Forschungsmethoden

Schweres Gerät auffahren: Nautilus Minerals und Japan auf dem Weg zum Tiefseebergbau

In Papua-Neuguinea versucht ein kanadisches Unternehmen, dem Meer wirtschaftlich Gold und Kupfer Meer abzuringen. Wie realistisch ist das Vorhaben? Was sind möglicherweise limitierende Faktoren? Wie weit ist die Technik bei anderen Akteuren wie Japan? Dazu GEOMAR-Experte Dr. Sven Petersen im Interview.

Interview mit Dr. Sven Petersen
GEOMAR – Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel

  • Das kanadische Unternehmen Nautilus Minerals plant vor Papua-Neuguinea den Abbau von Massivsulfiden. Allerdings konnte die Firma noch nicht zeigen, dass die entwickelten Abbaugeräte in der Tiefsee tatsächlich einsetzbar sind.
  • Das Unternehmen hat bei den vorgeschriebenen Umweltbeobachtungsstudien transparent gearbeitet. Alle Informationen und Ergebnisse sind im Internet frei verfügbar.
  • Japan will sich unabhängig von Rohstoffimporten machen. Die von Japan entwickelten Abbaugeräte wurden in der Tiefsee getestet und sie funktionieren.

Herr Petersen, vor Papua-Neuguinea will das Unternehmen Nautilus Minerals im kommenden Jahr mit dem Abbau von Massivsulfiden beginnen. Was halten Sie davon, wie ist der Stand der Dinge?

Dr. Petersen: Nautilus Minerals wollen 2019 vor Papua-Neuguinea anfangen. Das Unternehmen hat drei Abbaugeräte gefertigt und in flachem Wasser getestet. Sie brauchen noch weiteres Geld, um das Abbauschiff fertig zu stellen. Dies allein kostet locker 300 Millionen Dollar. Alle anderen Aktivitäten außerhalb des Schiffbauens sind zurückgestellt. Wenn das Geld nicht zusammenkommt, wird es keinen Bergbau geben.

Von Unternehmensseite ist jedoch zu hören, dass sie das jetzt in Angriff nehmen wollen. Das Unternehmen selbst sagt, dass sie die Einzigen sind, die untersuchen, wie die Einflüsse auf das Ökosystem sind. Da bleibt die Frage, wie repräsentativ sind diese Untersuchungen?

Dr. Petersen: Nautilus Minerals hat das als Unternehmen sehr gut gemacht. Sie haben die notwendigen und vorgeschriebenen Umweltbeobachtungsstudien an Wissenschaftler weltweit vergeben. Die Wissenschaftler haben zwar Verträge mit Nautilus Minerals geschlossen, aber alle Untersuchungen konnten auch öffentlich publiziert werden. Eine Transparenz der Beobachtungen ist damit gegeben. Die Informationen zu Manganknollen und Massivsulfiden stehen im Netz frei zur Verfügung – übrigens im Gegensatz zu fast allen anderen Kontraktoren der Meeresbodenbehörde. Für diese Umweltuntersuchungen hat das Unternehmen sehr viel Geld ausgegeben. Dies ist auch vor dem Hintergrund bemerkenswert, dass sie eine Aktienfirma sind. Es gab Kritik daran, wieviel bzw. wie wenig sie gemacht haben, aber Kritik gibt es immer. Von Seiten derjenigen Biologen, die ich international kenne, gab es jedoch eine hohe Zufriedenheit mit dem, was dort zur Untersuchung von Lebensgemeinschaften gemacht wurde.

Welchen Nutzen wird Papua Neuguinea haben, in dessen Hoheitsgebiet der Abbau stattfindet?

