Forschungsmethoden

Baseline-Studien für die Erkundungsgebiete: Wie tief reicht der Sauerstoff, was sind die Sedimentationsraten?

Ohne die Kenntnisse der Sedimentationsbedingungen sowie der ökologischen und geochemischen Zustände in der Tiefsee können die Auswirkungen zukünftiger menschlicher Eingriffe in die Tiefsee nicht ermittelt werden. Insbesondere die Clarion-Clipperton Zone (CCZ) im äquatorialen Pazifik ist für den Manganknollen-Abbau potentiell interessant und Gegenstand der Untersuchungen.

Text: Prof. Dr. Sabine Kasten
Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI)

  • Die Dicke der Sedimentschicht in der Tiefsee der Clarion-Clipperton Zone schwankt zwischen einem und mehr als 100 Metern.
  • Die Eindringtiefe des Sauerstoffs in das Oberflächensediment ist ein entscheidender Parameter, denn die Störung sauerstofffreier Zonen würde schädliche Schwermetalle freisetzen.
  • Ausgewiesene Schutzgebiete in der Clarion-Clipperton Zone unterscheiden sich signifikant von den Explorationsvertragsgebieten.

Bis dato nahm man an, dass die geochemischen, ökologischen und sedimentologischen Bedingungen in der Tiefsee keiner starken räumlichen Variation unterliegen. Doch neuere Studien zeigen ein anderes Bild.

Insbesondere die Clarion-Clipperton Zone (CCZ) im äquatorialen Pazifik stand bei den Untersuchungen der Wissenschaftler*innen im Fokus, da sie für den Manganknollen-Abbau potentiell in Frage kommt. Neben 15 anderen internationalen Kontraktoren hat auch die deutsche Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) in dieser Zone bereits eine Erkundungslizenz erworben. Ein Team des Alfred-Wegener Instituts forscht deshalb hier unter anderem zu den geochemischen Bedingungen, den biogeochemischen Reaktionen und Sedimentationsprozessen, um Baselines für spätere Evaluationen zu schaffen. Diese Baseline-Studien beschreiben zunächst den Ist-Zustand in diesem Gebiet und dienen damit als Grundlage für Studien zu den Auswirkungen möglicher späterer Eingriffe.

Die neueren Ergebnisse der Wissenschaftler*innen überraschen. Dies insofern, als dass sie zeigen, dass die Belegung des Meeresbodens mit den begehrten Manganknollen unerwartet heterogen ist und auch die sedimentologischen und geochemischen Bedingungen häufig über kurze Distanzen von weniger als einem Kilometer stark schwanken. Der Meeresboden im Bereich der Clarion-Clipperton Zone ist in Wassertiefen von mehr als 4000 Metern darüber hinaus keineswegs eben oder flach, sondern durch unzählige untermeerische Berge (Seamounts) charakterisiert. Diese ragen teils bis zu mehr als 2000 Meter über den umgebenden Meeresboden. Durch die Wechselwirkung von Bodenwasserströmungen und den als Hindernissen wirkenden, Seamounts kommt es zu einem komplexen und heterogenen Strömungs- und Sedimentationsmuster.

Pro Jahrtausend setzen sich meist nur weniger als ein Zentimeter Sediment ab

Die Sedimentationsraten in der Tiefsee dieser Zone sind generell sehr niedrig. Die neuen Untersuchungen haben jedoch gezeigt, dass sie um den Faktor 2 bis 3 schwanken und zwischen weniger als einem halben Zentimeter und circa 1,5 cm pro tausend Jahren betragen. Auch die Gesamtdicke der Sedimentschicht variiert. Während die Dicke der über der ozeanischen Kruste lagernden Sedimentschicht an den Flanken der untermeerischen Bergeweniger als einen Meter betragen kann, wird sie in den Beckenbereichen zwischen den Seamounts zum Teil mehr als hundert Meter mächtig.

Diese heterogenen Sedimentationsbedingungen, die zudem von unterschiedlichen Einträgen organischer Substanz aus dem überlagernden äquatorialen Hochproduktionsgebiet begleitet werden, bestimmen entscheidend die ebenfalls sehr variablen geochemischen Bedingungen, biogeochemischen Prozesse und Stoffflüsse in den Oberflächensedimenten der CCZ. Die obere sauerstoffhaltige (oxische) Zone der Sedimente zeigt hierbei eine starke räumliche Variabilität und kann zwischen circa 30 cm und mehreren Metern betragen.

