.4.13

Zitiervorschlag: Strategiegruppe Marine Mineralische Ressourcen des Konsortiums Deutsche Meeresforschung – KDM. (2018). Was muss im Meeresbodenbergbau noch weiter erkundet werden? In O. Jorzik, J. Kandarr & P. Klinghammer (Hrsg.), ESKP-Themenspezial Rohstoffe in der Tiefsee. Metalle aus dem Meer für unsere High-Tech-Gesellschaft (S. 104-106). Potsdam: Helmholtz-Zentrum Potsdam, Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ. doi:10.2312/eskp.2018.2.4.13