Dr. Petersen: Papua Neuguinea ist mit 30 Prozent an der Firma beteiligt. Das heißt, von jedem Gewinn, den die Firma irgendwann mit dem Abbau erzielt, erhält Papua Neuguinea seinen Anteil. Papua Neuguinea ist zwar reich an Bodenschätzen. Derzeit ist es jedoch so, dass der Landbergbau viel Geld aus Papua Neuguinea abzieht. Ursache dafür sind die Verträge, die in der Vergangenheit geschlossen wurden. Bei dem Vertrag mit Nautilus Minerals ist das hoffentlich anders. Abschließend kann ich das aber aus jetziger Perspektive nicht beurteilen. Papua Neuguinea hat durch die Negativ-Erfahrungen, die sie mit Bergbau-Firmen gemacht haben, gelernt, wie sie mit Verträgen umgehen. Daher denke ich, dass Papua Neuguinea, wenn es denn irgendwann mal Gewinn machen sollte, finanziellen Nutzen daraus zieht. Sollte der Abbau aber nicht wirtschaftlich sein, macht auch das Land Verluste. Bei dem Abbau werden teilweise Arbeiter aus Papua Neuguinea eingesetzt. Die Anzahl der Personen, die auf dem Spezialschiff arbeiten wird, ist aber natürlich begrenzt. Hinzu kommen noch einmal ein paar Leute an Land. Ob sie dort genug daran verdienen, hängt von den Vereinbarungen in den Verträgen ab.

Gibt es auch Risiken bei diesem Deal?

Dr. Petersen: Man muss sagen, diese bilateralen Verträge sind immer ein zweischneidiges Schwert. Man kann den Anteil an der Gewinnbeteiligung, den das Land bekommt, hoch anlegen. Dann bekommt man aber niemanden, der mit einem einen Vertrag schließt. Und es kann auch ein Negativ-Szenario eintreten: Wenn die Unternehmung keinen Gewinn abwirft, wird Papua-Neuguinea zu 30 Prozent an den Kosten beteiligt sein. Und im Moment laufen nur Kosten auf, und es wird kein Gewinn gemacht. Nautilus Minerals ist eine australische Firma, aber die Firma, die den Abbau macht, ist Nautilus Papua Neuguinea Limited. Das ist ja wie so häufig in der Wirtschaft sehr verschachtelt. Das heißt: Nautilus Minerals sitzt in Brisbane, aber die Leute, die vor Ort arbeiten, sind in einer eigenständigen Firma in Papua-Neuguinea angesiedelt. Vor einigen Jahren gab es eine Wahl in Papua-Neuguinea und die Partei, die die Wahl gewonnen hat, wollte aus den existierenden Verträgen aussteigen und hat gesagt, wir halten die Verträge nicht ein. Beide Parteien sind in Australien vor Gericht gezogen und Papua-Neuguinea hat verloren. Es musste das Geld, welches vertraglich zugesichert wurde, auch bereitstellen.

Sie sind skeptisch, was den wirtschaftlichen Erfolg angeht. Was sind aus Ihrer Sicht die limitierenden Faktoren?

Dr. Petersen: Es gibt für mich zwei Gründe. Die Geräte, die Nautilus Minerals gebaut hat oder derzeit noch baut, sowie das Schiff sind noch nie in einer relevanten Umgebung getestet worden. Sie wurden in einem See in England getestet und 2017 in Papua-Neuguinea dem Salzwasser ausgesetzt. Allerdings konnte die Firma noch nicht zeigen, dass sie in der Tiefsee tatsächlich einsetzbar sind. Als Nicht-Ingenieur und Nicht-Technologe halte ich es für vermessen anzunehmen, dass die Geräte sofort einwandfrei funktionieren. Gemeint sind die Geräte, die ganz konkret am Meeresboden den Abbau machen sollen. Daneben gibt es Japan als wichtigen Player. Japan hat im Jahr 2009 ein sehr großes Programm aufgestellt, um marine Rohstoffe in seinen Hoheitsgewässern zu untersuchen. Da Japan komplett von Rohstoffimporten abhängig ist, gibt das Land sehr viel Geld für Erkundungs- und Abbautechnologieentwicklung aus. Japan hat in wenigen Jahren Nautilus Minerals technisch bereits überholt. Das Land hat letztes Jahr (2017, Anmerkung der Redaktion) bereits die dritte Generation von Abbaugeräten in der Tiefsee getestet und es wurde dabei auch Material gefördert. Japan ist also am weitesten. Die Geräte sind gebaut, in einer relevanten Umgebung eingesetzt wurden und sie funktionieren. Ob sie jedoch auch 300 Tage im Jahr wartungsfrei und ohne größere Ausfälle funktionieren, das kann man momentan nur schwer abschätzen. Das wird die Zeit zeigen. Zum wirtschaftlichen Aspekt: In der zweiten Geräteversion Japans wurden 60 Kilogramm Erz in fünf Stunden gewonnen. 60 Kilogramm Erz, da kann man sich ausrechnen, wie viele 100 Dollar da drin sind und das Ganze bei fünf Stunden Einsatz auf hoher See, da schmilzt der Gewinn sofort dahin. Nautilus Minerals hat im Gegensatz zu Japan für das betroffene Gebiet „Solwara 1“ noch nicht einmal den ersten Abbautest gemacht. Ich denke daher, es werden noch Jahre des Finanzierens und des Testens ins Land gehen, bis man an 250 Tagen im Jahr möglichst wartungsfrei fördern kann. Denn erst dann erreicht man die Gewinnzone.