Mobile Schwermetalle und Nährstoffe in sauerstofffreien Sedimentbereichen

Unterhalb der Sauerstoffeindringtiefe befinden sich sauerstofffreie (anoxische) Sedimente, in denen Nährstoffe und Schwermetalle in gelöster und damit mobiler Form vorliegen. Die potentielle Freisetzung von toxischen Metallen, die Schadwirkungen auf die im und auf dem Sediment lebenden Tiefseeorganismen haben, und anderen Stoffen im Rahmen von Tiefseebergbau-Aktivitäten hängt zentral von der Mächtigkeit der oberen sauerstoffhaltigen Sedimentschicht ab und davon, ob die eingesetzte Abbautechnologie tiefere, sauerstofffreie Sedimentbereiche stört. Die auch als „Sauerstoff-Eindringtiefe“ bezeichnete Mächtigkeit der oberen sauerstoffhaltigen Schicht der Sedimente stellt daher einen der zentralen Parameter für Tiefsee-Baseline Studien, Umweltmonitoring und Environmental Impact Assessments dar.

Sind die untermeerischen Schutzgebiete (APEIs) geeignet?

Um Beeinträchtigungen, die durch die Störung des Meeresbodens auftreten, kompensieren zu können beziehungsweise auf ein Minimum zu begrenzen, hat die Internationale Meeresbodenbehörde begleitend zur Vergabe von Erkundungslizenzen, Schutzgebiete ausgewiesen, die sie „Area of Particular Environmental Interest (APEI)“ – Gebiete von besonderem Umwelt-Interesse – nennt. Idealerweise ähneln diese Schutzgebiete den zur Exploration freigegebenen Gebieten stark und eignen sich daher als „Genpool“ für die Wiederbesiedlung gestörter Gebiete. Ob sie diese Voraussetzungen erfüllen, ist jedoch fraglich.

Unsere bisherigen Untersuchungen im Bereich der CCZ und auch die anderer internationaler Forscher*innengruppen haben gezeigt, dass sich die geochemischen, biogeochemischen, ökologischen und sedimentologischen Bedingungen in den APEIs, den ausgewiesenen Schutzgebieten, deutlich von denen in den Vertragsgebieten unterscheiden.

Die Sauerstoffeindringtiefen in den Sedimenten der untersuchten Schutzgebiete (APEIs) sind wesentlich grösser als in den Vertragsgebieten. Es ist daher davon auszugehen, dass sich die Prozesse und auch die potentiellen Auswirkungen von Tiefseebergbau-Aktivitäten in den Vertragsgebieten signifikant von denen in den APEIs unterscheiden. Nach heutigem Kenntnisstand erscheinen die Schutzgebiete daher wenig geeignet dazu, als Referenzgebiete für ein Umweltmonitoring in der Tiefsee oder als „Wiederbesiedlungs-Refugien“ für die potentiell durch Tiefseebergbau betroffenen Vertragsgebiete zu fungieren.

Manganknollen-Feld im Pazifik. Bild: Philweb / CC BY-SA 3.0

Referenzen

  • Mewes, K., Mogollón, J. M., Picard, A., Rühlemann, C., Kuhn, T., Nöthen, K. & Kasten, S. (2014). Impact of depositional and biogeochemical processes on small scale variations in nodule abundance in the Clarion‐Clipperton Fracture Zone. Deep-Sea Research Part I-Oceanographic Research Papers, 91, 125-141. doi:10.1016/j.dsr.2014.06.001
  • Volz, J. B., Mogollón, J. M., Geibert, W., Arbizu, P. M., Koschinsky, A. & Kasten, S. (2018). Natural spatial variability of depositional conditions, biogeochemical processes and element fluxes in sediments of the eastern Clarion-Clipperton Zone, Pacific Ocean. Deep Sea Research Part I: Oceanographic Research Papers, 140, 159-172. doi:10.1016/j.dsr.2018.08.006

DOI
https://doi.org/10.2312/eskp.2018.2.3.2

Zitiervorschlag: Kasten, S. (2018). Baseline-Studien für die Erkundungsgebiete: Wie tief reicht der Sauerstoff, was sind die Sedimentationsraten? In O. Jorzik, J. Kandarr & P. Klinghammer (Hrsg.), ESKP-Themenspezial Rohstoffe in der Tiefsee. Metalle aus dem Meer für unsere High-Tech-Gesellschaft (S. 45-47). Potsdam: Helmholtz-Zentrum Potsdam, Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ. doi:10.2312/eskp.2018.2.3.3