Giftigkeit und Verwitterung

Wie verwittert Plastik überhaupt im Meer?

Der Zerfall von Plastik in immer kleinere Fragmente hängt stark davon ab, wohin es im Wasser gelangt ist und welche Umweltbedingungen an diesem Ort herrschen. An der Wasseroberfläche treibendes Plastik ist ultraviolettem Licht ausgesetzt. Unter starkem Lichteinfall geht die Zersetzung in immer kleinere Plastikteile rascher voran.

 

  • UV-Strahlung ist wichtigster Treiber für die Zersetzung von Plastik im Meer
  • Temperatur oder mechanische Einflüsse desweiteren wichtig für den Zerfall
  • In Oberflächennähe schwimmendes Plastik kann auch zum Lebensraum für Organismen werden

Giftigkeit und Verwitterung

Die UV-Strahlung der Sonne ist der mit Abstand wichtigste Treiber für die Zersetzung des Plastik, denn in Verbindung mit Sauerstoff macht sie Plastik porös. UV-Strahlung regt die Bindungselektronen der langen Molekülketten des Kunststoffs an und spaltet dadurch die chemischen Bindungen.

An der Wasseroberfläche und Küste kann zudem die Temperatur beträchtlich schwanken. Dieses Auf und Ab der Temperaturen ist ein weiterer Motor für die Zersetzung. Hinzu kommt in küstennahen Gebieten die mechanische Zersetzung im Wellengang und an Felsen, Sandkörnern und anderen Partikeln (Abrasion) als wesentlicher Treiber für den Verwitterungsprozess.

Was man häufig übersieht: In Oberflächennähe schwimmendes Plastik kann auch zum Lebensraum werden – mit Auswirkungen auf den weiteren Zerfallsprozess. Geeignete Lebensräume beispielsweise für festsitzende Tiere wie Muscheln oder Seepocken sind rar in den Weiten der Ozeane. Zunächst entstehen Biofilme auf dem Plastikmüll. Dies geschieht, wenn eine Vielfalt von Mikroorganismen rasch Plastik als willkommenen Lebensraum besiedelt.

Mit dem Biofilm aus Mikroorganismen, zu denen Bakterien, Mikroalgen, Einzeller und Pilze gehören, wird jedoch ursprünglich leichtes Plastik schwerer und sinkt ab. Je kleiner die Partikelgröße, desto höher die Sinkgeschwindigkeit. Denn kleinere Partikel haben im Verhältnis eine größere Oberfläche und können so stärker besiedelt werden. Wenn der Müll erst einmal  auf den Meeresboden absinkt, lagern sich darauf Sedimente ab und die Plastikstücke werden eingebettet. Die am Meeresgrund vorherrschenden niedrigen Temperaturen und der Lichtmangel begünstigen, dass sich das Plastik über lange Zeit kaum verändert und am Meeresgrund verbleibt.

Forscher des GEOMAR gingen der Frage nach, ob Mikroplastik gemeinsam mit biogenen Partikeln im Meerwasser sogenannte Aggregate oder Klumpen bildet, in denen es dann möglicherweise in tiefere Wasserschichten absinkt. Biogene Partikel sind beispielsweise lebende und abgestorbene Planktonorganismen und deren Ausscheidungen. In ihrer Untersuchung konnten sie zeigen, dass Mikroplastikpartikel alleine nur wenig aggregierten. Zusammen mit biogenen Partikeln jedoch bildetet sie innerhalb weniger Tage ziemlich ausgeprägte und stabile Klumpen. Biofilme auf den Partikeln beschleunigen diesen Prozess der Aggregatbildung. Dies könnte ein Grund dafür sein, dass, obwohl ständig neues Mikroplastik in die Ozeane gelangt und einige Plastikarten eine relativ geringe Dichte aufweisen und dadurch an der Wasseroberfläche driften, die Konzentrationen an der Oberfläche der Ozeane oft geringer ist als erwartet.

Welche Arten der Verwitterung es gibt, zeigt diese ESKP-Infografik.

