Handlungsoptionen: Stadtklima verbessern

Klimaschutz lokal finanzieren, Hongkongs neuer Weg beim Nahverkehr

Grundstückswerte steigen um ein Vielfaches, wenn sie Anschluss an das öffentliche Nahverkehrsnetz erhalten. Diese Wertsteigerung können sich Städte zunutze machen und damit den Ausbau eines effizienten, klimaverträglichen und weitreichenden öffentlichen Nahverkehrsnetzes finanzieren. Hongkongs Nahverkehrsunternehmen „Mass Transit Railway“ hat dieses Konzept erfolgreich umgesetzt.

Text: ESKP-Redaktion (Jana Kandarr)
Fachliche Prüfung: Prof. Dr. Reimund Schwarze (UFZ)

  • Der Wert von Grundstücken steigt bei einem Anschluss an das Nahverkehrsnetz.
  • Mit der Idee und dem Geschäftsmodell "Rail plus Property" erwirtschaftet das Nahverkehrsunternehmen Hongkongs mehr als eine Milliarde Gewinn.
  • Die Stadt ist Anteilseigner. Gewinne können in Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel oder den weiteren Ausbau des Nahverkehrs investiert werden.

Ganze 221 km beträgt das Streckennetz des öffentlichen Nahverkehrs in Hongkong. Täglich drängen sich rund fünf Millionen Menschen in den Nahverkehrszügen. Obwohl die Fahrpreise ausgesprochen niedrig sind – sie liegen bei nur knapp einem Dollar pro Fahrt – macht das betreibende Unternehmen beständig hohe Gewinne. Stattliche 1,5 Milliarden US Dollar waren es beispielsweise 2014. Diese Gewinnsummen erlauben es dem Unternehmen, immer weiter in den Nahverkehr zu investieren. Mit Erfolg: Auswertungen zeigen, dass 99,9 Prozent der Züge in Hongkong pünktlich sind und das System extrem zuverlässig ist.

Landentwicklungsrechte für Bahnunternehmen in Hongkong

Der Schlüssel für diesen Erfolg ist ein Geschäftsmodell namens "Rail plus Property", zu Deutsch in etwa: „Gleise plus Grundstück“. Es beruht auf folgendem Grundsatz: Für neue Bahnstrecken stellt die Regierung dem Bahnunternehmen Landentwicklungsrechte entlang der zu bauenden Strecke zur Verfügung. Das Bahnunternehmen wiederum zahlt der Regierung eine Landprämie, die auf dem Marktwert des Landes explizit ohne die geplante Bahnstrecke basiert.

Daraufhin beginnt die Bahn eine intensive Zusammenarbeit mit privaten Unternehmen, die entlang der geplanten Strecke bauen werden. Diese privaten Unternehmen erzielen dann Gewinne, von denen Hongkongs Bahnunternehmen einen festgelegten Prozentsatz bekommt. Alternativ erhält es eine feste Pauschale. Das Bahnunternehmen wird aber auch selbst aktiv und errichtet eigenständig Gewerbeimmobilien, von denen es langfristig profitiert. Dabei entstehen beispielsweise auch neue Immobilien über den Gleisen selbst.

Durch die Erfassung eines Teils des Werts der Grundstücke um die neuen Nahverkehrsstrecken herum, generiert das Unternehmen Mittel für neue Projekte wie auch für den Betrieb sowie die Instandhaltung des eigenen Netzes. Das Erstaunlichste dabei: Das Unternehmen kommt komplett ohne staatliche Subventionen oder Kredite aus. Umgekehrt profitiert der Staat: Der Regierung gehören nahezu Dreiviertel der Anteile am Bahnunternehmen, sodass Geld auch zurück in die Gesellschaft fließt.

Dieser innovative Ansatz funktioniert nicht nur in Hongkong. Die brasilianische Metropole São Paulo hat auf diesem Weg ebenfalls bereits über 1,2 Milliarden US Dollar eingesammelt und erfolgreich ins Nahverkehrsnetz investiert. Generell gibt es hier verschiedene Methoden und Ansätze: 
1) Development impact fees (vergleichbar: Finanzierung durch kommunale Anschlussgebühren),
2) Tax incremental financing (vergleichbar: Finanzierung durch kommunalen Grundstückssteuerzuwachs),
3) Public land leasing and development right sales (vergleichbar: Kommunale Pacht- oder Erbbaurechte),
4) Land readjustment (vergleichbar: Landneuanpassungsplanungen im Rahmen der Bodenordnung).

Diese werden je nach rechtlichen und politischen Gegebenheiten in verschiedenen Ländern zur kommunalen Finanzierung öffentlicher Infrastrukturen allein oder auch in Kombination genutzt. Hongkong hat zum Beispiel den überwiegenden Teil seiner Infrastruktur über die Besteuerung von Grundstückswertzuwächsen bei der Erneuerung von auf 20 Jahre befristeten kommunalen Pachtrechten finanziert.

Es gibt kein allgemeingültiges „Universalkonzept“ der Finanzierung von städtischer Infrastruktur, da die kommunale Finanzverfassung und das Grundsteuerrecht sehr unterschiedlich sind: Städte und Kommunen finanzieren z.B. nur etwa 10 bis 16 Prozent ihres gesamten Budgets aus eigenen Quellen, den überwiegenden Teil aus Mitteln des Bundes und der Länder. In den USA dagegen müssen die Städte im Schnitt 80 Prozent aus eigenen Quellen erbringen, dürfen dabei aber in hohem Maße auf die oben genannten Methoden und Ansätze der Grundstückswertaneignung (Land value capture) zurückgreifen, welche in Deutschland nur sehr eingeschränkt anwendbar sind.

Beitrag erstellt am 9. Mai 2018

Quellen

  • Schwarze, R., Meyer, P. B. & Markandya, A. (2016). Finance Opportunities for Climate Change Solutions in Cities (Resilient Cities 2016 Background Paper, 7th Global Forum on Urban Adaption Resilience & Adaption, Bonn, 6.-6. Juli 2016) [climate-adapt.eea.europa.eu].