Ok, nehmen wir mal an, sie schaffen das.

Dr. Petersen: Gut, gehen wir einmal davon aus, dass sie das alles hinkriegen. Dann müsste das Unternehmen über mehrere Jahre gewinnbringend arbeiten können. Das Vorkommen „Solwara 1“ hat etwa 2,5 Millionen Tonnen Erzinhalt. Das reicht für knapp 1,5 Jahre Abbau, wenn man es etwas streckt. Das Konzept der Firma Nautilus setzt aber auf einen Abbau über ca. zehn Jahre. Nautilus Minerals exploriert jedoch seit knapp 20 Jahren und es gibt keine weiteren Vorkommen, welche groß und wirtschaftlich genug sind, um nach knapp 1,5 Jahren das Vorkommen „Solwara 1“ zu ersetzen und die zehn Jahre Abbau abzudecken. Das wäre jedoch nötig, um die Investitionen wieder reinzuholen und das Ganze am Leben zu erhalten. Das Unternehmen hat nicht einmal Material, um die zweite Hälfte vom zweiten Jahr zu überstehen. Also ich mache mir da große Sorgen. Aktuell ist das Unternehmen darauf angewiesen, dass Geld über Aktienverkäufe reinkommt. Alles, was sie über diesen Weg einnehmen, geht in das Equipment. Die Explorationsarbeiten sind momentan auf ein Minimum zurückgefahren. Der letzte Geophysiker ist freiwillig gegangen, Ende letzten Jahres. Das bedeutet, sie haben momentan gar keinen Geophysiker mehr. Alles wartet auf den Bau des Schiffes, dann stellen sie auch hoffentlich wieder Leute ein.

Schauen wir auf Japan, kann es dort eher klappen?

Dr. Petersen: Ich glaube, dass es technologisch klappt. Und ich glaube nicht, dass Japan daran interessiert ist, gewinnbringend zu arbeiten. Es ist dort ähnlich wie hier in Deutschland. Immer noch wird Kohle abbaut und dieser Abbau wird seit Jahrzehnten subventioniert. Japan hat Interesse daran, sich von Rohstoffimporten unabhängig zu machen. Das heißt allerdings nicht nach dem Prinzip zu arbeiten: „Koste es, was es wolle“. Japan hat aber Rohstoffe innerhalb seiner Hoheitsgewässer, und sie geben sehr viel Geld für die Erkundung aus, viele Millionen Dollar pro Jahr. Im letzten Jahr wurden aufgrund der hohen Erkundungstätigkeit und des Einsatzes neuer Technologien vor Japan über 20 neue Massivsulfidvorkommen gefunden. Bei einigen besteht zumindest die Möglichkeit, dass sie ökonomisch interessant sind. Dafür müssten von diesen Vorkommen neben Oberflächenproben auch Bohrungen durchgeführt werden. Bei allen neuen Vorkommen handelt es sich allerdings um aktive Vorkommen, da sie durch Anomalien in der Wassersäule aufgefunden wurden. Ob Japan innerhalb seiner eigenen ‚Ausschließlichen Wirtschaftszone‘ aktive Felder abbauen will und ob es dazu auch technologisch fähig ist, kann ich nicht sagen.

Das Risiko eines Abbaus aktiver schwarzer Raucher in der sogenannten „Area“, also in den Gebieten, die von der Internationalen Meeresbodenbehörde bearbeitet werden, sehe ich als gering an. Alle Kontraktoren, die ich kenne, wollen sich an die bereits bestehenden Regularien halten, und bereits die Erkundungsregularien sagen, dass es keinen größeren – was auch immer größeren bedeutet – Einfluss auf Faunengemeinschaften am Meeresboden geben darf. Deutschland zum Beispiel hat explizit gesagt, dass nicht daran gedacht ist, aktive Vorkommen abzubauen. Die bekannten Vorkommen sind ja auch meist sehr klein und damit wirtschaftlich tatsächlich nicht interessant. Durch die austretenden Hydrothermalfluide sind diese aktiven Vorkommen durch einen niedrigen pH-Wert (= sauer) und hohe Temperaturen gekennzeichnet. Firmen und Konsortien hätten es mit hoher Wahrscheinlichkeit auch mit einer schlechten Publicity zu tun.

