Forschungsbedarf

Worüber wissen wir noch zu wenig?

Ob tatsächliche Gesamtmenge des Plastikmülls im Meer oder die Auswirkungen auf verschiedene Entwicklungsstadien von Organismen: Viele Aspekte des Verschmutzungsproblems müssen noch erforscht werden. Wissenschaftler benennen wichtige Wissenslücken.

In der Meeresforschung zu (Mikro-)Plastik sind einzelne Kompartimente noch schlecht untersucht. Erst jetzt werden nach und nach auch die Wassersäule und die Sedimente auf offener See in die Untersuchungen einbezogen. Momentan wissen wir nicht, wo 99% des Mülls im Meer landen. Es ist und bleibt die Kern-Frage in der Forschung zu marinem Müll. Dies bezieht nicht nur auf die geographische Verteilung, sondern auf bislang unbekannte Endlager (Sinks), wie z.B. die Tiefsee, die 60% unseres Planeten bedeckt und Ökosysteme wie das Meereis. Wieviel ist in der Atmosphäre oder in der Wassersäule, das größte Habitat auf der Erde volumetrisch betrachtet? Welchen, sicherlich nicht unbeträchtlichen, Anteil unregulierte bzw. illegale Fischerei-Aktivitäten am (Plastik-)Müllaufkommen haben, ist auch noch weitgehend unbekannt. Weiterer wichtiger Forschungsbedarf in den folgenden Abschnitten im Überblick.

Chemismus und Toxizität

  • Das Verhalten der im Plastik enthaltenen Chemikalien müsste unter unterschiedlichen Umweltbedingungen untersucht werden.
  • Es ist zu klären, welche relative Bedeutung der Transfer von Schadstoffen über Plastik ins Gewebe von Organismen hat. Dies im Vergleich zum Transfer z.B. über die Haut oder natürliche Nahrung.
  • Es ist zu untersuchen, ob bei der Aufnahme von Plastik eher die chemische oder aber die physische Wirkung für Organismen bedeutender ist.
  • Offen ist zudem, ob die im Vergleich zu Mikroplastik große Oberfläche der Nanoplastikpartikel und dessen Fähigkeit, Zellmembranen zu durchdringen Auswirkungen auf Giftigkeit hat.
  • Ungeklärt ist bisher, ob die Sedimentation von Mikroplastik bzw. die Einlagerung von Mikroplastik in Sedimente am Gewässergrund umweltverträglich ist. Möglicherweise gibt es geeignete Orte, um Mikroplastik der Nahrungskette zu entziehen und dadurch für Plankton und Fische beispielsweise ungefährlicher machen. An Talsperren und Stauhaltungen ließen sich Nutzen und Risiko der Sedimentation besonders gut untersuchen. Durch ein besseres Verständnis der Sedimentation, der Wirkung auf Artengemeinschaften und Risikoabschätzungen für Gewässer, ließe sich nachhaltige Konzepte für Praktiker entwickeln.

Biologische Effekte

  • Vielen Untersuchungen laufen noch unter Laborbedingungen und mit unnatürlich hohen Plastikkonzentrationen ab.
  • Es gibt bislang keine Langzeitstudien, die mit niedrigen und daher realitätsnahen Dosen gearbeitet haben.
  • Wir brauchen mehr Studien zu den möglichen Interaktionen zwischen Mikroplastik und anderen Umweltstressoren wie Wärmestress oder Sauerstoffmangel. Solche multiplen Stressszenarien betreffen vor allem benthische Organismen (Organismen, die am Meeresboden leben) in den flachen Küstenmeeren.
  • Es gibt bislang keine Studien, die die Effekte von Mikroplastik über verschiedene ontogenetische Stadien hinweg untersucht haben (Anm. der Red.: über alle Entwicklungsstufen eines Lebewesens hinweg). Welche Stadien sind beispielsweise bei Wirbellosen besonders sensitiv gegenüber einer Mikroplastikverschmutzung?
  • Zu Mikroplastik in der Nahrungskette gibt es bisher noch wenige Studien. Ob sich insbesondere langlebige organische Schadstoffe wie z.B. die Insektizide Chlordan oder DDT durch die Anlagerung an Plastikpartikel im Nahrungsnetz anreichern, sollte Gegenstand weiterer Forschungen sein.
  • Es gibt bis dato aus technischen Gründen keine umfassenden und verlässlichen Untersuchungen zur tatsächlichen Belastung beispielsweise von Wattwürmern im nordfriesischen Watt mit Mikroplastik (im Magen-Darmtrakt, im Gewebe). Daher kennen wir den Status Quo gar nicht. Das Gleiche gilt auch für die Konzentrationen an Mikroplastik in den Habitaten der Tiere. Hier ist ebenfalls noch Grundlagenwissen nötig.

Recycling und Alternativen

  • Es fehlt an weiterer Forschung, um Alternativen zu Plastik und Kunststoffen zu finden. Ökodesign liefert hier bereits heute spannende Ansätze für ressourcenschonende Produkte, die wiederverwertet oder ohne Naturbelastung entsorgt werden können. Diese Ansätze müssen weiter verfolgt und intensiviert werden.
  • Benötigt werden wissenschaftliche Studien zur Abbaubarkeit durch Bakterien oder Pilze. Diese könnten beispielsweise im Recycling genutzt werden könnte, um die Plastikmengen zu reduzieren. Hier steht die Forschung noch relativ am Anfang, aber erste Ergebnisse sind vielversprechend.

Beitrag erstellt am 8. November 2017

Quellen

  • Koelmans, A. A. (2015). Modeling the Role of Microplastics in Bioaccumulation of Organic Chemicals to Marine Aquatic Organisms. A Critical Review. In M. Bergmann, L. Gutow & M. Klages (Hrsg.), Marine Anthropogenic Litter (S. 309-324). Cham: Springer. doi:10.1007/978-3-319-16510-3_11
  • United States Environmental Protection Agency – EPS (2016). Fact Sheet: A Summary of the Literature on the Chemical Toxicity of Plastics Pollution on Aquatic Life and Aquatic-Dependent Wildlife [www.epa.gov]. Aufgerufen am 8. November 2017.

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