Wasserflöhe reagieren negativ auf Plastik

Das im Meerwasser gelöste Salz greift generell viele Materialien an, auch Plastik. Der Salzgehalt schwankt jedoch in den Meeren. Das Mittelmeer weist beispielsweise mit etwa 38 Gramm Salz pro Kilogramm Wasser einen deutlich höheren Salzgehalt auf als das Atlantikwasser (35 g Salz pro kg Wasser). Entsprechend unterschiedlich löst Salz Partikel aus dem Plastik. Ist Plastik zerfallen wird daraus sekundäres Mikroplastik und am Ende sogenanntes Nanoplastik. Nanoplastik sind Teilchen in einer Größe zwischen 1 und 100 nm. Verändert ein Plastikpartikel durch Verwitterung seine Dichte, seine Oberflächeneigenschaften, seine Rauigkeit oder seine Form, hat dies potentiell ökologische Folgen.

An einigen Arten wie Wasserflöhen (Daphnien) zeigten sich bereits akute Wirkungen im Labor. Diese Tiere leben in Seen und Teichen. Eine aktuelle Studie weist nach, dass Wasserflöhe Teilchen von einem Mikrometer (einem Tausendstel Millimeter) aufnehmen. Dies führte im Labor zu einer deutlich verminderten Mobilität und hätte in der Natur negative Auswirkungen auf die Nahrungsaufnahme. In einer Untersuchung aus den Niederlanden wurde eine sinkende Reproduktionstätigkeit der Tierchen festgestellt, wenn sie Nanoplastik aufnehmen. Es gab bei den Wasserflöhen durch die Aufnahme des Nanoplastiks weniger neugeborene Individuen. Nanopartikel stehen nach Aussage der niederländischen Wissenschaftlerin Ellen Besseling ähnlich wie Asbest im Verdacht, in die Zellen einzudringen und damit größere Wirkungen zu entfalten als etwa Mikroplastik. Hierzu muss jedoch noch genauer geforscht werden.

Ob Plastik mit der Verwitterung toxischer oder aufgrund der Formänderung gefährlicher wird, ist Gegenstand aktueller Untersuchungen. Mit den Kenntnissen über Verwitterungsprozesse und dem Wissen über den letztendlichen Verbleib des Plastiks wird es möglich sein, Monitoring- und Risikobewertungssysteme zu konzipieren, die besonders gefährdete Ökosysteme schützen. Die kurz- und mittelfristigen Auswirkungen der Verwitterung, so die Vermutung der Experten, sind wahrscheinlich für die Gewässer und ihre Organismen am problematischsten. Denn bevor das Plastik im Sediment begraben oder vollständig mineralisiert wird, nehmen die Partikel Größen an, die es ihnen erlauben in die Nahrungskette zu gelangen.

Das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung Leipzig ist federführend im europäischen Verbundprojekt WEATHER-MIC, welches sich mit dem Einfluss von Verwitterung auf den Transport, den Verbleib und die Toxizität von Mikroplastik in der marinen Umwelt befasst. Leitfragen sind dabei, wie die Verwitterung durch den Einfluss der UV-Strahlung (Photolyse), durch mechanische Zerkleinerung bzw. andere Verwitterungsmechanismen wie z.B. die Hydrolyse (Reaktion mit Wasser) den Transport und Verbleib des Mikroplastik in der Umwelt beeinflusst und ob die Giftigkeit des Mikroplastiks durch die Zerkleinerung und Fragmentierung eher zu- oder abnimmt. Die Umweltchemikerin Dr. Annika Jahnke vom UFZ koordiniert das Forschungsprojekt.

Beitrag aktualisiert am 4. September 2018

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Quellen

  • Jahnke, A., Arp, H. P., Escher, B. I., Gewert, B., Gorokhova, E., Kühne, D., ... MacLeod, M. (2017). Reducing Uncertainty and Confronting Ignorance about the Possible Impacts of Weathering Plastic in the Marine Environment.Environ. Sci. Technol. Lett., 4(3), 85-90. doi:10.1021/acs.estlett.7b00008
  • Michels J., Stippkugel A., Lenz M., Wirtz K, & Engel A. (2018). Rapid aggregation of biofilm-covered microplastics with marine biogenic particles. Proceedings of the Royal Society B, 285(1885):20181203. doi:10.1098/rspb.2018.1203

Weitere Informationen

Linktipp

Wie groß ist das Problem von Müll im Meer eigentlich? Wie gelangt der Müll ins Meer? Vor welchen Herausforderungen steht die Suche nach dem Mikroplastik? Das Alfred-Wegener-Institut geht in seiner Rubrik "Im Fokus" diesen zentralen Fragen nach.