Das soll auch vor Papua-Neuguinea nicht gemacht werden?

Dr. Petersen: Das Vorkommen „Solwara 1“ ist schwach aktiv, das ist richtig. Dort gibt es eine Hydrothermalfauna, das würde ich nicht als inaktiv bezeichnen. Allerdings gibt es in der unmittelbaren Umgebung weitere Vorkommen mit ähnlicher Makrofauna. Von einer gänzlichen Zerstörung dieser Lebensgemeinschaften ist daher nicht auszugehen.

Sie sagten, dass das Gebiet recht gut untersucht ist, respektive der Einfluss des Abbaus auf das Ökosystem.

Dr. Petersen: Ja, aber der Bereich, der tatsächlich abgebaut wird, wird auf jeden Fall zerstört. Mit der gesamten Makrofauna. Aber es gibt einen Referenzort – wenige Kilometer entfernt – von dem aus eine Wiederbesiedlung stattfinden könnte, entweder durch die Firma Nautilus oder auch durch die Natur selbst, ohne Hilfe, da die schwache hydrothermale Aktivität durch den Abbau nicht ausgeschaltet wird. Das bedeutet: Die den Lebensgemeinschaften zugrunde liegende Nahrungsversorgung ist durch die chemischen Komponenten in den Fluiden weitergegeben. Ich sehe das bei „Solwara 1“ insgesamt nicht so kritisch, und ich sehe auch einen möglichen Bergbau von Massivsulfiden nicht so kritisch, weil ich hoffe – vielleicht bin ich da naiv – dass aus wirtschaftlichen Gründen nur inaktive große Vorkommen für einen Abbau in Frage kommen. Nichtsdestotrotz gibt es bei diesen inaktiven Vorkommen wahrscheinlich endemische Faunengemeinschaften, meist Kleinstlebewesen, die vom „Verrosten“ dieser Massivsulfide am Meeresboden leben. Überall in der Umgebung solcher Vorkommen gibt es Mikroben und auch Makrofauna, die generell vorhanden ist und die auf dem Basaltsubstrat des normalen Ozeanbodens lebt. Aber auf diesen inaktiven Vorkommen wird es solche endemischen Faunengemeinschaft geben, die eben nur auf verrosteten Massivsulfiden vorkommen. Also auch hier kann es ein Auslöschen von ganzen Spezies geben wie bei den Schwarzen Rauchern. Allerdings ist es unwahrscheinlich, dass ein Abbau inaktiver Vorkommen die Sulfide zu 100 Prozent vom Meeresboden entfernt. Das ist weder technisch machbar noch wirtschaftlich sinnvoll. Der Mittelozeanische Rücken ist 67.000 Kilometer lang. Alle Erkundungen passieren derzeit in der sogenannten neovulkanischen Zone, die nur wenige Kilometer breit ist. Die weiteste Entfernung, die wir in der internationalen Erkundung solcher inaktiven Vorkommen davon weggegangen sind, ist vielleicht 15 Kilometer. Auch unsere GEOMAR-Forschung findet relativ nah an der Rückenachse statt, nur Russland exploriert ein bisschen weiter weg.

Vielen Dank für das Gespräch.

Auszug aus einem Interview, das Dr. Christina Bonanati für ESKP führte.

DOI
https://doi.org/10.2312/eskp.2018.2.3.6

Zitiervorschlag: Petersen, S. (2018). Schweres Gerät auffahren: Nautilus Minerals und Japan auf dem Weg zum Tiefseebergbau [Interview]. In O. Jorzik, J. Kandarr & P. Klinghammer (Hrsg.), ESKP-Themenspezial Rohstoffe in der Tiefsee. Metalle aus dem Meer für unsere High-Tech-Gesellschaft (S. 55-58). Potsdam: Helmholtz-Zentrum Potsdam, Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ. doi:10.2312/eskp.2018.2.3.6